FDPPanama Papers

Wer Steuern sparen anprangert, argumentiert unehrlich

Wolfgang KubickiWolfgang Kubicki
07.04.2016

Nicht jeder, der eine Briefkastenfirma hat, ist gleichzeitig moralisch korrumpiert und Steuerflüchtling. FDP-Vize Wolfgang Kubicki verweist auf die rechtlichen Rahmenbedingungen. "Das reine Vorhalten einer Briefkastenfirma ist bis heute nicht illegal", stellt Kubicki in einem Gastbeitrag für die "Huffington Post" klar. Darüber hinaus sei es nicht illegal, Steuern sparen zu wollen.

SPD-Vize Ralf Stegner sei schnell bei der Hand gewesen, rechtsstaatliche Errungenschaften wie die Unschuldsvermutung über Bord zu werfen, als die Panama Papers veröffentlicht wurden, kritisierte Kubicki. "Wenn etwas legal ist, sollte man nicht diejenigen beschimpfen, die die Gesetze befolgen, sondern allenfalls die, die sie gemacht haben. Wer etwas anderes will, muss die gesetzlichen Grundlagen verändern."

Lesen Sie hier den vollständigen Gastbeitrag

Die Veröffentlichung hunderttausender Briefkastenfirmen in Panama und anderen überseeischen Paradiesen hat in den vergangenen Tagen einen internationalen Sturm der Entrüstung hervorgerufen. Das Hauptargument der Entrüsteten war, dass Briefkastenfirmen gleichzusetzen seien mit Steuerhinterziehung und die Inhaber solcher Firmen damit automatisch Kriminelle seien. Es handelte sich – nach dieser Definition – also um den moralischen Bodensatz der Gesellschaft.

In diesem Zusammenhang tat sich auch der definitionsstarke Stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner hervor, der in der Vergangenheit zu steuerrechtlichen Fragen bedauerlicherweise nur sehr selten mit Fachkompetenz auf sich aufmerksam gemacht hatte.

Dieser machte umgehend die politisch Schuldigen aus, als er twitterte: „Schwarzgelbe Fans von Briefkastenfirmen und Steuerflucht agieren als Schutzpatrone superreicher Steuerhinterzieher, Waffenschieber & Konsorten.“ Angesichts der Tatsache, dass es noch gar nicht sicher ist, ob bzw. in wie vielen Fällen es zu Rechtsübertretungen gekommen ist, ist das rasche Überbordwerfen rechtsstaatlicher Errungenschaften wie der Unschuldsvermutung durch einen führenden Sozialdemokraten schon bemerkenswert.

Wenn wir nun betrachten, welche Banken das jetzt inkriminierte Briefkastenmodell angeboten haben, dann offenbart die aktuelle Liste auch Landesbanken, wie die untergegangene Westdeutsche Landesbank und die jetzt aktive Abwicklungsgesellschaft. Ebenfalls ist dort auch die HSH Nordbank zu finden, in deren Aufsichtsrat der Genosse Stegner zunächst in seiner Funktion als Finanzminister und auch noch lange danach saß.

Auch in seiner Amtszeit hat die Bank solcherlei Geschäfte in Übersee praktiziert, übrigens bis in die jüngste Zeit. Die Stegnersche Skandalisierung nach dem Motto „Haltet den Dieb“ ist daher – gelinde gesagt – unangebracht.

Worum geht es also: Das reine Vorhalten einer Briefkastenfirma ist bis heute nicht illegal. In vielen Fällen ergeben sie sogar durchaus Sinn. So soll es weiterhin Handelsschiffe geben, die in deutschem Besitz sind. Sollen diese deutschen Schiffe unter panamaischer Flagge fahren, brauchen sie eine Domizilgesellschaft im Land. Dies leistet eine so genannte Briefkastenfirma, bei der das Schiff registriert ist. Das ist legal.

Dass auch Ottonormalverbraucher Steuervermeidung betreiben – was ausdrücklich legal ist – ist im Übrigen nicht zu beanstanden. Es werden ja Steuerberater dafür engagiert, um legal Steuern zu sparen. Wer also Steuern sparen öffentlich anprangert, argumentiert unehrlich. Wenn etwas legal ist, sollte man nicht diejenigen beschimpfen, die die Gesetze befolgen, sondern allenfalls die, die sie gemacht haben. Wer etwas anderes will, muss die gesetzlichen Grundlagen verändern.

Hinzu kommt: Wer Steuern sparen (also Steuervermeidung) geißelt, der muss sich fragen, was der deutsche Staat bislang eigentlich tut, wenn er über entsprechende Regelungen Private zu bestimmten Verhaltensweisen anregen will: steuerliche Förderung von Wohnungsbau, Nutzung erneuerbarer Energie etc. Das ist das größte Feld der staatlichen Lenkung durch die Steuergesetzgebung.

Es gilt: Immer dann, wenn Abschreibungsmöglichkeiten geschaffen werden, werden Steuern „gespart“. Darauf zu verzichten würde bedeuten, die Lenkungsfunktion von Steuern für wirtschaftlich gewünschte Entscheidungen zugunsten der reinen Fiskalfunktion aufzugeben mit fatalen Folgen für die wirtschaftliche Leistungskraft eines Landes.

Wir stehen in einem steuerlichen Wettbewerb mit anderen Staaten. Das heißt, Länder wie Irland oder die Niederlande sind bei Konzernen deshalb so begehrt, weil sie günstigere steuerliche Bedingungen anbieten.

Deshalb zahlen Google oder Ikea bei uns kaum Steuergelder, obwohl sie in Deutschland Wertschöpfung betreiben. Hier müssen wir ansetzen und nicht, ob wir in Panama Briefkastenfirmen zulassen oder nicht.

Auch wenn manch ein Sozialdemokrat mit markigen Worten einen anderen Eindruck erwecken will: Die Steuergesetzgebung von Panama können wir nicht verändern, sondern nur der dortige Gesetzgeber.

Die einzige Möglichkeit, die Steuerflucht ins Ausland zu verhindern, wäre ein gemeinsamer internationaler Standard, der dann auch durchgesetzt wird.

Es ist zwar zu bezweifeln, dass beispielsweise die USA mit den Briefkastenfirmen in Delaware oder Großbritannien mit seinen sehr beliebten Kanalinseln da mitziehen. Und es ist auch zweifelhaft, dass die gesamte Welt sich den steuerpolitischen Vorstellungen Deutschlands anschließt. Das Wehklagen, dass zur Steuervermeidung Geld ins Ausland transferiert wird, hilft jedenfalls nicht weiter.

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