28.04.2013FDP, FDP-FraktionAußenpolitik

WESTERWELLE-Interview für die "Bild am Sonntag"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Bild am Sonntag" das folgende Interview. Die Fragen stellten MICHAEL BACKHAUS, ROMAN EICHINGER und BURKHARD UHLENBROICH:

Frage: Herr Minister, es sind nur noch knapp fünf Monate bis zur Bundestagswahl am 22. September. Was steht auf dem Spiel?

WESTERWELLE: Die Bundestagswahl ist eine Richtungswahl für Deutschland und für Europa. Die deutsche Opposition will die Steuern hierzulande massiv erhöhen, um das Schuldenmachen in Europa zu erleichtern. Wer das nicht will, braucht die FDP, denn eine solche Politik ist mit uns nicht zu machen.

Frage: EU-Kommissionspräsident Barroso warnt, dass die strenge Sparpolitik an Grenzen stößt. Italien und Frankreich wollen auch nicht ernsthaft sparen. Wird es einsam um die Bundesregierung und ihren Kurs der Haushaltssanierung?

WESTERWELLE: Nein, wir haben in Europa eine Mehrheit der Vernunft, die weiß, dass man die Schuldenkrise nicht mit noch mehr Schulden bekämpfen kann. Aber einige in Europa hoffen auf einen Regierungswechsel in Berlin, weil sie nicht mehr konsolidieren, sondern wieder auf den Weg von noch mehr Staatsausgaben und damit noch mehr Schulden zurückkehren möchten. Ließen wir das zu, dann würde die Massenarbeitslosigkeit in den Krisenländern auf viele Jahre zementiert und die Stabilität des Euro gefährdet. Arbeitsplätze entstehen durch mehr Wettbewerbsfähigkeit. Wachstum kann man nicht mit Schulden kaufen, man muss es sich durch Reformen erarbeiten. Die Erfahrung haben wir in Deutschland auch gemacht.

Frage: Wie verlässlich wäre der Stabilitätskurs der neuen Regierung, wenn die Kanzlerin dann mit den Grünen oder der SPD regieren würde?

WESTERWELLE: Während der Regierungszeit von Rot-Grün stiegen die Staatsausgaben um 26 Milliarden Euro, in der Zeit der Großen Koalition waren es sogar 32 Milliarden. Die bürgerliche Koalition mit der FDP hingegen senkt die Staatsausgaben von 2010 bis 2013 um 1,7 Milliarden Euro und hat dabei die Familien entlastet und in Bildung investiert. Ohne die FDP gäbe es längst Euro-Bonds, also eine gesamtschuldnerische Haftung Deutschlands für alle Schulden in Europa. Die FDP ist besser für die Wirtschaftslage und für die Staatsfinanzen als andere Parteien.

Frage: Was würde es für den Euro bedeuten, wenn die Alternative für Deutschland es in den Bundestag schafft?

WESTERWELLE: Ich rufe allen Gegnern des Euro, mit Professorentitel oder ohne, zu: Wer den Euro aufgibt, wird weit mehr verlieren als unsere Währung. Wer den Euro aufgibt, riskiert den Zerfall Europas. Diese neue Partei wird es nicht in den Bundestag schaffen. Aber es wäre schlimm, wenn eine antieuropäische Partei als Wahlhelfer von Rot-Rot-Grün einen Wahlsieg von Schwarz-Gelb verhindern sollte.

Frage: Die CDU hat jetzt eine Frauenquote für die Wirtschaft ab 2020 beschlossen. Da könnte die FDP doch auch sagen, dass in der nächsten Wahlperiode die völlige Gleichstellung der Homo-Ehe kommen muss...

WESTERWELLE: Damit brauchen wir nicht bis nach der Wahl zu warten. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in der Vergangenheit klar gegen die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften Position bezogen. Ich halte es für möglich, dass das Gericht noch vor den Wahlen ein weiteres Urteil in diese Richtung verkündet. Dann können wir die völlige Gleichstellung noch vor dem 22. September im Bundestag beschließen. Keine Fraktion wird sich einem Urteil aus Karlsruhe widersetzen wollen.

Frage: Ihr Parteifreund, der Bundestagsabgeordnete Michael Kauch, lebt in einer Homo-Ehe. Nun hat eine lesbische Freundin seine Tochter zur Welt gebracht. Haben Sie ihm schon gratuliert?

Westerwelle: Ja, von Herzen.

Frage: Es ist das erste Mal, dass ein Politiker dieses doch eher ungewöhnliche Familienmodell gewählt hat.

WESTERWELLE: Es war auch ungewöhnlich, dass zum ersten Mal ein Mann Außenminister wird, der mit einem Mann zusammenlebt. Was hab ich mir alles anhören müssen, was das für Dramen im Ausland nach sich ziehen könnte...

Frage: Hat es jemals ein Problem gegeben?

WESTERWELLE: Ein einziges Mal - beim Präsidenten Weißrusslands, Alexander Lukaschenko. Der hat nach einem Treffen mit mir und dem polnischen Außenminister verlauten lassen: "Lieber Diktator als schwul." Das sagt viel aus über den, der es sagt.

Frage: Während Sie für Schwarz-Gelb trommeln, machen führende CDU-Politiker wie Ursula von der Leyen den Grünen Avancen, treffen sogar Absprachen über gemeinsame Ziele wie die Einführung einer Frauenquote. Haben Sie die Sorge, dass Union und Grüne sich ein schwarz-grünes Hintertürchen offen halten?

WESTERWELLE: Wenn die Schwarzen vergrünen, ist das noch lange kein Grund für Liberale zu erröten. Oder anders: Wer bei der Union von Schwarz-Grün träumt, kann schnell bei Rot-Rot-Grün aufwachen.

Frage: Aber SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück und SPD-Chef Gabriel schließen Rot-Rot-Grün kategorisch aus...

WESTERWELLE: In Nordrhein-Westfalen haben SPD und Grüne bereits mit der Linkspartei koaliert. Im Bundesrat haben Rot-Rot-Grün eine faktische Blockadekoalition geschlossen. Den heiligen Schwüren von Rot-Grün, niemals mit der Linkspartei, traue ich nicht vom Teppich bis zur Franse.

Frage: Herr Minister, der Bürgerkrieg in Syrien dauert nun schon über zwei Jahre, ohne dass ein Ende abzusehen wäre. Kann das Blutvergießen ohne Waffenhilfe des Westens gestoppt werden?

WESTERWELLE: Die Lieferung von Waffen nach Syrien ist eine sehr schwierige Abwägungsentscheidung. Die Lage in Syrien ist bestürzend. Nur: Werden weniger Menschen sterben, wenn mehr Waffen geliefert werden? Deutschland unterstützt die demokratische Opposition und verurteilt die Gewalttaten des Assad-Regimes in aller Schärfe, aber Terroristen und Extremisten, die gegen Assad kämpfen, werden deshalb noch nicht zu unseren Freunden.

Frage: Und währenddessen sterben dort jeden Tag unschuldige Menschen...

WESTERWELLE: Ich habe vor einiger Zeit syrische Flüchtlinge in einem Flüchtlingslager in Jordanien besucht. Ein Vater hielt mir sein krankes Baby hin, das kaum noch Lebenszeichen von sich gab. Das Bild kann ich seither nicht vergessen. Aber ich darf mich als Außenminister nicht nur von meinen Gefühlen leiten lassen. Wir müssen darauf achten, dass aus dem Krieg in Syrien kein Flächenbrand entsteht, der die Nachbarländer Türkei, Irak, Jordanien und Libanon anzündet und zu einer ernsten Gefahr auch für unser Partnerland Israel wird. Wir werden unsere Anstrengungen nicht aufgeben, nicht für die Menschen in Syrien und auch nicht gegenüber Russland und China im Sicherheitsrat.

Frage: Hat Assad im Bürgerkrieg Chemiewaffen eingesetzt?

WESTERWELLE: Ich bin bestürzt über die brutale Gewalt, mit der das Assad-Regime gegen das eigene Volk vorgeht. Der Einsatz von Chemiewaffen, von welcher Seite auch immer, wäre ein schwerwiegender Vorgang. Wir haben dazu keine eigenen Erkenntnisse. Wer über Erkenntnisse verfügt, ist aufgerufen, sie der internationalen Staatengemeinschaft zugänglich zu machen. Außerdem fordere ich Damaskus auf, endlich die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen ins Land zu lassen, damit sie ungehindert den Hinweisen auf den Einsatz von Chemiewaffen nachgehen kann.

Frage: Die Steuerhinterziehung von FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß erregt das Land. Was haben Sie gedacht, als Sie davon erfahren haben?

WESTERWELLE: Ich bin erschrocken, weil ich das nicht für möglich gehalten hätte.

Frage: Was bedeutet der Fall Hoeneß, der ja europaweit Schlagzeilen macht, für die Glaubwürdigkeit Deutschlands im Ausland als Kämpfer gegen Steuerflucht und Korruption?

WESTERWELLE: Unsere Justiz ist unabhängig. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Ich rate manchem Wahlkämpfer zu mehr Zurückhaltung und Respekt vor der Unabhängigkeit der Justizbehörden. Schwarz-Gelb hat in den vergangenen dreieinhalb Jahren mehr als drei Dutzend Steuerabkommen mit anderen Ländern geschlossen. Unter Finanzminister Peer Steinbrück war es in vier Jahren nicht einmal die Hälfte. Weltweite Steuerhinterziehung bekämpft man am besten durch Verträge mit den jeweiligen Staaten und nicht mit der Kavallerie.

Frage: Das Nicht-Zustandekommen des Steuerabkommens mit der Schweiz ist Hoeneß offenbar zum Verhängnis geworden. Gibt das nicht denen recht, die das Abkommen mit der Schweiz verhindert haben?

WESTERWELLE: Ich bedaure, dass dem deutschen Staat bis zu 10 Milliarden Euro an geschätzten Steuereinnahmen durch die Lappen gehen, weil die Opposition aus Wahlkampfgründen das Abkommen mit der Schweiz blockiert hat. Wie viele Kitas und Schulen hätten wir davon bezahlen können? SPD und Grüne freuen sich, wenn einer erwischt wurde, mit dem Abkommen hätten wir alle zur Kasse gebeten.

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