11.04.2006FDP

WESTERWELLE-Interview für den "Rheinischen Merkur"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "Rheinischen Merkur" (Ausgabe dieser Woche) das folgende Interview. Die Fragen stellten HARTMUT KÜHNE und ROBIN MISHRA:

Frage: Am 1. Mai übernehmen Sie neben dem Parteivorsitz auch die Fraktionsführung. Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger Wolfgang Gerhardt?

WESTERWELLE: Wir wollen unsere Kräfte in der Opposition bündeln. Wir werden unsere Stärken stärken, aber gleichzeitig auch unsere Kompetenzen ausbauen. Die Umweltpolitik, die wir als ökologische Marktwirtschaft im Gegenteil zur bürokratischen Staatswirtschaft
verstehen, und eine moderne Energiepolitik werden auf unserem Parteitag Schwerpunkte sein.

Frage: Die FDP fährt ordentliche Wahlergebnisse ein, ist aber im Bund in der Opposition, in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt aus der Regierung gefallen. Muß Sie dieser Machtverlust nicht besorgen?

WESTERWELLE: Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir haben
viele Parlamentssitze gewonnen, sind als gesamtdeutsche Partei bestätigt worden und eindeutig dritte Kraft. Andererseits bin ich natürlich enttäuscht, daß wir wegen der Schwäche der Union im Bund nicht an die Regierung gekommen sind, weil so der Politikwechsel ausbleibt.

Frage: In Baden-Württemberg wären Sie trotz gemeinsamer Mehrheit beinahe von der CDU verlassen worden…

WESTERWELLE: Das ist wirklich ein einmaliger Vorgang. Da wird die CDU/FDP mit einem stattlichen Ergebnis bestätigt und gleichwohl flirtet Herr Oettinger gegen das Votum seiner Wähler mit den Grünen. Das hat ja seine Basis noch rechtzeitig verhindert. Aber in meinem Elefantengedächtnis bleibt das gut gespeichert.

Frage: Wie groß ist Ihre wahre Angst vor Schwarz-Grün? Es entsteht ja eine neue Machtoption für die CDU/CSU, bei der man die FDP nicht mehr braucht...

WESTERWELLE: Die meisten bürgerlichen Wähler sind doch froh, daß sie die Grünen in der Bundesregierung überstanden haben. Deshalb sind solche Liebeleien ein Stärkungsprogramm für die FDP.

Frage: Ihr Ex-Koalitionspartner Kurt Beck wird neuer SPD-Parteichef. Was verspricht sich die FDP davon?

WESTERWELLE: Wenn der Kurs von Kurt Beck, der ja jahrelang mit der FDP in
Rheinland-Pfalz erfolgreich und fair zusammen gearbeitet hat, der neue Kurs der SPD insgesamt würde, hätte das durchaus Auswirkungen auf die Aufstellungen innerhalb der deutschen Parteienlandschaft.

Frage: Bleibt die Union im Bund ihr bevorzugter Koalitionspartner?

WESTERWELLE: Das steht jetzt nicht zur Entscheidung an. Ich nehme aber mit Staunen
wahr, wie rasant sich die Unionsparteien von ihrem Programm verabschiedet haben. Noch kurz vor der Bundestagswahl haben Angela Merkel, Edmund Stoiber und ich gemeinsam ein einfacheres und gerechteres Steuerrecht mit niedrigeren Sätzen gefordert. Heute ist davon bei der Union keine Rede mehr. Daß deren Star nicht mehr Friedrich Merz, sondern Horst Seehofer heißt, spricht Bände.

Frage: Aber die Bürger sind mit der Großen Koalition zufrieden.

WESTERWELLE: Deutschland verliert 600 sozialversicherungspflichtige
Beschäftigungsverhältnisse am Arbeitstag. Zugleich plant die Große Koalition die größte Steuererhöhung aller Zeiten. Die Rentenbeiträge steigen. Der Gesundheitskompromiß wird mit einer Mehrbelastung der Bürger enden. Unter dem Strich ist es Schwarz-Rot gelungen, mit dem Zauber des Neuanfangs eine gute Stimmung zu verbreiten, die sich mit jedem Tag durch die Realitäten nach und nach eintrübt.

Frage: Wie bewerten Sie Angela Merkel, mit der sie vor der Wahl noch viele Gemeinsamkeiten hatten?

WESTERWELLE: Angela Merkel ist eingemauert von Sozialdemokraten mit rotem und
schwarzem Parteibuch, deshalb ist ihr innenpolitischer Handlungsspielraum gering.

Frage: Wie empfinden Sie den Umgang der Großen Koalition mit der FDP? Nach dem Ausscheiden eines Ihrer Partei nahe stehenden Verfassungsrichters hat die Union ihren Kandidat durchgesetzt...

WESTERWELLE: Es war gerade beim Bundesverfassungsgericht immer gute Sitte, Respekt
vor anderen politischen Geisteshaltungen zu zeigen. Ich finde es bedauerlich, daß diese demokratische Gepflogenheit wieder angemahnt werden muß. Es gibt eine Fülle von Ereignissen, die auf eine neue Arroganz der Macht hindeuten. Im Untersuchungsausschuß wurde der Opposition noch nicht einmal der stellvertretende Vorsitz überlassen. Das müßte doch eine Selbstverständlichkeit sein, zumal die Minderheit diese Untersuchung durchgesetzt hat.

Frage: Den BND-Untersuchungsausschuß forcieren Sie, dazu kommt ihr Rechtsstreit mit dem Ex-Kanzler. Warum arbeitet sich die FDP so stark an einer längst abgewählten Regierung ab?

WESTERWELLE: Beim Untersuchungsausschuß geht es nicht um Vergangenheitsbewältigung, sondern um die Frage, ob rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten worden sind und welche Maßstäbe künftig gelten sollen. Zu Gerhard Schröder hat
mir das Gericht eine bestimmte Formulierung untersagt. Es wird mich aber niemand davon abbringen zu sagen: Der Seitenwechsel vom Kanzler zum Aufsichtsrat der Pipeline-Gesellschaft ist unappetitlich, stillos und fragwürdig. Der Ex-Kanzler bestätigt jedes Vorurteil, das es in der Öffentlichkeit gegen Politiker gibt.

Frage: Wollen Sie nach dem BND- einen Gerhard Schröder-Untersuchungsausschuß
beantragen?

WESTERWELLE: Da will ich nicht spekulieren. Aber es kommt ja jeden Tag etwas Neues
heraus. Da wird eine Bürgschaft von einer Milliarde Euro beschlossen angeblich ohne die politischen Spitzen zu informieren. Am 24. Oktober drückt der bereits abgewählte Regierungsapparat das im Eilverfahren durch. Der Altbundeskanzler sitzt gut bezahlt auf einem Stuhl, den es ohne sein Wirken so gar nicht gäbe. Manche meinen, die Pipeline bedeute
mehr Energiesicherheit für Deutschland. Sie bedeutet vor allem mehr Energieabhängigkeit vom Kreml. Der ganze Vorgang stinkt zum Himmel! Da wird meine Partei nicht locker lassen.

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