FDPGriechenland

Tsipras spielt mit dem Feuer

Michael TheurerMichael Theurer verdeutlicht die Notwendigkeit von Strukturreformen in Griechenland
29.06.2015

Nach langen Verhandlungen mit den Geldgebern hat sich Athen plötzlich dafür entschieden, ein Referendum über die Verlängerung des Hilfsprogramms abzuhalten. Im Interview mit dem "Deutschlandfunk" warnte FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer, dass Regierungschef Alexis Tsipras hier einen gefährlichen Weg einschlägt. Denn die Traumlösung einiger Syriza-Politiker, dass es irgendwie einen Verbleib im Euro ohne Sparmaßnahmen und Strukturreformen geben könnte, sei unrealistisch.

"Tsipras hat versäumt, seinem Volk klar zu machen, dass es nur zwei Optionen gibt: die Anpassung Griechenlands an die Wettbewerbsfähigkeit mit Hilfe der Euroländer im Euro oder eine Anpassung an die Weltwirtschaft, aber dann ohne die Hilfe der Partner", erläuterte Theurer. Aus seiner Sicht wäre die zweite Variante für die Menschen in Griechenland eindeutig der schwerere Weg.

Die FDP-Position sei nach wie vor Hilfe gegen Auflagen, so der Freidemokrat. "Das Hauptproblem in Griechenland sind nicht die Altschulden, die sind auf lange Frist gestreckt, die Zinshilfe reduziert die Belastung für den griechischen Haushalt", führte er aus. Das Problem sei vielmehr der laufende Haushalt. "Selbst, wenn man alle Schulden erlassen würde, hat der griechische Haushalt keinen oder nur einen ganz kleinen Primärüberschuss. Das heißt, man bräuchte sofort wieder Kredite", erklärte Theurer. Ohne Strukturreformen, eine Deregulierung der Wirtschaft, mehr Privatisierung und die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen werde die griechische Wirtschaft nicht auf einen Wachstumspfad kommen. "Den ineffizienten Staatsapparat zu reformieren, ist unausweichlich", fasste er zusammen.

Lesen Sie hier das gesamte Interview.

Herr Theurer, es ist ja immer wieder gesagt worden, der Ball liege im griechischen Feld. Haben die Geldgeber ja auch immer wieder gesagt. Dann ist es jetzt richtig und gut, dass Tsipras ein Referendum über die Sparpolitik ankündigt?

Das Referendum ist mit Sicherheit ja in einer Demokratie ein guter Weg. Die Regierung Tsipras spielt allerdings ein Spiel mit dem Feuer. Es ist ja bereits angeklungen, dass das sehr, sehr spät kommt. Das Referendum hätte schon längst kommen können. Insofern irritiert das jetzt die europäischen Gesprächspartner. Klar ist, das griechische Volk, auch das von den Griechen gewählte Parlament ist frei zu sagen, dass sie die Bedingungen nicht akzeptiert, aber auch die Gläubiger sind frei – und da stehen ja auch Parlamente wie der Bundestag dahinter, die zustimmen müssen – zu sagen, unter diesen Voraussetzungen geben wir eben keine zusätzlichen Kredite. Und da sieht man ja auch, wo hier das Problem liegt. Ich glaube, Herr Tsipras hat versäumt, seinem Volk klar zu machen, dass es nur zwei Optionen gibt: die Anpassung Griechenlands an die Wettbewerbsfähigkeit mit Hilfe der Euroländer im Euro oder eben eine Anpassung auch an die Weltwirtschaft, aber dann ohne die Hilfe der Partner, und das wäre für die Menschen in Griechenland der schlimmere Weg. Aber die Lösung, die einige Syriza-Politiker ja den Bürgerinnen und Bürger klar zu machen, dass das ohne Einschnitte, Sparmaßnahmen und Strukturreformen gehen könnte, die gibt es aus meiner Sicht nicht.

Ja, Sie sagen, Tsipras spiele mit dem Feuer, aber ist das Referendum jetzt nicht wirklich die einzige Möglichkeit, sozusagen einen Befreiungsschlag zu schaffen, nachdem die Griechen ja nun in den vergangenen Monaten auch immer das Gefühl hatten, das werde ihnen alles von der EU, von den Geldgebern aufgedrückt. Muss man jetzt nicht wirklich die Griechen fragen?

Das Referendum finde ich eine gute Idee, hätte ich auch damals schon eine gute Idee gefunden. Allerdings ist es jetzt ein Zeitpunkt hinter dem 30. Juni, und das ist ja die entscheidende Frage, was passiert dann? Weil die als Sicherheiten hinterlegten Anleihen, die verfallen, wenn es kein Rettungsprogramm mehr gibt. Und eine Verlängerung des Rettungsprogramms über den 30.6. erfordert zum Beispiel die Zustimmung des Deutschen Bundestags. Also hier spielen, oder was heißt spielen, hier reizen die Verhandlungspartner aus Griechenland die anderen Eurostaaten also schon, weil sie sie zwingen, dann Parlamentsbeschlüsse zu missachten. Das kann man als unfair empfinden. Vielleicht gibt es für fünf Tage doch eine Lösung, und dann stehen die Griechen vor der Frage, wollen sie diese Sparmaßnahmen tragen und dafür dann eben neue Kredite bekommen – damit kann man auch im Euro bleiben. Oder aber geht man in eine ungewisse Zukunft.

Für Hilfe gegen Reformen

Das heißt aber, wenn ich Sie richtig verstehe, ist ja auch lange schon FDP-Position, sie fänden eigentlich den Grexit jetzt einen Schrecken – nein – ein Ende mit Schrecken besser?

Die FDP-Position ist Hilfe gegen Auflagen. Das Hauptproblem in Griechenland sind nicht die Altschulden, die sind auf lange Frist gestreckt, die Zinshilfe reduziert die Belastung für den griechischen Haushalt. Das Problem ist der laufende Haushalt. Selbst, wenn man alle Schulden erlassen würde, hat der griechische Haushalt keinen oder nur einen ganz kleinen Primärüberschuss. Das heißt, man bräuchte sofort wieder Kredite. Und genau das ist ja der Aspekt, der zu kurz kommt. Ohne Strukturreformen, ohne eine Deregulierung der Wirtschaft, ohne Privatisierung, ohne eine Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen kommt die griechische Wirtschaft nicht auf einen Wachstumspfad. Das heißt, den ineffizienten Staatsapparat zu reformieren, das ist unausweichlich. Und genau darauf müsste sich jede griechische Regierung konzentrieren. Sie hat sich leider bisher auf die falsche Frage konzentriert, nämlich auf den Erlass der Altschulden.

Aber diese Sparpolitik, diese Versuche, Strukturreformen zu schaffen, die laufen ja nun schon seit Jahren. Sind diese Versuche nicht gescheitert?

Die Frage ist, warum funktioniert es nicht. Wenn Griechenland, wie uns der Vizepräsident der Kommission, Timmermans, vorrechnet, 17,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Renten ausgibt, in der Eurozone der Durchschnitt aber nur bei 13,2 Prozent liegt, dann stellt sich die Frage, warum kann man da nicht rangehen? Warum müssen Slowenen und Slowaken und Letten, die deutlich ärmer sind, praktisch bezahlen für höhere Renten in Griechenland? Oder die zweite Frage, warum hat Griechenland das zweithöchste Rüstungsbudget nach Großbritannien pro Kopf? Kann man da nicht sparen. Wir haben den Eindruck, es wird in Griechenland so getan, als ob die Gläubiger verlangen, das Sozialniveau zu kürzen, und da stellt sich dann sofort die Frage, warum kürzen die Griechen nicht an anderer Stelle, und vor allen Dingen, warum machen sie keine Reform wie Irland, Spanien oder Portugal, die dazu führen, dass Arbeitsmärkte flexibilisiert werden, dass Existenzgründungen erleichtert werden? Wo sind in Griechenland die Sonderwirtschaftszonen zum Beispiel, die dann dafür sorgen, dass sich neue Firmen ansiedeln? Das haben wir alles nicht gesehen, bei dieser Regierung nicht, leider auch bei den Vorgängerregierungen nicht.

Herr Theurer, weil Sie gerade noch mal die Renten ansprechen: Es ist ja jetzt der Status quo, dass 45 oder rund 45 Prozent der griechischen Rentner unter der Armutsgrenze leben. Was ist für die griechische Wirtschaft gewonnen, wenn bei denen jetzt noch gekürzt wird?

Die entscheidende Frage ist, gibt es in Europa eine Mehrheit dafür, dass andere Euroländer praktisch über einen Transfer, über Budgethilfen das Sozialstaatsniveau in Griechenland subventionieren...

Griechische Wirtschaft ankurbeln

Ja, aber sagen Sie noch: Wie soll die Wirtschaft in Griechenland auf die Beine kommen mit noch weiter gekürzten Renten? Das war ja meine Frage.

Man kann nur ausgeben, was eingenommen wird. Die griechische Wirtschaft hat eine starke Tourismusbranche, die muss man ausbauen. Und dann muss man zusätzliche Firmen ansiedeln. Wenn man sich anschaut, es gibt ja Interessenten etwa an dem Hafen Piräus und auch andere Projekte. Also, die entscheidende Frage ist, tut die Regierung in Griechenland genug, um Unternehmen anzusiedeln und die Wirtschaft anzukurbeln. Es ist ja genau das Gegenteil der Fall, es haben sich ja eher noch Investoren zurückgezogen. Die Leute heben Geld ab, Kapitalflucht, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen und weil die Regierung im Grunde genommen seit Wochen pokert, anstatt dass sie die Aufgaben macht, die notwendig sind.

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