23.03.2018FDPFDP

THEURER-Gastbeitrag: Genug an der Uhr gedreht!

Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer schrieb für die „Neue Züricher Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Dieses Wochenende ist es wieder so weit: In ganz Europa wird an den Uhren gedreht, die Sommerzeit steht an. Pünktlich werden auch wieder die Klagen über Symptome ähnlich dem Jetlag kommen. Mit der Umstellung kommt die innere Uhr aus dem Takt, was gerade bei älteren Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen gravierende Probleme verursachen kann. Da fragt man sich schnell: Warum eigentlich?

Eingeführt wurde die Zeitumstellung in Europa erstmals zu Zeiten des ersten Weltkriegs. Damals ging es darum, für den Krieg durch eine bessere Ausnutzung des Tageslichts Kohle zu sparen. Erneut eingeführt wurde sie in den späten 1970ern unter dem Eindruck der Ölkrise – ebenfalls um Energie zu sparen. Eine Ausnahme bildete damals zunächst die Schweiz: Im Referendum von 1978 sprachen sich die Wähler mehrheitlich gegen die Zeitumstellung aus. Dies ist insofern beachtlich, als dadurch im Sommer 1980 die Uhren in der Schweiz tatsächlich anders gingen als in Frankreich oder Deutschland. Erst 1981 wurde die Zeitumstellung rechtskräftig durchgesetzt – der Status als „Zeitinsel“ hatte dem Handel geschadet.

Doch die Energieeinsparungen konnten nie nachgewiesen werden. Das ist ja auch naheliegend: Heutzutage kommt ein Großteil des Energieverbrauchs nicht vom Licht, sondern durch eine Vielzahl an technischen Geräten. Den Fernseher interessiert es aber gleichermaßen wenig wie den Laptop oder das Auto, ob es draußen hell ist. Wenn man die zusätzliche helle Zeit abends im Sommer zu Hause verbringt, kann die Zeitumstellung dank Klimaanlagen sogar Energie kosten. Die unterschiedlichsten Studien kommen also jeweils zum Ergebnis, dass die Zeitumstellung vielleicht Energie spart, vielleicht mehr Energie kostet – in jedem Fall aber die Größenordnung minimal ist.

Im Vergleich sind die Kosten gravierend: Zunächst ist da der schon genannte Schlafentzug, der zu einem Anstieg an Autounfällen, Herzinfarkten und Suiziden in den Tagen nach der Zeitumstellung im Frühjahr führt. Dazu kommt der Produktivitätsverlust bei modernen Wissensarbeitern. Die Macher einer App zur Produktivitätsmessung schätzten aufgrund ihrer Datenbank, dass die Kosten durch den etwas schläfrigen Montag nach der Zeitumstellung in den USA in die hunderte Millionen Dollar gehen.

Auch unsere Haustiere müssen sich in der Regel an unseren neuen Rhythmus anpassen – und kommen aus dem Takt. Und abschließend sind da die Umstellungskosten: Man sollte meinen, dass das in der digitalisierten Welt kein Problem mehr darstellt. Doch es bleibt eine Herausforderung – sowohl für die IT, als auch für internationale Meetings. Denn wer schon einmal eine Telefonkonferenz zwischen Stuttgart, New York und Wellington organisiert hat, weiß, dass die Zeitumstellung hier alles noch komplizierter macht – denn sie findet zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedliche Richtungen statt.

Am Ende läuft alles auf einen Punkt zu: Die Zeitumstellung macht etwas, das einfach sein sollte – den Überblick über die Uhrzeit zu behalten – unnötig kompliziert. Sie ist damit ein klassisches Beispiel für eine Verrechtlichung des Lebens, einen nutzlosen staatlichen Eingriff, der schnell eingeführt, aber trotz unzähliger Petitionen und Bürgerbegehren kaum mehr abgeschafft werden kann. Weg damit!

Es schließt sich natürlich die Frage an: Was dann? In Umfragen spricht sich eine Mehrheit für die Beibehaltung der Sommerzeit als neue Normalzeit aus. Damit wären etwa die Schweiz und Deutschland dauerhaft eine Stunde vor ihrer geografischen Uhrzeit – wie jetzt bereits z.B. Spanien das ohne Probleme ist. Russland hingegen wurde mit der dauerhaften Sommerzeit nicht glücklich und schafft sie wieder ab. Man wird das diskutieren müssen. Zentral ist folgendes: Wir brauchen europaweit eine Neuregelung.

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