STEINER-Interview: Für einen Kuschelkurs Marke CDU stehe ich nicht zur Verfügung
Berlin. Die FDP-Spitzenkandidatin für die Bremer Bürgerschaftswahl LENCKE STEINER gab der „Welt“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ULRICH EXNER:
Frage: Wollen Sie eigentlich auch unbedingt Senatorin werden, Frau Steiner?
STEINER: Mit acht Prozent dürfte das eher schwierig werden. Aber wenn doch ...
Frage: Dann wäre die FDP nach CDU und Grünen die dritte Partei, die sich darum bewirbt, der Bremer SPD das Bürgermeister-Abonnement zu verlängern.
STEINER: Nein, unsere Aufgabe wird sein, starke Oppositionsarbeit zu machen. Auch, wenn es rechnerisch für ein Bündnis mit der SPD reichen würde? Ich biedere mich nicht an. Für einen Kuschelkurs Marke CDU stehe ich nicht zur Verfügung. Im Übrigen würde die SPD, falls es mit den Grünen allein nicht reicht, doch eher Rot-Rot-Grün machen.
Frage: Also machen Sie auf jeden Fall Opposition?
STEINER: Ja, wir wollen als starke Kraft in die Bürgerschaft zurückkehren.
Frage: Und Sie werden Fraktionschefin der FDP in der Bürgerschaft?
STEINER: Das ist mein Ziel.
Frage: Wenn die Grünen Sie angefragt hätten für eine Spitzenkandidatur, hätten Sie dann auch zugesagt?
STEINER: Was für eine Frage! Die Grünen sind dafür mitverantwortlich, dass die Schulden Bremens seit 2007 um über fünf Mrd. Euro gestiegen sind. Also nein, keine Chance.
Frage: Und die CDU? Hätte die Chancen gehabt?
STEINER: Ich habe zwar gehört, dass sich dort einige ärgern, dass sie mich nicht gefragt haben, aber die Antwort hätte ebenfalls nein gelautet. Ich habe mir die Freien Demokraten sehr bewusst ausgesucht.
Frage: Ich dachte, die FDP hat sich Sie ausgesucht?
STEINER: Das stimmt. Aber ich habe mich auch für sie entschieden. Es war Sympathie von beiden Seiten.
Frage: Was fanden Sie an der siechen FDP denn sympathisch?
STEINER: Die FDP ist die einzige Partei, die auf den Einzelnen, seine Freiheit und Chancen setzt. Das fehlt in Bürgerschaft und Bundestag. Ich fühle mich als Unternehmerin im Parlament nicht repräsentiert. Schon gar nicht von einer Großen Koalition, die alles Unternehmerische in der Wirtschaft reglementieren will. Nehmen Sie nur diese unsäglichen Quotenregelungen.
Frage: Sie lehnen Frauenquoten ab?
STEINER: Ja. Frauen wollen durch Leistung überzeugen. Ich glaube nicht, dass man mit der Quote ein einziges Problem löst.
Frage: Wie fanden Sie eigentlich damals die Nummer mit Brüderles Tanzkarte?
STEINER: Naja, ich war nicht dabei und weiß deshalb nicht, wie das genau abgelaufen ist. Ich weiß aber, dass ältere Herren gerne mal zum Flirten neigen.
Frage: Wie sind denn Ihre eigenen Erfahrungen mit den älteren Herren aus Ihrer Partei?
STEINER: Es hat mich mal einer aufgefordert, lieber keine Hosenanzüge zu tragen. Darüber hinaus bin ich in derart stereotype Situationen in meiner Partei noch nicht geraten.
Frage: Auch die ARD hat ihre Beine bisher noch nicht ausführlich im Bild gewürdigt. Bedauern Sie das ein wenig? Der Hamburger FDP hat so ein Kameraschwenk ja durchaus geholfen bei der Bürgerschaftswahl.
STEINER: Nein. Ich vermisse solche Kameraschwenks überhaupt nicht. Die ARD hat sich dafür entschuldigt und damit ist die Sache durch.
Frage: Fanden es in der Bremer FDP alle Altgedienten klasse, dass da auf einmal eine politisch nicht ganz so erfahrene, junge Frau ankommt und sagt, wo es langgehen soll?
STEINER: Jedenfalls fanden alle klasse, dass eine Quereinsteigerin mit einem eigenen Unternehmen im Hintergrund bereit ist, sich für die FDP in Bremen zu engagieren. Und das war zu einem Zeitpunkt, als sie noch nicht bei fünf oder sechs Prozent stand.
Frage: Was machen Sie denn besser als die anderen?
STEINER: Ich setze den Fokus eindeutig auf Bildung. Und zwar nicht gleich im Großen, mit riesigen Strukturreformen. Sondern gerade im Kleinen, hier, wo wir schnell etwas bewegen können.
Frage: Ein Beispiel?
STEINER: Wir wollen die Kitas zu den Keimzellen guter Bildung machen. Sie sind der Ort, an dem man den Kindern frühzeitig bessere Bildungschancen eröffnen kann. Sie sind der Ort, an dem auch Kinder mit Migrationshintergrund auf einen sprachlichen Stand gebracht werden können, dass sie in der Grundschule nicht von Anfang an zurückfallen. Also müssen wir die Kitas besser ausstatten. Bildung ist der Schlüssel für alles weitere.
Frage: Kurzer Wissenstest: Wie hieß ihr Vorgänger als Spitzenkandidat?
STEINER: Geben Sie mir einen Tipp.
Frage: Oliver Möllenstädt. Wie viel Prozent hat er vor vier Jahren bekommen?
STEINER: 2,4 Prozent.
Frage: Wie viel holen Sie?
STEINER: Sag' ich doch. Mindestens acht Prozent.
Frage: Hand aufs Herz, Frau Jungunternehmerin: Kann man das Unternehmen Hansestadt Bremen noch sanieren?
STEINER: Ja. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Man kann nicht in einer Legislaturperiode heilen, was über Jahrzehnte schief gelaufen ist. Das funktioniert nicht.
Frage: Sondern wie?
STEINER: Endlich anfangen, natürlich auch mit Hilfen vom Bund. Und dadurch, dass auch in Bremen der Staat nicht immer mehr ausgibt, sondern sich auf seine Kernaufgaben konzentriert. Auf die Sicherheit, Innovationen und auf Bildung. Bildung ist immer auch eine Investition in die Wertschöpfung. Nur durch bessere Bildung schaffen wir uns langfristig die Möglichkeit zu verbesserten Einnahmen.
Frage: Zumindest außerhalb Bremens wird auch die Ansicht vertreten, dass der Bremer Haushalt überhaupt nicht mehr sanierbar ist. Dass das Bundesland Bremen dauerhaft auf die Hilfe anderer angewiesen ist und deshalb eines Tages seine Eigenständigkeit verlieren wird.
STEINER: Das will ich nicht akzeptieren. Bremen ist der fünftgrößte deutsche Industriestandort. Wir sind der zweitgrößte Hafen- und Logistikstandort. Wir sind europaweit führend in der Luft- und Raumfahrt. Bremen ist eine hochattraktive Stadt mit höchster Lebensqualität. Wir haben, wie Hamburg, alle Möglichkeiten, nur werden sie von Rot-Grün nicht genutzt.
Frage: Also Bremen bleibt für immer Bremen?
STEINER: Bremen ist großartig.