FDPDoppelinterview

Suding und Steiner: Wer taugt denn schon als Vorbild?

Katja Suding und Lencke SteinerKatja Suding und Lencke Steiner im Doppelinterview
08.07.2015

Im Interview mit dem Handelsblatt reden Lencke Steiner und Katja Suding, die eine FDP-Fraktionschefin in Bremen und die andere FDP-Chefin in Hamburg, Klartext über Familienbilder, politische Macht und die Griechenland-Krise. "Das Problem ist doch, dass man Tsipras zu lange entgegengekommen ist. Diesen Schuh muss sich auch die Kanzlerin anziehen. Wer auf Spielchen einsteigt, darf sich hinterher nicht wundern, wenn Athens Regierung blufft", sagt Suding über das Schuldendrama. Dass auch die FDP nicht fehlerfrei ist, das räumen die beiden ein. Sie sehen ihre Partei jetzt aber auf einem guten Weg.

"Die FDP hat in der Vergangenheit Fehler gemacht, keine Frage. Aber die Wahrnehmung nach der verlorenen Bundestagswahl war deutlich schlechter als die Substanz. Nach unserer Neuaufstellung hatten es die Leute irgendwann satt, Spott und Häme über der Partei auszuschütten", meint Katja Suding. Sie glaubt, dass die Wende für die FDP nach gut einem Jahr Große Koalition kam. Am Ende des letzten Jahres hätten sie gespürt, dass sich die Stimmung dreht: "Die Menschen merken, dass Union und SPD mehr verwalten als gestalten; dass sie Wahlgeschenke verteilen, die Wirtschaft überregulieren und die Bürgerrechte einschränken. Dieses Klima haben wir für uns genutzt."

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Till Hoppe und Oliver Stock: Alle reden über Griechenland. Fangen wir auch so an: Wer trägt die Schuld am Desaster?

Suding: Auf den letzten Metern hat sich Premier Alexis Tsipras verzockt. Er hat darauf gebaut, dass die Euro-Gruppe alles tun würde, um einen Grexit zu verhindern. Es ist gut, dass sie jetzt Härte zeigt. Aber natürlich muss sich die Bundesregierung fragen, ob in den letzten Monaten klug verhandelt worden ist. Mein Eindruck: Die Einzige, die wirklich auf Regeln gepocht hat, war IWF-Chefin Christine Lagarde.

Nicht die Kanzlerin?

Suding: Das Problem ist doch, dass man Tsipras zu lange entgegengekommen ist. Diesen Schuh muss sich auch die Kanzlerin anziehen. Wer auf Spielchen einsteigt, darf sich hinterher nicht wundern, wenn Athens Regierung blufft.

Steiner: Wenn die europäische Idee nicht irreparabel beschädigt werden soll, ist ein Grexit besser als weitere teure Kompromissangebote. Am Ende sind es doch die jungen Menschen in Europa, die für diese falsche Politik aufkommen müssen.

Die FDP hat die Politik lange mitgetragen – ein Fehler?

Suding: Europa war 2010 überhaupt nicht auf eine Staatspleite Griechenlands vorbereitet. Brandmauern gab es nicht. Deshalb stehen wir zu unseren Entscheidungen. Sie haben verhindert, dass die Krise auf weitere Euro-Länder übergreift und Europa daran zerbricht. Es war kein Fehler, diesen Kurs einzuschlagen, sondern dass die Große Koalition ihn wieder verlassen hat.

Suding und Steiner über Macht

Echte Politiker-Antwort: Bei uns läuft es richtig, ohne uns falsch. Wir dachten, Sie sind anders drauf. Ist es schon so weit, dass Sie sich als Berufspolitikerinnen sehen?

Suding: Ich mache sehr gerne Politik, kann mir aber auch vorstellen, irgendwann wieder in meinen alten Beruf als Kommunikationsberaterin zurückzukehren.

Steiner: Mir ist es wichtig, meine persönliche Unabhängigkeit zu wahren, und deshalb bleibe ich auch weiter in unserem Familienunternehmen tätig.

Reizt Sie die Macht oder das Netzwerk, das die Politik mit sich bringt?

Steiner: Ich bin kein machtgesteuerter Mensch und habe bereits mein Netzwerk. Ich brauche auch keine Ämter. Ich will etwas verändern.

Und die Popularität? Reizt es Sie, auf jedem Wahlplakat zu stehen?

Suding: Als ich 2006 angefangen habe, mich zu engagieren, war es nicht mein Ziel, in der ersten Reihe zu stehen. Ich bin dann von Parteifreunden vorgeschlagen worden. Ich mache das aber nicht wegen der Aufmerksamkeit, sondern eher, obwohl es so viel Öffentlichkeit mit sich bringt.

Eine Chance für die FDP

Noch vor einigen Monaten interessierte sich kaum jemand für die FDP, die Partei war unten durch. Jetzt gewinnen Sie sogar Wahlen. Alles richtig gemacht?

Suding: Die FDP hat in der Vergangenheit Fehler gemacht, keine Frage. Aber die Wahrnehmung nach der verlorenen Bundestagswahl war deutlich schlechter als die Substanz. Nach unserer Neuaufstellung hatten es die Leute irgendwann satt, Spott und Häme über der Partei auszuschütten.

Wann begann die Wende?

Suding: Nach gut einem Jahr Große Koalition, also am Ende des letzten Jahres, haben wir gespürt, dass sich die Stimmung dreht. Die Menschen merken, dass Union und SPD mehr verwalten als gestalten; dass sie Wahlgeschenke verteilen, die Wirtschaft überregulieren und die Bürgerrechte einschränken. Dieses Klima haben wir für uns genutzt.

Die FDP ist gerade in Mode, aber Moden sind häufig kurzlebig.

Steiner: Aber Politik oder Parteien sind doch keine Mode, sondern eine Lebenseinstellung. Das ist keine Saisonware, die abhängig von Modezyklen ist.

Unsere Gesellschaft wird immer kurzatmiger. Wem steht da der Sinn nach einer lebenslangen Partei?

Suding: Wir wissen ja, dass die langfristige Bindung an Parteien abnimmt, ebenso wie an Kirchen oder Verbände. Dafür entstehen immer mehr Bürgerbewegungen, in denen sich die Menschen für ein punktuelles gemeinsames Interesse zusammenschließen. Daraus ergibt sich eine höhere Volatilität, die Zustimmung zu den Parteien hängt stärker von kurzfristigen Entwicklungen oder handelnden Personen ab. Das birgt Chancen.

Familienbild: Vielfalt hat stark zugenommen

Grüne und SPD fordern gerade die Homoehe, die Union sträubt sich. Hängt sie an einem überholten Familienbild?

Suding: Das traditionelle Familienmodell existiert natürlich weiter, aber daneben gibt es eben viele andere Formen des Zusammenlebens. Es gibt Paare mit und ohne Kinder, die nicht heiraten wollen, es gibt die Regenbogenfamilie, die Patchworkfamilie, viele Alleinerziehende. Die Vielfalt hat stark zugenommen. Darauf muss die Familienpolitik reagieren.

Hat die Politik heute noch die Kraft, den Deutschen so wie vor 30 Jahren Familien- oder Lebensmodelle vorzugeben?

Steiner: Die Politiker spiegeln doch letztlich auch die Gesellschaft wider, und diese ist eben nicht mehr so traditionell. Das müsste der Union langsam auch mal auffallen.

Suding: Welcher Politiker taugt denn noch als Vorbild für ein klassisches Familienbild? Frau Merkel ja schon mal nicht. Im Übrigen fragen Sie die Falschen: Wir sind doch die Partei, die möchte, dass jeder Mensch so glücklich werden kann, wie er oder sie will. Die AfD mag versuchen, ein Familienbild vorzugeben. Aber doch nicht wir.

Sie sind jung, auch Parteichef Christian Lindner ist erst 36. Braucht die FDP noch gestandene ältere Herren?

Suding: Zum Glück haben wir Wolfgang Kubicki! Und wir haben eine gute Durchmischung. Das war früher anders.

Frau Suding, Sie sind länger dabei. Geben Sie Frau Steiner Tipps?

Suding: Ich halte mich mit Ratschlägen zurück. Wir sprechen natürlich viel, und beide Stadtstaaten haben auch ähnlich gelagerte Herausforderungen, denken Sie etwa an die Häfen. Aber Lencke braucht keine Tipps von mir.

Steiner: Und wenn doch, rufe ich Katja einfach an.

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