22.06.2017Fast unbemerkt beschließt der Bundestag ein einschneidendes Überwachungsgesetz. Es enthält unter anderem den sogenannten Staatstrojaner. Ermittlungsbehörden können damit heimlich Schadsoftware zur Überwachung einsetzen. Die öffentliche Debatte blieb bislang aus. Das liegt daran, dass das Gesetz durch die Hintertür eingeführt wird. "Heute ist ein historisch schlechter Tag", sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. "Der Bundestag verabschiedet Gesetze, die den Staat zum Hacker machen. Und Bund und Länder basteln darüber hinaus an einem Musterüberwachungsgesetz."
An sich sei die Idee, gemeinsame Standards zu setzen und einem Flickenteppich bei der inneren Sicherheit entgegenzuwirken "nicht neu und – richtig gemacht – auch nicht schlecht". Schnarrenberger kritisiert aber: "Neu, schlecht und besonders perfide aber ist die Idee, durch das Musterpolizeigesetz grundrechtsintensivste Überwachungsmaßnahmen in die Landespolizeigesetze zu schleusen." Der Innenminister habe auf der Konferenz in jedes Mikrofon posaunt, die Sicherheitsbehörden müssten im Internet nicht mehr aber auch nicht weniger Möglichkeiten haben als außerhalb des Internets. Dabei habe er verschwiegen: "Sie dürfen es bereits. Das Bundeskriminalamt kann sich seit 2009 für die Terrorismusbekämpfung auf Rechtsgrundlagen zur Online-Durchsuchung und so genannten 'Quellen-Telekommunikationsüberwachung' (Q-TKÜ) im Bundeskriminalamtsgesetz (BKA-Gesetz) stützen."
In Wahrheit gehe es dem Innenminister viel mehr um den Zugriff auf die allgemeine, originäre Gefahrenabwehr - die ist nämlich Ländersache. Durch das Musterpolizeigesetz wolle de Maiziére das ändern. "Sollten de Maizieres Pläne Realität werden, könnten die eingriffsintensivsten Befugnisse bald zum Alltagswerkzeug der Polizei gehören", mahnt die Juristin. Ihrer Ansicht nach wäre ein Musterpolizeigesetz hingegen nur dann richtig gemacht, "wenn es als Mustergrundrechtsgesetz und nicht als Musterüberwachungsgesetz daherkommt". Ein Gesetz, das einheitliche Standards nicht für die Einschränkung von Grundrechten schaffe sondern für ihre Geltung schafft, indem es die Kontrolle staatlichen Handelns durch unabhängige Stellen vereinheitlicht.
Staatstrojaner: Der Staat wird zum Hacker
Leutheusser-Schnarrenberger warnt vor dem trojanischen Pferd für mehr ÜberwachungFast unbemerkt beschließt der Bundestag ein einschneidendes Überwachungsgesetz. Es enthält unter anderem den sogenannten Staatstrojaner. Ermittlungsbehörden können damit heimlich Schadsoftware zur Überwachung einsetzen. Die öffentliche Debatte blieb bislang aus. Das liegt daran, dass das Gesetz durch die Hintertür eingeführt wird. "Heute ist ein historisch schlechter Tag", sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. "Der Bundestag verabschiedet Gesetze, die den Staat zum Hacker machen. Und Bund und Länder basteln darüber hinaus an einem Musterüberwachungsgesetz."
Experten halten es für eines der invasivsten Überwachungsgesetze der vergangen Jahre: Mit der Änderung der Strafprozessordnung wird den Ermittlungsbehörden Zugriff auf private Geräte, Handys, Laptops und Tablets ermöglicht. Ohne dass sich die Verdächtigen dagegen wehren können. Die geplanten Maßnahmen sind sogar noch weitgehender als der "Große Lauschangriff" Ende der 90er Jahre. Da passt auch die Einführung des Musterpolizeigesetzes ins Bild, mit dem Thomas de Maizière schwerwiegende Überwachungsmaßnahmen durchsetzen will. "Dann könnten Methoden zur Terrorabwehr Alltagswerkzeug der Polizei werden", warnt das Vorstandsmitglied in der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, in einem Gastbeitrag für die Wirtschaftswoche.
An sich sei die Idee, gemeinsame Standards zu setzen und einem Flickenteppich bei der inneren Sicherheit entgegenzuwirken "nicht neu und – richtig gemacht – auch nicht schlecht". Schnarrenberger kritisiert aber: "Neu, schlecht und besonders perfide aber ist die Idee, durch das Musterpolizeigesetz grundrechtsintensivste Überwachungsmaßnahmen in die Landespolizeigesetze zu schleusen." Der Innenminister habe auf der Konferenz in jedes Mikrofon posaunt, die Sicherheitsbehörden müssten im Internet nicht mehr aber auch nicht weniger Möglichkeiten haben als außerhalb des Internets. Dabei habe er verschwiegen: "Sie dürfen es bereits. Das Bundeskriminalamt kann sich seit 2009 für die Terrorismusbekämpfung auf Rechtsgrundlagen zur Online-Durchsuchung und so genannten 'Quellen-Telekommunikationsüberwachung' (Q-TKÜ) im Bundeskriminalamtsgesetz (BKA-Gesetz) stützen."
In Wahrheit gehe es dem Innenminister viel mehr um den Zugriff auf die allgemeine, originäre Gefahrenabwehr - die ist nämlich Ländersache. Durch das Musterpolizeigesetz wolle de Maiziére das ändern. "Sollten de Maizieres Pläne Realität werden, könnten die eingriffsintensivsten Befugnisse bald zum Alltagswerkzeug der Polizei gehören", mahnt die Juristin. Ihrer Ansicht nach wäre ein Musterpolizeigesetz hingegen nur dann richtig gemacht, "wenn es als Mustergrundrechtsgesetz und nicht als Musterüberwachungsgesetz daherkommt". Ein Gesetz, das einheitliche Standards nicht für die Einschränkung von Grundrechten schaffe sondern für ihre Geltung schafft, indem es die Kontrolle staatlichen Handelns durch unabhängige Stellen vereinheitlicht.