THEURER-Gastbeitrag: Nicht noch mehr Milliarden für Elektroautos
Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer schrieb für „Zeit Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Die Kaufprämien für Elektroautos, die schon 2016 eingeführt wurden, konnte man bis vor Kurzem als großen Flop bezeichnen. Die Bundesregierung hat ihre Absatzziele meilenweit verfehlt. Um den Verkauf der E-Autos doch noch anzukurbeln, erhöhte die Bundesregierung in Kooperation mit den Herstellern die Kaufprämien. Seit Juni gibt es für reine Batterieautos bis zu 9 000 Euro Rabatt. In der Regel entspricht das etwa einem Drittel des Kaufpreises. Seither schlagen die Prämien an. Die Bundesregierung plant nun offenbar, sie bis 2025 zu verlängern. Ist das eine gute Nachricht fürs Klima? Die Antwort auf diese Frage ist wesentlich komplexer, als es zunächst scheinen mag. Ein großer Teil der Nachfrage kommt über die Plug-In-Hybride, die wegen umfassender Steuerprivilegien gerne als privat genutzte Geschäftswagen gekauft werden. Ob die Batterien jemals an der Steckdose statt über dem Verbrennungsmotor geladen werden, ist zumindest fraglich.
Glaubt man den Berechnungsmethoden der EU, sind reine Elektroautos CO2-neutral. Der Ausstoß wurde in der EU-Gesetzgebung per Definition mit Null Gramm pro Kilometer festgelegt. Und tatsächlich kommt ja auch bei reinen Batterieautos kein CO2 aus dem Auspuff. Das CO2 entsteht stattdessen bei der Herstellung des Stroms – und natürlich bei der Herstellung des Autos. Der Strom in Deutschland kam letztes Jahr zur Hälfte aus Kohle und Erdgas. Das ist natürlich nicht annähernd CO2-neutral. Und die meisten Batterien für reine Batterieautos werden in China produziert. Der Strom dafür kommt ganz überwiegend aus Kohlekraft.
Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) weist daher darauf hin, dass Stand 2020 ein solches Elektroauto bei der Produktion etwa doppelt so viel CO2 ausstößt wie ein Auto mit Verbrennungsmotor und diesen Nachteil über den ganzen Lebenszyklus nicht mehr wettmacht. Studien des Öko-Instituts und der Agora Verkehrswende kommen zu etwas günstigeren Ergebnissen für Batterieautos. Über die Frage, welche Fahrzeugart den größeren CO2-Fußabdruck hat, ist ein regelrechter Glaubenskrieg entstanden. Dieser geht jedoch am eigentlichen Punkt vorbei – dass Elektroautos eben nicht CO2-neutral sind. Es ist also absurd, dass die Antriebsarten in der Regulierung komplett unterschiedlich bewertet werden. Vorschläge für die geplante Euro 7-Norm könnten de facto gar das Verbot des Verbrennungsmotors bedeuten.
Die Hoffnung der E-Auto-Jünger liegt in der Zukunft, in besseren Batterien, mehr erneuerbaren Energien in Deutschland und weiteren Effizienzsteigerungen des Elektroantriebs – wohingegen der Verbrennungsmotor bereits über Jahrzehnte perfektioniert wurde und hier keine großen Fortschritte mehr zu erwarten seien.
Diese Argumentation hakt an mehreren Stellen. Klar ist, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland und Europa weiter voranschreiten muss und wird. Allerdings besteht die deutsche Stromversorgung bislang wie beschrieben noch zur Hälfte aus fossilen Energieträgern und zu weiteren etwa zehn Prozent aus Kernkraft. Es wird bereits eine gigantische Aufgabe, trotz gleichzeitigem Atomausstieg und Kohleausstieg die Versorgungssicherheit für Haushalte und Unternehmen – deren Stromverbrauch mit zunehmender Elektrifizierung eher steigen wird – aufrechtzuerhalten. Dazu werden wir auch zukünftig zeitweise Strom importieren müssen.
Das Problem: Auch regenerativ erzeugter Strom stößt bei großen Distanzen auf physikalischen Widerstand, der Energie frisst, von den politischen Schwierigkeiten beim Bau der großen Nord-Süd-Stromtrassen mal ganz abgesehen. Momentan scheitern wir daran, den Strom von windreichen Gegenden in Norddeutschland in Gegenden mit starker industrieller Produktion in Süddeutschland zu bringen. Kohlekraft aus Polen oder Atomkraft aus Frankreich sind für Klima- und Umweltschutz aber auch nicht die Lösung.
Zu diesem Szenario gibt es eine klimapolitische Alternative: Was, wenn Verbrennungsmotoren CO2-neutral betrieben werden könnten? Das wäre grundsätzlich möglich, und zwar mit klimaneutralen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels.
Bekanntermaßen sind Benzin, Diesel und Kerosin Kohlenwasserstoffe, bestehen also nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Durch chemische Verfahren kann beispielsweise aus Wasser der Wasserstoff abgespalten und zusammen mit CO2 zu Kraftstoff für Verbrennungsmotoren umgewandelt werden. Dieser synthetische Kraftstoff stößt aus dem Auspuff nur genau so viel CO2 aus, wie bei seiner Herstellung verwendet wurde. Statt die weltweit eine Milliarde im Einsatz befindlicher Autos mit Verbrennungsmotor auszutauschen – und bei der Herstellung der Alternativen sehr viel CO2 auszustoßen –, könnte man ihren Betrieb CO2-neutral machen.
Die Kritik an solchen Verfahren ist, dass man hierfür riesige Mengen Strom aus regenerativen Energiequellen braucht. Und, wie bereits beschrieben, ist Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland alles andere als im Überfluss vorhanden. Dazu kommt die Argumentation, man brauche den mit erneuerbaren Energien hergestellten, sogenannten grünen Wasserstoff für die Dekarbonisierung der Industrie.
Nur muss der Strom für die E-Fuels eben nicht in Deutschland hergestellt werden. Diese lassen sich wie heute Rohöl, Benzin oder Diesel genauso mit Tankschiffen und Pipelines transportieren. Die vorhandene Infrastruktur kann sogar dafür genutzt werden. Solarstrom in Portugal, Nordafrika, Südamerika oder dem arabischen Raum, Offshore-Windkraft in Norwegen und Schottland oder Geothermie aus Island: Die Potenziale für die klimaneutrale Produktion von Wasserstoff, synthetischem Gas und E-Fuels sind enorm. Grüner Wasserstoff wird auch durch die höhere Nachfrage voraussichtlich nicht teurer, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach billiger, weil er erst dann im industriellen Maßstab produziert wird. Der Durchbruch des Wasserstoffs als Energieträger wird nicht gegen, sondern gerade mit den E-Fuels geschehen.
Nehmen wir die anfangs ausgeklammerten Faktoren Wirtschaftsordnung, Arbeitsmarktpolitik und fiskalische Nachhaltigkeit mit in den Blick, so zeigt sich erst recht: Eine einseitige politische Festlegung auf Batterieautos ist ein Irrweg. Der Steuerzahler soll viele Milliarden Euro zuschießen, um die Technologieführerschaft beim Verbrenner durch staatliche Markteingriffe für einen dritten Platz nach den USA und China bei Elektroautos zu tauschen. Selbst wenn das funktionieren sollte und die Marktanteile konstant blieben, ist fast die Hälfte der deutschen Automobilarbeitsplätze durch Umstellung auf Batteriefahrzeuge bedroht, mindestens 100.000 werden bis 2030 laut Studien von Fraunhofer oder dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung netto wegfallen. Für die Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen ist die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie allerdings elementar.
Nötig wäre ein bisschen mehr Technologieoffenheit. Die Bereitschaft von Bundesregierung und EU-Kommission, eine Klimapolitik zu machen, die sich an realen Ergebnissen und nicht an ausgedachten Fantasiezahlen orientiert. Statt Flottengrenzwerten, die den CO2-Ausstoß bei der Herstellung von Batterieautos und Strom komplett ignorieren, brauchen wir eine exakte Anrechnung nach den realen Zahlen. Und statt klimapolitischem Lotto mit einem Wirrwarr aus Subventionen, dirigistischen Vorgaben und Steuern eine einzige klare Vorgabe dafür, wie viel CO2 ganz Europa in einem Jahr maximal ausstoßen will, gepaart mit einem Wettbewerb der Unternehmen darum, wer ausstoßen darf. Dafür hat sich der Emissionshandel bewährt. Schon heute erreichen wir die CO2-Reduktionsziele nur dort, wo es eine solche Vorgabe schon gibt. Für alles andere ist das Klima zu wichtig.