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Steuerdumping geht zu Lasten der Allgemeinheit

Michael TheurerMichael Theurer
02.09.2016

Apple muss in Irland 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen, hat die EU-Kommission entschieden. FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer plädierte in einem Gastbeitrag auf "focus.de" für ein konsequentes Vorgehen gegen Steuervermeider: "Die spektakuläre Entscheidung im Fall Apple ist ein wichtiger Schritt für den fairen Wettbewerb und die Steuergerechtigkeit. Doch dieser Fall kann nur der Anfang sein. Die systemischen Schwächen in den Steuergesetzen der 28 Mitgliedsstaaten der EU müssen behoben werden." Auch FDP-Generalsekretärin Nicola Beer rief die Bundesregierung auf, mehr Engagement in dieser Frage an den Tag zu legen.

In jedem Land gebe es eigene Definitionen, Ausnahmen und Zuständigkeiten im Steuersystem, erläuterte Theurer. Er führte aus: "Regelungen, die gedacht waren, um Doppel-Besteuerungen zu vermeiden, werden so trickreich genutzt, dass es am Ende zu einer doppelten Nicht-Besteuerung kommt. Das verzerrt den Wettbewerb." Obwohl die EU-Staaten sich dazu verpflichtet hätten, diese zu vermeiden, führe die Freiheit des Kapitalverkehrs in einigen Fällen zu doppelter Nichts-Besteuerung. Es sei tragisch, dass befreundete Staaten so gegeneinander ausspielen ließen, unterstrich Theurer.

Verbindlicher EU-Gesetzesrahmen

"Die Apple-Entscheidung muss der Auftakt sein, endlich in der EU einen verbindlichen, fairen und verständlichen Gesetzesrahmen zu schaffen", forderte der Freidemokrat. In einem fairen Steuersystem müssten auch international tätige Großkonzerne Steuern zahlen, und zwar dort, wo Wertschöpfung und Gewinne entstünden. Er betonte: "Steuerdumping geht massiv zu Lasten der Allgemeinheit und benachteiligt den Mittelstand, das Rückgrat unserer europäischen Volkswirtschaft."

Diese Forderung bekräftigte Beer. Global Player wie Ikea, Apple, Amazon und Google seien in Deutschland aktiv, zahlten aber nichts ins deutsche Steuersystem ein. "Ich habe großen Respekt vor der wirtschaftlichen Leistung der Konzerne, aber dort, wo sie Geld erwirtschaften, sollten diese Unternehmen auch Steuern zahlen", unterstrich die Freidemokratin im "Tagesspiegel"-Interview. Die Entscheidung der EU-Kommission sei deswegen konsequent und richtig. "Ich würde mir wünschen, dass auch die deutschen Finanzminister und Wirtschaftsminister mit diesem Nachdruck gegen große Konzerne zu Werke gingen."

Wenn ein Staat also niedrige Steuern verlangen will: Gerne!

Die Staaten könnten mit verbindlichen Regen weiterhin über die Steuersätze in Wettbewerb treten, doch könnten die nationalen Steuergesetze nicht mehr durch bloßes Hin- und Herschieben von Geld ausgehebelt werden, erläuterte Theurer. Er gab zu bedenken: "Ein solcher Steuerwettbewerb wäre ein großer Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit und fairen Wettbewerbsbedingungen. Wenn ein Staat also niedrige Steuern verlangen will: Gerne! Aber eben für alle und nicht nur für Großkonzerne!"

Lesen Sie hier den vollständigen Gastbeitrag

Die Entscheidung der EU-Kommission, nach intensiven Ermittlungen die weitreichenden Steuerprivilegien von Apple in Irland als unerlaubte Staatsbeihilfe einzustufen, ist ein unüberhörbarer Paukenschlag.

Dieser Schritt ist mutig und richtungsweisend. Und doch reicht er nicht aus. Denn das Steuermodell von Apple in Irland ist nur die Spitze des Eisbergs. Es ist höchste Zeit, dass das systemische Problem aggressiver Steuervermeidung internationaler Konzerne angepackt wird.

Betrachtet man das Ergebnis der EU-Ermittlungen in Sachen Apple in Irland, trifft man auf gigantische Dimensionen. Im Jahr 2011 beispielsweise erwirtschaftete Apple Sales International 16 Milliarden Euro Gewinn, hat davon jedoch nur 50 Millionen Euro überhaupt versteuert. 2014 war es noch weniger – der effektive Steuersatz lag da nur noch bei 0,005 Prozent.

Das heißt, dass Apple pro 1.000.000 Euro Gewinn nur 50 Euro Steuern gezahlt hat – und das bei einer Tochterfirma, die für sämtliche Verkäufe in Europa zuständig ist. Denn all diese Gewinne wurden nach Irland transferiert und blieben dort aufgrund eines kreativen Steuerkonstrukts mit ausdrücklicher Billigung des irischen Staates praktisch unversteuert.

Nach der Entscheidung der EU-Kommission muss Apple nun die Steuerschuld seit 2003 – zehn Jahre vor Beginn der Ermittlungen – nachzahlen. Insgesamt 13 Milliarden Euro plus Zinsen, das sind etwa 3000 Euro pro Einwohner Irlands. Irland ist aufgefordert, diese nun auch tatsächlich einzutreiben.

Doch so richtig das Ergebnis auch ist: Das reicht nicht.

Denn es fußt auf jahrelang mühsam von der Kommission in 28 Mitgliedsstaaten zusammengetragenen Beweisen. Und ohne LuxLeaks und die dadurch an die Öffentlichkeit geratenen vertraulichen internen Dokumente hätte es den konkreten, für jede Einzelfallprüfung notwendigen, Anfangsverdacht gar nicht gegeben.

Keine Frage: die spektakuläre Entscheidung im Fall Apple ist ein wichtiger Schritt für den fairen Wettbewerb und die Steuergerechtigkeit. Doch dieser Fall kann nur der Anfang sein. Die systemischen Schwächen in den Steuergesetzen der 28 Mitgliedsstaaten der EU müssen behoben werden. Die zentrale Erkenntnis der Sonderausschüsse des Europäischen Parlaments zur Aufklärung der LuxLeaks-Enthüllungen (Taxe I und II) war, dass die Kombination von 28 zum Teil überkomplexen nationalen Steuergesetzen zu Schlupflöchern führt, die von findigen international tätigen Konzernen genutzt werden.

In jedem Land gibt es eigene Definitionen, eigene Ausnahmen und eigene Zuständigkeiten im Steuersystem. Regelungen, die gedacht waren, um Doppel-Besteuerungen zu vermeiden, werden so trickreich genutzt, dass es am Ende zu einer doppelten Nicht-Besteuerung kommt. Das verzerrt den Wettbewerb.

In der EU wurden die Staaten dazu verpflichtet, dies zu vermeiden. Allerdings ergibt sich durch die Freiheit des Kapitalverkehrs in der EU die Möglichkeit zur doppelten Nichtbesteuerung – indem Geld über kreative Firmenkonstrukte so hin- und hergeschoben wird, dass es die beteiligten Staaten jeweils nicht besteuern. Dass sich befreundete Staaten so gegeneinander ausspielen lassen, ist tragisch.

Doch es ist auch deshalb nicht gerecht, weil es den Wettbewerb zwischen Unternehmen verzerrt: Zunächst einmal ist es für die Firmen teuer, diese Konstrukte einzurichten. Das Berliner Start-up oder der Kiosk ums Eck kann sie sich also nicht leisten. Zum zweiten wurde ein mit Apple vergleichbares Konstrukt zwar von mehreren US-Konzernen verwendet, konnte aber zum Beispiel von irischen Unternehmen nicht verwendet werden.
Und zum dritten ist es höchst intransparent, wer warum wie viel Steuern zahlen muss. Denn auch Apples effektiver Steuersatz schwankte. Es waren zwar nie die 12,5 Prozent, die eigentlich in Irland an Körperschaftssteuer anfallen, aber eben mal 1 Prozent, mal 0,05 Prozent und mal 0,005 Prozent, so dass nicht einmal zwischen den Nutzern des Steuerdumpings Fairness gewährleistet war.

Die Apple-Entscheidung muss daher jetzt der Auftakt sein, endlich in der EU einen verbindlichen, fairen und verständlichen Gesetzesrahmen zu schaffen.

Denn in einem fairen Steuersystem müssen auch international tätige Großkonzerne Steuern zahlen, und zwar dort, wo Wertschöpfung und Gewinne entstehen. Steuerdumping geht massiv zu Lasten der Allgemeinheit und benachteiligt den Mittelstand, das Rückgrat unserer europäischen Volkswirtschaft. Im Binnenmarkt mit der Freiheit des Kapitalverkehrs sind Rahmenregeln notwendig, die fairen Wettbewerb garantieren im Sinne der sozialen Marktwirtschaft.

Als Sonderberichterstatter habe ich Empfehlungen vorgelegt, die das Europäische Parlament mit breiter Mehrheit beschlossen hat. Am wichtigsten wäre eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB). Das bedeutet, dass sich die Staaten auf gemeinsame Regeln und Standards einigen, wie die Höhe der zu besteuernden Gewinne ermittelt wird.

Damit würden die Staaten weiterhin über die Steuersätze in Wettbewerb treten, doch könnten die nationalen Steuergesetze nicht mehr durch bloßes hin- und herschieben von Geld ausgehebelt werden. Ein solcher Steuerwettbewerb wäre ein großer Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit und fairen Wettbewerbsbedingungen. Denn im Gegensatz zu Konzernen wie Apple können kleine und mittlere Unternehmen von so niedrigen Steuern nur träumen. Wenn ein Staat also niedrige Steuern verlangen will: Gerne! Aber eben für alle und nicht nur für Großkonzerne!

Auch muss sichergestellt werden, dass jeder Gewinn, der die EU verlässt, einmal besteuert worden ist. Damit dies auch tatsächlich geschieht, brauchen die Mitgliedsstaaten zusätzliche Werkzeuge: Dazu gehört die länderspezifische Berichterstattung von multinationalen Großunternehmen, in denen über die wirtschaftlichen Tätigkeiten in jedem Land, in dem sie geschäftlich tätig sind, einzeln Rechenschaft abgelegt wird. Derartige Informationen wie auch die Steuerbescheide sollten zukünftig zwischen betroffenen Staaten automatisch ausgetauscht werden. Bei grenzüberschreitend tätigen Unternehmen muss auch eine grenzüberschreitende, gemeinsame Betriebsprüfung möglich sein.

Noch nicht genauer untersucht ist jedoch ein anderer Fragekomplex, den Apple ebenfalls aufwirft: Die Offshore-Holdings. Denn Apples Gewinne aus Europa werden nicht zur Mutterfirma in die USA geschickt, sondern zunächst in Steuerparadiesen geparkt. Von dort dienen sie als „Kriegskasse“ um Märkte zu erschließen und andere Firmen – bisweilen Konkurrenten – aufzukaufen.

Durch die Panama Papers bekamen Reporter und die interessierte Öffentlichkeit einen kleinen Blick in die Welt der Offshore-Firmen. Das Europäische Parlament hat bereits einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, um mögliche Regelverstöße in diesem Bereich aufzudecken. Die Apple-Entscheidung kann nur ein weiterer Schritt sein, um schädliche Steuerpraktiken endlich wirksam zu bekämpfen.

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