30.08.2016FDPWirtschaft

THEURER-Gastbeitrag: Trommeln für TTIP

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied MICHAEL THEURER schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Die nächsten Wochen entscheiden, ob Europa den Weg des Freihandels geht oder sich protektionistisch abschottet. Die Verhandlungen über TTIP gehen in die Abschlussrunde. Doch die eigentliche Nagelprobe heißt Ceta. Die Hürden sind immens. Ein wahrer Abstimmungsmarathon steht an im Europäischen Parlament, im EU-Ministerrat und in allen nationalen Parlamenten.

Verblüffend ist: Von der deutschen Wirtschaft hört man erstaunlich wenig. Online herrschen die Gegenstimmen vor. Freihandel Fehlanzeige. Dabei müsste jetzt für TTIP getrommelt werden, was das Zeug hält. Fernsehstatements von BDI-Präsident Ulrich Grillo sind hilfreich, reichen aber nicht aus. Wo ist die umfassende Informations- und Aufklärungskampagne der deutschen Wirtschaft? Will der BDI nicht zum Nachlassverwalter der bislang noch blühenden Exportindustrie werden, muss er jetzt handeln. Am besten mit den Gewerkschaften. Wo bleibt deren entschiedenes Ja, um Arbeitsplätze ihrer Mitglieder zu sichern?

Zu lange wurde die argumentative Hoheit kampflos den Protektionisten überlassen. Diese Zurückhaltung rächt sich. Ceta ist das modernste Abkommen seiner Art. Umwelt- und Verbraucherschutzstandards werden garantiert, die im Fokus der Diskussion stehenden Schiedsgerichte modernisiert. Die öffentliche Daseinsvorsorge wird gesichert, der Import hormonbehandelten Rindfleisches kategorisch ausgeschlossen. Vielen der vorgetragenen Kritikpunkte wurde offensichtlich Rechnung getragen. Es gibt Gründe genug, Ceta guten Gewissens zustimmen zu können. Jeder Arbeitsplatz ist einer von ihnen.

Scheitert dagegen Ceta, bedeutet dies, dass die EU-Strategie der bilateralen Freihandelsabkommen einen herben Rückschlag erleidet. Ob es mit wichtigen Handelspartnern in naher Zukunft überhaupt noch Übereinkünfte wird geben können, ist mehr als fraglich. In einer Zeit, in der es ein weltweites Wettrennen um Handelsabkommen gibt, wäre das ein Desaster für die europäische und insbesondere die deutsche exportstarke Wirtschaft.

Ein Blick in die Geschichte lehrt: Immer wenn versucht wurde, Zoll- und Handelsschranken einzureißen, gibt es Widerstände – etwa bei der Schaffung des Europäischen Binnenmarkts oder beim Abkommen mit Südkorea. Die anfängliche Skepsis hat sich in der Realität als absolut unbegründet erwiesen. Die EU konnte einen Handelsüberschuss von fast 6 Milliarden Euro erzielen. Der Binnenmarkt ist eine Erfolgsstory, und das Handelsabkommen mit Südkorea hat dazu geführt, dass der Gesamtwert deutscher Exporte zwischen 2010 und 2015 um 70 Prozent auf etwa 17,9 Milliarden Euro gestiegen ist.

Ja, Freihandelsabkommen sind keine Existenzgarantie. Allerdings sind Abschottung und Stagnation im Status quo keine vernünftige Alternative, denn sie produzieren langfristig nur Verlierer.

Die positiven Erfahrungen mit dem Binnenmarkt ermutigen zum raschen Abschluss von Ceta. Für diesen Schritt zu kämpfen lohnt sich. Die Weichenstellung für die Soziale Marktwirtschaft nach dem Krieg wurde ja auch mit knappsten politischen Mehrheiten vorgenommen. Ceta, TTIP, Freihandel überhaupt werden politisch nur dann wieder Konjunktur bekommen, wenn der Azubi erklären kann, warum diese Abkommen seinen Arbeitsplatz sichern. Ohne ein klares Bekenntnis der deutschen Wirtschaft wird das freilich nicht gelingen.

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