15.09.2016FDPSteuern

THEURER-Gastbeitrag: US-Kritik an Apple-Entscheidung ist faktisch nicht haltbar

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied MICHAEL THEURER schrieb für die „Huffington Post“ den folgenden Gastbeitrag:

Am Dienstag, den 30. August, verkündet die liberale Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager den Befund der EU-Kommission zu Apples Steuermodell in Irland: Die selektiv von einzelnen Unternehmen gewährten Steuervorteile entsprächen einer Beihilfe, verstießen gegen die Regeln des Binnenmarktes und müssten deshalb, sofern noch nicht verjährt, zurückgezahlt werden.

Bereits zuvor kamen kritische Stimmen aus den USA, die mit der Entscheidung noch lauter wurden: Die Kommission ginge gezielt amerikanische Unternehmen an, keine europäischen. Außerdem ändere die Entscheidung rückwirkend die Rechtspraxis und schaffe Rechtsunsicherheit sowohl für vergangene als auch für zukünftige Geschäfte.

Damit seien auch zukünftige Investitionen in Europa gefährdet. Apples Wertschöpfung hingegen entstehe nicht in Irland, sondern in den USA – dementsprechend sei sie auch dort zu versteuern. Und schließlich gab Apple bekannt, man halte sich an alle Gesetze, die Zahlen der Kommission seien falsch.

Zunächst zur Diskriminierungsfrage. Die Kommission wurde auf den Fall Apple durch eine öffentliche Anhörung im US-Senat aufmerksam – dass eine solche besonders häufig amerikanische Unternehmen betrifft, leuchtet ein.

Doch dies ist nicht der einzige Fall, den die Kommission untersucht – durch die LuxLeaks wurde 2014 die Öffentlichkeit auf ein breiteres Problem mit Steuervorbescheiden aufmerksam. Denn die durch solche „Tax Rulings“ teilweise entstandenen selektiven Steuervorteile wurden in den Berichten zweier Sonderausschüsse, die das Parlament mit großer Mehrheit verabschiedete, scharf kritisiert.

Diese Steuervorteile kamen nicht nur amerikanischen Konzernen zu Gute, aufgrund von Besonderheiten des US-Steuerrechts war dies jedoch häufig der Fall. Die Kommission leitete daher Ermittlungen bezüglich McDonalds, Starbucks und Apple ein – jedoch musste auch Fiat bereits Steuern nachzahlen.

Sie arbeitet in diesen Fällen auf der Basis des schon seit 1958 bestehenden, europäischen Beihilferechts. Dass es zu Steuervorteilen, die einzelnen Unternehmen gewährt werden, bisher keine Ermittlungen gab, liegt vermutlich schlicht daran, dass diese im Einzelfall unbekannt waren – ohne Anfangsverdacht keine Ermittlungen.

Für die Zukunft entsteht hier im Fall Irland keine Rechtsunsicherheit, denn die Abschaffung des irischen Steuersparmodells ist bereits beschlossene Sache. Auch Apple hat sich 2015 an die bevorstehende Abschaffung seines Steuersparmodells angepasst und die Gewinne von Apple Sales International in Irland veranschlagt und versteuert. Dadurch explodierte auf dem Papier die irische Wirtschaftsleistung: Sie stieg innerhalb eines Jahres um ein Viertel an.

Die Frage, wo Wertschöpfung entsteht, kann jedoch durchaus als strittig angesehen werden. Im vorliegenden Fall geht es bekanntermaßen um die Gewinne von Apples Vertriebsunternehmen „Apple Sales International“.

Dabei könnte man sich durchaus auch auf den Standpunkt stellen, dass die Gewinne eines Vertriebsunternehmens am Ort des Verkaufs entstehen – also zum Beispiel in Deutschland. Das amerikanische Finanzministerium weist zwar darauf hin, dass die Gewinne am Ende in den USA versteuert werden, nämlich dann, wenn sie an die Mutterfirma Apple Inc. zurückgeführt werden.

Im Ausland zuvor bezahlte Steuern entgehen dabei dem US-Fiskus. Dabei wird geflissentlich ignoriert, dass Apple offensichtlich gar nicht vorhat, die Gewinne in die USA zurückzuführen.

Wie viele andere US-Konzerne parkt Apple das Geld lieber Offshore und verwendet es von dort, um Märkte zu erschließen und Marktmacht aufzubauen, um Konkurrenten oder Start-Ups zu kaufen, kurz: Unversteuerter Cashflow für eine weltweite Marktgewinnungsstrategie.

Bis die Fiktion, dass diese Gewinne in den USA repatriiert und dann versteuert werden, Wirklichkeit wird, ist also vermutlich der Weltmarkt längst aufgerollt.

Ob die Zahlen der Kommission falsch sind, lässt sich von außen natürlich schwer überprüfen. Die Kommission bezieht sie unter anderem aus der oben erwähnten Anhörung im US-Senat, die 2013 gerade diese Praxis, dass Gewinne nicht in die USA zurückgeführt werden, zum Gegenstand hatte.

Falls die Zahlen falsch sind, hätte Apple im Laufe des Verfahrens, ebenso wie in den Sonderausschüssen, viele Gelegenheiten gehabt, sie zu korrigieren. Allerdings verweigerte man jegliche Kooperation.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Faktenlage die amerikanische Kritik nicht rechtfertigt. Allerdings sind wir gut beraten, sie nicht zu ignorieren. Denn internationale Kooperation basiert häufig auch auf Emotionen – und diese sind nicht immer an Fakten gebunden.

Rational ist wohl jedem klar, dass der ebenfalls eher zufällig an das Tageslicht gelangte VW-Skandal ein sehr großes Unternehmen betraf und daher die Rekord-Strafzahlungen zumindest plausibel sind. Gefühlt wurde VW hier jedoch gegenüber amerikanischen Konkurrenten von den US-Behörden benachteiligt.

Die USA sind ein wichtiger Partner, sowohl für Deutschland als auch für die Europäische Union. Dass der Weg in die Zukunft hier nur durch gemeinsame Lösungen beschritten werden kann – egal ob es um Fragen der weltweiten Steuersysteme, die äußere Sicherheit der NATO oder den ungehemmten Handel geht.

Einwürfe, die sich aus reinem Opportunismus diesen Lösungen entgegen stellen – man denke nur an die TTIP-Kehrtwende des deutschen Wirtschaftsministers – stellen letztlich eine viel größere Bedrohung für die gelingende Kooperation dar, als die konsequente Anwendung des Beihilferechts durch die EU-Kommission.

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