FDPTürkei

Weitere EU-Beitrittsverhandlungen erst im Herbst

Guido Westerwelle
09.04.2014

In der Diskussion um ein neues Verhandlungskapitel haben sich die EU-Außenminister auf einen Kompromissvorschlag von Guido Westerwelle geeinigt.

Beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg wurde die mögliche Eröffnung eines neuen Kapitels der EU-Beitrittsverhandlungen von der gewaltsamen Niederschlagung der Demonstrationen in Istanbul überschattet. Die Bundesregierung hatte Ankara in den vergangenen Wochen wiederholt zu Deeskalation und Dialog aufgerufen. Gleichzeitig gehe es auch darum, dass alle sich ihrer Verantwortung bewusst sein müssten und man einen Weg finde, die unterschiedlichen Interessen zusammen zu bringen, sagte Außenminister Guido Westerwelle.

Der Minister hatte der EU-Präsidentschaft daher am Montag einen Kompromissvorschlag übergeben, der beide Aspekte berücksichtigt. Demnach soll zwar ein weiteres Kapitel der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnet werden. Die dazu notwendige Beitrittskonferenz soll aber erst im Herbst stattfinden, wenn der kommende Fortschrittsbericht zur Türkei vorliegt. Die EU-Außenminister einigten sich am Dienstag auf dieses Vorgehen. Die EU wollte ursprünglich bereits am Mittwoch das 14. von 35 Verhandlungskapiteln mit der Türkei offiziell eröffnen. Dabei geht es um Regionalpolitik.

„Einerseits können wir nicht so tun, als würden die Beratungen in einem luftleeren Raum stattfinden“, erklärte Westerwelle. „Andererseits müssen wir auch sehen, dass unsere gemeinsamen, allseitigen, strategischen langfristigen Interessen gewahrt werden.“ Der Vorschlag liege jetzt bei der Präsidentschaft, die mit den europäischen Partnern beraten werde, „ob das eine tragfähige Lösung aus Sicht Europas werden kann“.

Europäische Union will Dialog mit Türkei

Flaggen mehrerer europäischer Länder

Bei dem Treffen in Luxemburg schlugen mehrere EU-Außenminister am Montag moderate Töne gegenüber Ankara an. Westerwelle verzichtete darauf, frühere Äußerungen aus deutschen Regierungskreisen zu wiederholen, wonach Beratungen über ein neues Verhandlungskapitel „wohl eher nicht möglich“ sind. „Es gibt natürlich Ereignisse“, sagte er. „Auf der anderen Seite gibt es aber auch langfristige Interessen. Und zwar Interessen auf Seiten aller Beteiligten.“ Dazu müssten jetzt Gespräche geführt werden.

Die Eskalation in der Türkei sei zwar „alles andere als gut gewesen“, so Westerwelle. „Auf der anderen Seite ist aber ebenso klar, dass wir den Gesprächsfaden weder abreißen lassen sollten noch, dass wir ihn ausdünnen.“

Westerwelle hatte am Samstag beim Treffen der Freunde Syriens in Doha mit seinem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu gesprochen. Diese Unterhaltung sei ein „Beitrag zur Reduzierung von Spannungen“ gewesen, so Westerwelle im „Bericht aus Berlin“. „Wir sind auf einem Weg, dass es vielleicht noch eine Chance für eine gute Lösung gibt.“  

Türkei nicht durch Ausgrenzung strafen

„Die EU braucht die Türkei nicht nur als zuverlässigen Partner im Bereich der Wirtschaft und Sicherheit“, sagte FDP-Türkei-Experte Hans-Werner Ehrenberg. Die EU müsse die Türkei auch weiterhin auf dem Weg der Freiheit und Demokratie unterstützen. „Das können wir am besten, indem wir die Türkei einbinden und nicht durch Ausgrenzung bestrafen.“

„Die Gewalt gegen die Demonstranten auf dem Taksim-Platz von Seiten der türkischen Regierung in den letzten Wochen war unverhältnismäßig hart und durch nichts zu rechtfertigen“, stellte das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses klar. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sei gut beraten, einen anderen Weg zur Lösung des Konfliktes mit den Demonstranten zu gehen. „Doch gerade vor diesem Hintergrund ist es unbedingt zu begrüßen, dass die EU die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nicht aussetzt, sondern vor der nächsten Verhandlungsrunde den kritischen Dialog mit der Regierung Erdogan führt“, erklärte Ehrenberg.

Die Türkei gehöre zu Europa – das hätten nicht zuletzt die Demonstranten auf dem Taksim-Platz bewiesen und gefordert, so der Liberale. Niemand sei gut beraten, „unserem Partner Türkei jetzt in dieser schwierigen, aber nicht ausweglosen Situation die Tür vor der Nase zuzuschlagen“.

Syrien: Nur eine politische Lösung bringt Frieden

Im Hinblick auf Syrien betonte Westerwelle, dass Deutschland im Gegensatz zu anderen Staaten keine Waffen an die Rebellen liefern werde. Er brachte seine Sorge darüber zum Ausdruck, „dass moderne Waffensysteme in falsche Hände geraten könnten“. „Die Tatsache, dass ein Terrorist, dass ein Extremist gegen Assad kämpft, macht ihn ja nicht zu unserem Freund oder Verbündeten“, erklärte der Minister.

Deutschlands humanitäre Hilfe in Syrien sei vorbildlich, so Westerwelle weiter. Die Bundesrepublik helfe etwa beim Aufbau von Infrastruktur, Schulen und Krankenhäusern „bis hin ganz einfach zu Fragen wie der Wiedereröffnung von Bäckereien in den von der Opposition kontrollierten Gebieten“.

Das wichtigste Ergebnis des Treffens sei, „dass wir alle die politische Lösung wollen, auch diejenigen, die Waffen liefern“. Deswegen sei die Genfer Konferenz von großer Bedeutung. Eine militärische Lösung werde nicht nachhaltig Frieden oder Stabilität nach Syrien bringen, unterstrich Westerwelle.

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