WESTERWELLE-Interview für das "Offenburger Tageblatt"
Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "Offenburger Tageblatt " (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte RÜDIGER KLAUSMANN:
Frage: Guido Westerwelle im Europa-Park Rust - starten Sie jetzt eine Neuauflage des Spaß-Wahlkampfes von 2002?
WESTERWELLE: Mir sind Politiker ein Gräuel, die zum Lachen in den Keller gehen. Fröhlichkeit und Optimismus, Lebensbejahung und ernste Ziele schließen sich überhaupt
nicht aus, ganz im Gegenteil, sie gehören zusammen.
Frage: Wenig Freude haben die Menschen aber derzeit an den Tankstellen. Der Benzinpreis ist auf Rekordniveau. Wird sich die FDP nach einem Regierungswechsel dafür einsetzen, daß die Belastung durch Steuern und Abgaben auf Benzin sinkt?
WESTERWELLE: Für uns bleibt die Rückführung der Ökosteuer definitiv auf der politischen Tagesordnung. Die Idee, die Rente an der Tankstelle sichern zu wollen, war von Anfang an ein Irrtum. Jetzt steigen die Benzinpreise und die Rentenbeiträge. Daran sieht man, daß das Modell der Ökosteuer gescheitert ist. Die internationalen Ölmärkte kann ein deutscher Politiker nicht beeinflussen - aber wenn über 40 Prozent der gesamten Energiekosten in Deutschland vom Staat gemacht werden, dann bleibt es bei unserer Überzeugung, daß Steuersenkungspolitik das beste Beschäftigungsprogramm und die sozialste Politik ist.
Frage: Die Union hat Ökosteuer kritisiert, will sie aber nach der Wahl beibehalten, weil kein Geld da sei, um den Einnahmenausfall zu kompensieren. Stimmen Sie dieser Argumentation zu?
WESTERWELLE: Natürlich geht nicht alles auf einmal. Wir können die Ökosteuer nur Schritt für Schritt zurückfahren. Schließlich hat uns Rot-Grün die schlimmste Lage der Staatsfinanzen seit Gründung der Republik hinterlassen.
Frage: Dann bleibt die Ökosteuer im nächsten Jahr?
WESTERWELLE: Im nächsten Jahr wird es zuerst darum gehen, die Familien zu entlasten, Steuern zu senken, die Bürokratie abzubauen und Subventionen zu kürzen. Die Rückführung der Ökosteuer bleibt aber auf der Tagesordnung.
Frage: Bundeskanzler Schröder hat Ihnen heute vorgeworfen, Sie und Frau Merkel stünden für ein "kaltes, unsolidarisches und damit unmenschliches Gesellschaftskonzept". Läßt Sie das kalt?
WESTERWELLE: Eine Million rote Fahnen, von der SPD getragen, sind nicht so sozial wie die Politik der FDP für Wachstum und neue Arbeitsplätze. Die unsozialsten Ergebnisse haben sieben Jahre Rot-Grün hervorgebracht, nämlich eine Massenarbeitslosigkeit, wie wir sie noch nie in der Nachkriegszeit hatten.
Frage: Angela Merkel hat Siemens-Manager Heinrich von Pierer als Wirtschaftsberater geholt. Nach Paul Kirchhof der zweite parteiexterne Experte der Union. Warum setzt die FDP nur auf eigene Köpfe anstatt auch Sachverstand von außen an die Partei zu binden?
WESTERWELLE: Auch wir haben viel Sachverstand von außen in die Partei gebracht. Die Berater der FDP kommen überwiegend aus dem Bereich des Mittelstandes, dem Rückgrat der Wirtschaft. Ich finde aber, daß Heinrich von Pierer ein Mann ist, der auch bereits die
Bundeskanzler Kohl und Schröder zu Recht beraten hat.
Frage: Sind Kirchhof und von Pierer auch Leute, mit denen die FDP Reformprozesse gestalten kann?
WESTERWELLE: Aber sicher. Professor Kirchhof zum Beispiel ist ein Verbündeter der Liberalen im Geiste. Mit seiner Berufung sind unsere Chancen gestiegen, nicht nur eine grundlegende Vereinfachung und Tarifsenkung im Steuerrecht in einer schwarz-gelben Koalition durchzusetzen, sondern auch eine Mehrwertsteuererhöhung zu verhindern.
Frage: Die FDP sagt, ihr Steuerkonzept sei durchgerechnet, eine Mehrwertsteuererhöhung sei nicht notwendig. Die Union sagt, auch sie habe alles durchgerechnet, um eine Steuererhöhung kommt man nicht herum. Wem soll der Wähler denn nun glauben? Eine Partei muß sich
verrechnet haben.
WESTERWELLE: Ich schlage vor, die Bürger rechnen unser Modell unter www.fdp.de selbst nach.
Frage: Dazu benötigt man wahrscheinlich erst einen Abschluß in Finanzwissenschaften . . .
WESTERWELLE: Das kann jeder mit gesundem Menschenverstand nachrechnen. Wir schlagen eine Entlastung von 17 bis 19 Milliarden Euro vor. Das können wir durch Umschichtungen und Einsparungen in Höhe von 35 Milliarden Euro gegenfinanzieren. Das setzt aber Mut beim Subventionsabbau voraus.
Frage: Heute treffen Sie sich mit Unions-Spitzen zum "Wechselgipfel". Werden da auch bereits die Ministerposten verteilt?
WESTERWELLE: Nein. Trotz mancher Gegensätze wollen wir heute kenntlich machen, daß die Summe der Gemeinsamkeiten groß genug ist, um auch mit einer knappen Mehrheit für Union und FDP gut zu regieren.
Frage: Die Medien fiebern dem TV-Duell Schröder und Merkel entgegen. Vor drei Jahren haben Sie sich versucht, in das Duell einzuklagen. Wie verärgert sind Sie jetzt, daß Sie keine Chance haben, vor Millionen Fernsehzuschauer dem Bundeskanzler ihre Meinung zu sagen?
WESTERWELLE: Ich habe genug andere Gelegenheiten dazu. In diesem Wahlkampf gibt es auch noch ein Streitgespräch zwischen Oskar Lafontaine, Joschka Fischer und mir. Das könnte die Fernsehzuschauer auch interessieren. Ich hoffe aber, daß es bei dem TV-Duell am Sonntag nicht darum geht, wer wie aussieht, sondern darum, wer die besseren Argumente hat. Wenn es nur um Fernsehwirkung geht, wäre es schade um die Zeit.
Frage: Und Sie drücken Frau Merkel die Daumen?
WESTERWELLE: Aber sicher. Sie ist die bessere Kanzlerin.