FDPGriechenland-Schuldendrama

Wer sich nicht an die Regeln hält, scheidet eben aus

Michael TheurerMichael Theurer bezweifelt, dass Griechenland ein tragfähiges Geschäftsmodell hat
01.07.2015

Die gegenwärtige Zuspitzung der Schuldenkrise biete für die Währungsunion möglicherweise auch Chancen, meint Michael Theurer. Im Interview mit dem SWR2 hielt der FDP-Europaabgeordnete fest, das Wichtigste sei jetzt: "Die Eurozone ist eine Zone unabhängiger Staaten mit einer gemeinsamen Währung. Und da ist es wie in einem Mehrfamilienhaus. Es funktioniert nur, wenn es eine Hausordnung gibt und wenn sich alle daran halten." Griechenland katapultiere sich insofern durch seine Regelverstöße derzeit möglicherweise selbst aus dem Euro. Das könne aber auch dazu führen, dass "alle sehen: Die Regeln werden eingehalten, und wer sich nicht an die Regeln hält, der scheidet dann eben unfreiwillig aus."

Theurer bedauerte, dass sich die griechische Regierung nicht rechtzeitig auf die "notwendigen Strukturreformen" eingelassen habe. Zugleich bezweifelte er, dass Griechenland über ein "tragfähiges Geschäftsmodell" für die Zukunft verfüge. Er verwies auf einen überproportionalen Staatssektor in Griechenland oder die Annullierung von geplanten Privatisierungen.

Für die Geldgeber sei aber entscheidend, zu wissen, ob Griechenland "ein Fass ohne Boden" sei oder irgendwann in die Lage gerate, die Ausgaben aus den Einnahmen zu decken. Das sei bei der griechischen Regierung nicht angekommen: "Man hat ja von dort immer gehört, der Kapitalismus ist schuld, die Globalisierung ist schuld. Man könne also da nicht weiter Reformen vornehmen. Fakt ist: In Griechenland ist der Staatssektor zu groß."

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Pascal Fournier: Griechenland ist seit heute ganz offiziell säumiger Schuldner des Internationalen Währungsfonds. Was ist dadurch heute, am 1. Juli, grundlegend anders?

Michael Theurer: Wenn ein Land zahlungsunfähig ist, und das ist es, dann gibt es dadurch einige Folgen, die da eintreten. Zum einen sind die ganzen griechischen Staatsanleihen, die bisher durch das Rettungsprogramm auch abgedeckt waren, nicht mehr als Sicherheit bei der Europäischen Zentralbank zu hinterlegen. Also, kurzum, die Ökonomen befürchten in so einem Fall einen Bank Run, also dass die Menschen die Banken stürmen und Geld abheben.

Das haben wir ja schon.

Das haben wir schon. Und um das zu verhindern, hat ja die griechische Regierung bereits jetzt alle Banken für diese ganze Woche geschlossen.

Hat Griechenland ein tragfähiges Geschäftsmodell?

Offenbar haben beide Seiten, also die Geberländer wie auch Griechenland, gestern noch einmal versucht, das Ganze umzubiegen. Auf den letzten Drücker gab es Appelle, Vorstöße, einen neuen Hilfsantrag, eine Telefonschalte der Euro-Finanzminister. Was schließen Sie denn aus dieser hektischen Betriebsamkeit auf den letzten Metern?

Es hat ja an den Versuchen nicht gefehlt, diesen Zustand abzuwenden. Das musste der griechischen Regierung um Alexis Tsipras und Finanzminister Varoufakis ja klar sein. Das kommt ja alles nicht überraschend, sondern es war klar. Und Finanzminister Wolfgang Schäuble hat das ja auch deutlich gemacht, als er sagte: „Am 30. Juni isch over.“ Sagte er ja im südwestdeutschen Akzent. Es wusste jeder, und die entscheidende Frage ist: Warum hat sich die griechische Regierung nicht auf die entsprechenden Strukturreformen eingelassen, die den Kreditgebern wichtig sind? Weil die entscheidende Frage in Griechenland ist ja nicht die Streichung der Altschulden, sondern die entscheidende Frage ist: Hat Griechenland ein tragfähiges Geschäftsmodell? Jeder, der jetzt Geld gibt, will ja wissen: Ist das ein Fass ohne Boden oder schaffen die Griechen es irgendwann einmal, eben mit den laufenden Einnahmen auch die laufenden Ausgaben zu decken? Genau darum geht der Streit.

Und zu welcher Antwort tendieren Sie?

Ich neige dazu, dass das bei der griechischen Regierung nicht angekommen ist. Man hat ja von dort immer gehört, der Kapitalismus ist schuld, die Globalisierung ist schuld. Man könne also da nicht weiter Reformen vornehmen. Fakt ist: In Griechenland ist der Staatssektor zu groß. Er funktioniert auch nicht richtig. Es wurden auch keine Öffnungen vorgenommen, etwa des Arbeitsmarktes oder im Lkw-Transport. Die Privatisierungen wurden von der jetzigen Regierung rückgängig gemacht, und das Schlimmste aus meiner Sicht zum Beispiel ist, dass Bauprojekte, die fertig sind, die ausgeschrieben sind, jetzt nicht vergeben werden. Wir wissen ja, Arbeitsplätze entstehen zum Beispiel nur, wenn eine Straße gebaut wird und Leute eingestellt werden, die das dann machen.

Alle anderen in der Eurozone halten die Birne hin für die Griechen

Nun hat Ministerpräsident Tsipras gestern um ein neues Hilfspaket in Höhe von rund 29 Milliarden gebeten. Er will damit griechische Verbindlichkeiten in den nächsten zwei Jahren begleichen. Der IWF wurde um Zahlungsaufschub für die ausstehende Rate gebeten. Und Griechenland will Hilfe, um den technischen Zahlungsausfall zu vermeiden. Das sind doch eigentlich neue Töne. Sehen Sie das als Anzeichen eines möglichen Kurswechsels?

Wir alle haben ja bis zum Schluss gehofft, dass die Regierung in Griechenland zu einer Vereinbarung kommt. Warum kommt das jetzt so spät? Ganz wichtig ist, man braucht eine verlässliche und kooperationsbereite Regierung in Athen. Und das Wichtigste jetzt, nachdem die griechische Regierung ein Referendum machen will, ist, dass die griechischen Bürger Ja sagen und sagen: Jawohl, wir sind bereit, diesen auch schmerzhaften Weg der Anpassung zu gehen. Andere Länder wie Portugal, Irland und Spanien haben das gemacht. Da hat es auch funktioniert. Und man muss sich jetzt einmal vor Augen halten, im Falle eines Zahlungsausfalls – also jetzt, wenn es nicht noch abgewendet werden kann – dann haftet beispielsweise ein Bürger in Portugal, der selber in einem Land lebt, das hoch verschuldet ist, mit 500 Euro für Griechenland. Das heißt, alle anderen in der Eurozone halten die Birne hin für die Griechen.

Mein Appell an die griechischen Bürgerinnen und Bürger: Wählen Sie den Weg in die Stabilität, wählen Sie den Weg zu...

Posted by Michael Theurer on Mittwoch, 1. Juli 2015

Wir sehen nicht zwangsläufig ein großes Risiko

Nach Standard & Poor’s hat gestern auch die Rating Agentur Fitch die griechische Kreditwürdigkeit auf die zweitniedrigste Stufe heruntergesetzt. Wie beunruhigend ist das für die anderen Euroländer?

Das ist natürlich hier eine Frage: Was machen die internationalen Finanzmärkte? Gibt es da auch Auswirkungen, dass etwa die Zinsen für die anderen Reform- und Krisenländer steigen? Und ich glaube, das ist das Wichtigste jetzt: Die Eurozone ist eine Zone unabhängiger Staaten mit einer gemeinsamen Währung. Und da ist es wie in einem Mehrfamilienhaus. Es funktioniert nur, wenn es eine Hausordnung gibt und wenn sich alle daran halten. Und insofern katapultiert sich Griechenland durch die eigene Entscheidung möglicherweise selbst aus dem Euro. Wir als Freie Demokraten sehen darin allerdings nicht zwangsläufig ein großes Risiko, sondern das kann auch dazu führen, dass der Euro stabilisiert wird und sich stärkt, weil alle sehen, die Regeln werden eingehalten. Und wer sich nicht an die Regeln hält, der scheidet dann eben unfreiwillig aus.

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