WESTERWELLE-Interview für das "WDR 5 Morgenecho"
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "WDR 5 Morgenecho" heute früh das folgende Interview. Die Fragen stellte ANNA KUHN-OSIUS:
Frage: Herr Bundesaußenminister, was halten Sie von der Rede Mubaraks? Wie wirkte sie auf Sie?
WESTERWELLE: Das ist eine enttäuschende Rede gewesen und diese Enttäuschung ist nicht nur das Gefühlt der vielen Menschen, die in Ägypten derzeit demonstrieren, sondern natürlich auch derer, die international die Vorgänge in Kairo und in Ägypten beobachten. Ich fürchte, dass diese Rede nicht geeignet ist, die schwierige Lage in Ägypten zu befrieden. Und deswegen sind unsere Sorgen nach dieser Rede eher größer geworden und nicht kleiner.
Frage: Mubarak hat ja Reformen angekündigt. Reicht das?
WESTERWELLE: Wir wollen Taten sehen, genauso wie es ja auch die Demonstranten auf dem Platz in Kairo fordern. Das Entscheidende ist, dass es jetzt einen zügigen Wandel gibt, dass zügig die Macht in die Hände des Volkes gegeben werden muss, damit ein Prozess des Übergangs in Richtung Demokratie geordnet gestaltet kann. Es geht vor allen Dingen darum, dass es einen friedlichen Dialog gibt. Das wichtigste ist, und das ist auch unsere Forderung, dass keine Gewalt angewendet wird. Denn wir müssen damit rechnen, dass am Freitag in Folge des Freitagsgebets noch sehr viel mehr Menschen erneut demonstrieren werden als das, was wir ohnehin schon an eindrucksvollen Zahlen in den letzten Tagen gesehen haben.
Frage: Für einen zügigen Übergang, einen friedlichen Übergang - ist es dafür zwingend notwendig, dass Mubarak zurücktritt?
WESTERWELLE: Natürlich ist es Aufgabe des ägyptischen Volkes selbst zu entscheiden, wer es führt. Das ägyptische Volk muss auch selbst entscheiden, wer die eigenen Meinungsführer sind. Aber dass Präsident Mubarak ganz augenscheinlich vom Volk und von den Demonstranten nicht mehr als der richtige Moderator eines Übergangsprozesses angesehen wird, muss natürlich auch die ägyptische Führung zur Kenntnis nehmen.
Frage: Sie sagen ja immer - und das ist ja auch die US-Haltung: Es ist Aufgabe des ägyptischen Volkes selber. Aber man muss doch sagen: Dieser Auftritt gestern wirkte fast weltfremd. Präsident Mubarak sprach und man konnte gleichzeitig sehen, wie die Menschen auf dem Platz ihm irgendwann nicht mehr zuhörten und ihre Schuhe hochhoben, als Zeichen der Verachtung. Wäre es nicht doch langsam an der Zeit auch von außen Mubarak ganz klar zu sagen: so geht das nicht mehr.
WESTERWELLE: Die Adressen und die Ansagen von außen hat es ja längst gegeben.
Frage: Sehr unentschieden waren diese Ansagen, muss man sagen. Die USA konnten sich ja offenbar vorstellen, dass Mubarak auch bleibt.
WESTERWELLE: Nein. Das ist ja eine Einzeläußerung aus den Vereinigten Staaten von Amerika gewesen, die auch sofort von der amerikanischen Außenministerin zurückgeholt worden ist. Das habe ich nun selber auch am Wochenende in München erlebt. Ich selbst will nur auch noch einmal die Haltung der Bundesregierung sagen. Wir haben eine glasklare Haltung. Wir unterstützen als Demokraten die Demokratie. Und darum geht es natürlich auch: Dass wir einen demokratischen Prozess befördern wollen. Wir sind der Überzeugung, dass die Einhaltung von Menschenrechten universell ist und dass es auch unser Anliegen gemeinsam als Völkergemeinschaft sein muss, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Menschen, die dort demonstrieren friedlich ihre Meinung und ihre Anliegen nicht nur vorbringen sondern auch umsetzen können.
Frage: Aber Herr Westerwelle, haben Sie den Eindruck, dass die Menschen, die dort demonstrieren das wissen, oder dass sie sich eher im Stich gelassen fühlen. Zum Beispiel von der Europäischen Union - auch von Deutschland.
WESTERWELLE: Ich glaube nicht, dass dies ein berechtigter Eindruck ist. Und ich glaube auch nicht, dass das etwas ist, was in Ägypten so gesehen wird. Ich selbst habe zum Beispiel auch mit Oppositionellen gesprochen, unter anderem mit Herren El Baradei ein Gespräch geführt. Mein Eindruck ist, dass wir sorgfältig vorgehen müssen, wenn wir den demokratischen wirklich helfen wollen. Es geht nicht um starke Sprüche für die deutsche Innenpolitik, sondern es geht darum, dass wir entschieden uns in den Gespräche gegenüber der ägyptischen Regierung einbringen. Aber öffentlich uns auch so klug äußern, dass eben nicht das Gerücht, die Propaganda verbreitet werden kann, die Demonstranten würden eine Sache des Westens oder von irgendwelchen ausländischen Mächten betreiben. Genau damit wird ja Propaganda und Politik gemacht. Und in dem Augenblick, wo die westliche Gemeinschaft es zulassen würde, dass ein solcher Eindruck entsteht, das sei eben nicht eine Sache der Ägypter die dort stattfindet, sondern das sei eine Sache des Auslandes, würde man demokratische Bewegungen empfindlich schwächen. Deswegen gilt die Devise: Nach innen sehr klar - und wir sind sehr klar - aber nach außen auch so respektvoll, dass das ägyptische Volk weiß: Wir unterstützen es, wir unterstützen die Demokratie, wir unterstützen auch die Demonstrationen für Menschenrechte und für Zukunftschancen. Aber wir wissen auch: Wer das ägyptische Volk führt, das muss das ägyptische Volk selbst entscheiden.
Frage: Wie sehen Sie die Rolle des Militärs?
WESTERWELLE: Das ist schwer zu beurteilen derzeit. Wir hoffen, dass das Militär bei der zurückhaltenden Haltung bleibt. Das ist ja auch die große Sorge, die wir derzeit insgesamt haben, dass aus eine solchen fragilen Situation eben sehr schnell auch eine gewalttätige Situation werden kann. Und beides gilt es zu verhindern. Wir müssen verhindern, dass diese Demonstranten niedergeknüppelt werden. Wir bringen auch klar unsere Solidarität zum Ausdruck. Andererseits müssen wir auch verhindern, dass eine Bewegung, die jetzt demokratisch beginnt am Schluss in die Hände von Extremisten und Fundamentalisten spielt. Auch das muss ja politisch genauestens mit beachtet werden.
Frage: Sie werden ja später vor dem UNO-Sicherheitsrat reden. Werden Sie Ihre Rede jetzt noch mal umschreiben? Werden Sie auf Ägypten eingehen?
WESTERWELLE: Ja. Das ist notwendig geworden wegen der Ereignisse in dieser letzten Nacht. Und das wird natürlich auch ohne Zweifel bei den Vereinten Nationen mindestens am Rande besprochen werden. Aber, da bin ich ganz sicher, nicht nur von mir, sondern auch in der Diskussion selbst im Plenum des Sicherheitsrates.