SUDING-Interview: Wir wollen regieren, aber nicht um jeden Preis
Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Katja Suding gab dem „Deutschlandfunk“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Stefan Heinlein:
Frage: Geht Ihnen das nicht ein bisschen schnell? Wäre es nicht besser gewesen für Ihre Partei, für die FDP, erst einmal in der Opposition die Luft im Bundestag zu schnuppern?
Suding: Noch sind wir ja in keiner Regierungskoalition. Wir sind froh, dass wir zurück sind im Deutschen Bundestag mit einer starken Fraktion, dass uns die Wählerinnen und Wähler da noch mal eine zweite Chance gegeben haben. Jetzt wird es vermutlich zu Gesprächen kommen. Den Auftrag zur Regierungsbildung hat die CDU. Sie wird vermutlich auch zu Gesprächen einladen. Noch hat da nichts stattgefunden. Wir haben klar vor der Wahl gesagt, was wir wollen. Wir wollen Trendwenden einleiten in der deutschen Politik. Und wenn das in möglichen Gesprächen sich abzeichnet, dass das geht, dann sind wir gerne bereit, auch in eine Regierungskoalition einzutreten. Wenn nicht, dann ist unser Platz in der Opposition.
Frage: Ist denn die FDP, sind Sie inhaltlich und auch personell bereits wieder in der Lage, Regierungsverantwortung zu übernehmen, oder ist das eine Herausforderung, vor der Ihnen auch ein bisschen bange ist?
Suding: Wir wollen gestalten. Wir trauen uns das auch zu. Wir haben die vier Jahre in der außerparlamentarischen Opposition dafür genutzt, uns zu vergewissern, wo wir stehen, was wir wollen. Wir haben das sehr, sehr klar auch formuliert, zehn Trendwenden, die wir erreichen wollen, und wir sind inhaltlich und personell durchaus in der Lage. Aber wie gesagt: Wir wollen regieren, aber nicht um jeden Preis.
Frage: Reden wir kurz über die Personalien. Es gibt ja eine lange Tradition liberaler Außenminister: Genscher, Kinkel, Westerwelle. Wird Christian Lindner diese Rolle übernehmen?
Suding: Das ist viel zu früh. Ich glaube, solche Personalfragen stehen am Ende von Koalitionsverhandlungen, aber sicherlich nicht am Anfang. Deswegen brauchen wir da heute auch gar nicht drüber zu sprechen.
Frage: Aber Vizekanzler will er schon werden?
Suding: Auch das werden wir sehen. Es macht jetzt keinen Sinn, zu Beginn, wenn wir noch nicht mal sondiert haben, schon darüber zu sprechen, was am Ende dann als Personaltableau herauskommen kann und sollte.
Frage: Haben Sie Sorge, Frau Suding, dass wieder das alte Klischee bedient wird von der FDP als Mehrheitsbeschafferin der Volkspartei? Ganz vergessen ist diese Rolle bei den Wählern ja nicht und war ein Grund, dass Sie vor vier Jahren damals aus dem Parlament geflogen sind.
Suding: Deshalb haben wir uns ja vor der Wahl ganz klar positioniert und auch noch mal formuliert, in welchen Bereichen wir tatsächlich Trendwenden erreichen möchten und wollen. Und es bleibt ganz klar für uns: Nur wenn wir wirklich eine liberale Handschrift in einer Koalition, ganz gleich welcher Farbe, hinterlassen können, dann machen wir das. Wenn nicht, dann lassen wir das.
Frage: Jetzt haben Sie schon mehrfach Trendwende erwähnt. Das sind zehn Punkte, kurz und knapp formuliert von Christian Lindner. Wie viele dieser Punkte wollen Sie denn durchsetzen und auf welche Punkte können Sie verzichten?
Suding: Wir werden bei allen Punkten natürlich verhandeln. Ganz oben für uns auf der Agenda steht das Thema Bildung. Das ist die große soziale Frage in unserem Land. Da steht unser Bildungswesen vor großen Herausforderungen. Deswegen ist unsere klare Haltung, dass sich der Bund stärker an der Bildungsfinanzierung beteiligen muss, was er bisher ja nicht darf wegen des Kooperationsverbotes. Das müsste gekippt werden. Gleichzeitig steht bei uns oben auf der Agenda, dass wir endlich die Chancen der Digitalisierung nutzen können. Wir wollen ein eigenes Digitalisierungsministerium, das als erste Aufgabe hat, flächendeckend in Deutschland für ein leistungsfähiges Glasfasernetz zu sorgen. Auch da haben wir Vorschläge gemacht, wie das zu finanzieren ist, nämlich dadurch, dass wir uns von den Anteilen Deutschlands an der Post und an der Telekom trennen. Dann kann man einen Fonds bilden und daraus diesen Infrastrukturausbau finanzieren. Für uns ist auch ganz wichtig, dass wir ein modernes Einwanderungsgesetz bekommen, ein Einwanderungsgesetz, das trennt zwischen dem Recht auf Asyl, ein individuelles Recht der Menschen, die vor Bürgerkriegen zu uns fliehen, und denjenigen, die wir zu uns einladen, um hier auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Frage: Frau Suding, Digitalisierung und Bildung, das sind die ersten beiden Punkte, die Sie genannt haben. Das scheint Ihnen sehr wichtig zu sein. Da gibt es eine große Nähe zu den Grünen. Kann es sein, dass die CSU für Sie in den Jamaika-Koalitionsgesprächen der schwierigere Partner sein wird?
Suding: Wenn ich mir so die Programmatik angucke und die Äußerungen, die aus der CSU kommen, dann, glaube ich, liegt es auf der Hand, dass die CSU da ein schwieriger Partner sein wird. Aber das ist erst mal auch nicht unser Problem. Die CSU muss sich erst mal mit ihrer Schwesterpartei, der CDU einigen, so dass man einmal weiß, welche Haltung wird denn aus der Union vertreten. Die müssten ja schon in der Lage sein, dann auch mit einer Stimme zu sprechen. Das ist etwas, was die Schwesterparteien erst mal unter sich klären müssten.
Frage: Bleiben wir kurz bei der CSU. Das ist interessant. Da tobt ja derzeit ein Machtkampf. Das haben wir in dieser Sendung gehört. Horst Seehofer musste gestern in München kämpfen mit seiner Landtagsfraktion. Ist das eine Belastung für die anstehenden Gespräche, dass Horst Seehofer geschwächt ist, oder erleichtert das eher die Gespräche?
Suding: Wahrscheinlich macht es das nicht leichter. CSU-Chef Horst Seehofer ist angeschlagen durch ein historisch schlechtes Ergebnis in Bayern. Das hat seine Position nicht gestärkt und das macht ihn sicherlich auch unberechenbarer. Es ist bestimmt nicht einfach, aber wie gesagt, das ist erst mal nicht unser Problem. Das müssen die Unions-Parteien erst mal unter sich klären.
Frage: Aber Sie können gemeinsame Sache mit den Grünen machen, etwa für ein Einwanderungsgesetz – das wollen ja sowohl die Grünen als auch Ihre Partei, die FDP – und gegen eine Obergrenze für Flüchtlinge, wie es die CSU will?
Suding: Wir begrüßen es sehr, dass die Grünen da mit uns auf einer Linie sind, was das Einwanderungsgesetz angeht. Das brauchen wir ganz, ganz dringend. Wir müssen das Chaos beenden, was hier in der Einwanderung herrscht. Der Asyl-Paragraph kann auch nicht ein allgemeiner Einwanderungsparagraph sein. Das funktioniert nicht, damit ist er komplett überfordert. Deswegen ist es gut, dass wir da einer Meinung sind. Und was die Obergrenze angeht, würde ich mich einfach mal freuen, wenn die CSU auch ein Konzept vorlegt, was sie denn eigentlich meint mit der Obergrenze, für was die eigentlich gelten soll. Dann weiß man ja wenigstens, worüber man redet, und kann dann auch in Verhandlungen einsteigen. Klar ist aber, dass es keine Obergrenze für Asylanten geben kann. Das Asyl ist ein Grundrecht und da kann und darf es keine Obergrenze geben.
Frage: Lassen Sie uns zum Schluss dieses Gespräches, Frau Suding, noch ein bisschen reden über das Atmosphärische in diesen Koalitionsverhandlungen, die anstehen. Christian Lindner und Jürgen Trittin, Claudia Roth und Sie, Frau Suding, das stelle ich mir ganz spannend vor. Wie wichtig ist das Atmosphärische in solchen Koalitionsgesprächen?
Suding: Das Atmosphärische ist wichtig neben den inhaltlichen Schnittmengen, die man versucht zu finden. Es geht natürlich auch darum, dass man eine Koalition zimmert, wo auch ein gegenseitiges Vertrauen da ist. Das wird man brauchen in vier Jahren Regierungszusammenarbeit. Deswegen ist das schon eine wichtige Frage und das werden wir sehen. Wie gesagt, die Gespräche haben noch nicht einmal begonnen. Von daher kann man sich da jetzt noch kein Urteil erlauben, wie es denn sein wird.
Frage: Sie haben noch gar nicht vorgefühlt, schon ein wenig geschnuppert bei den Grünen?
Suding: Man kennt sich ja auch aus der Vergangenheit, ist sich ja schon häufiger über den Weg gelaufen. Aber es ist noch mal ein Unterschied, ob man dann tatsächlich am Tisch sitzt und über eine mögliche Regierungskoalition redet, oder ob das bisher Kontakte sind, die sich einfach ergeben haben.