SOLMS-Interview: Auf uns ist sie nicht eingegangen
Das FDP-Präsidiumsmitglied Dr. Hermann Otto Solms gab der „Hessischen Allgemeinen“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Petra Wettlaufer-Pohl:
Frage: Herr Solms, halten Sie die Entscheidung der FDP noch immer für richtig?
Solms: Ja, absolut. Denn nach fast fünf Wochen Sondierungsgesprächen ist keine Übereinstimmung erzielt worden. Nahezu alle zentralen Fragen waren strittig. Es ist auch keine Vertrauensbasis entstanden, die Gespräche waren vom Misstrauen der Parteienvertreter untereinander geprägt. Wie soll man vier Jahre zusammenarbeiten, wo doch auch tägliche neue Probleme auftauchen? Deshalb sahen wir uns gezwungen, die vergeblichen Sondierungsgespräche abzubrechen.
Frage: Union und Grüne sagen, man sei kurz vor dem Ziel gewesen, stimmt das nicht?
Solms: Die Sondierungen standen nicht kurz vor einer Einigung, denn bis zum Schluss gab es noch 237 strittige Punkte. Wir Freie Demokraten haben gesagt, dass wir die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik modernisieren wollen und haben entsprechend alle unsere Forderungen eingebracht.
Frage: Aber nichts durchgesetzt?
Solms: Unsere zentralen Punkte sind nicht in notwendiger Weise berücksichtigt worden. Die Bundeskanzlerin persönlich hat den Grünen gegenüber laufend Zugeständnisse gemacht, auf uns ist sie nicht eingegangen. Wir sind mit einem neuen Profil und neuen Inhalten wieder in den Bundestag gewählt worden. Wer uns gewählt hat, will doch nicht, dass wir unsere Ziele gleich wieder aufgeben und die Politik der Großen Koalition mit anderen Mehrheiten fortsetzen.
Frage: Der Bundespräsident sagt, Parteien seien nicht nur ihren eigenen Wählern verpflichtet.
Solms: Wir haben nach vernünftigen Kompromissen gesucht und die Sondierungsgespräche deshalb noch einmal um zwei Tage verlängert. Aber als es auch am Sonntag keine Bewegung in unsere Richtung gab, hatte es keinen Sinn mehr.
Frage: Wo hätte es denn Angebote an die FDP geben müssen?
Solms: In der Europapolitik, was die Stabilisierung des Euros betrifft. In der Bildungspolitik bei der für uns zentralen Frage, das Kooperationsverbot abzuschaffen, um die Länder bei der Modernisierung der Bildung zu unterstützen. Und natürlich in der Finanzpolitik. Wir haben gesagt, der Soli muss abgeschafft werden, stattdessen hat man uns einen unbefriedigenden Ratenplan angeboten.
Frage: Erste Umfragen zeigen, dass die Bürger die Verantwortung am Scheitern bei der FDP sehen, stört Sie das nicht?
Solms: Ich bekomme überwiegend positive Rückmeldungen dafür, dass wir unsere Kernbotschaften nicht aufgegeben haben. Übrigens wollten alle Partner ihre zentralen Forderungen durchsetzen. Die Grünen etwa haben knallhart in der Energiepolitik verhandelt. Ihnen ist die Bundeskanzlerin gegen den Rat ihrer eigenen Fachleute entgegengekommen und sie hat zugestimmt, die Kohleverstromung über das Maß hinaus zu reduzieren, das wir für die Versorgungssicherheit brauchen. Wir sind wie die Grünen der Meinung, dass der Abbau von CO2 vorangetrieben werden muss, aber nicht mit einer Schocktherapie, die zudem die Versorgung gefährdet.
Frage: Haben Sie denn nicht hart verhandelt?
Solms: Doch, das sieht man ja auch an der Dauer der Gespräche. Aber die Ergebnisse waren für uns nicht befriedigend.
Frage: Was sollte nun geschehen?
Solms: Nun muss die SPD überlegen, ob sie ihrer Verantwortung gerecht wird.
Frage: Sie ziehen sich raus und die SPD soll Verantwortung übernehmen?
Solms: Im Gegensatz zur SPD, die sich bereits kurz nach Schließung der Wahllokale der Verantwortung entzogen hat, haben wir knapp fünf Wochen lang verhandelt. Die SPD hat ja auch eine gemeinsame Basis mit der Union aus der Großen Koalition. Sie könnten sie also fortsetzen, aus ihrer Sicht hatte die SPD ja auch Erfolge.
Frage: Eine Option sind Neuwahlen. Fürchten Sie, dass die FDP dann wieder vor Tür landet?
Solms: Ich bin überzeugt, dass wir ein besseres Ergebnis bekommen als im September. Man wird unsere klare Haltung belohnen. Wie viele Menschen unsere Entscheidung unterstützen, zeigen auch die rund 250 Neueintritte in die Partei seit dem Jamaika-Aus.
Frage: Nach Neuwahlen würde es mutmaßlich wieder Koalitionsverhandlungen geben.
Solms: Ja, aber möglicherweise mit einem Wechsel der handelnden Personen.
Frage: Sie meinen bei der Union?
Solms: Ja, aber auch bei der SPD.
Frage: Viele Menschen befürchten, dass von Neuwahlen in erster Linie die Alternative für Deutschland profitierte.
Solms: Wenn wir uns mit der AfD konsequent politisch auseinandersetzen, werden ihre Erfolge auch wieder ausbleiben. Ein Weiter-so würde die AfD am meisten stärken.
Frage: Was ist Ihr Tipp?
Solms: Ich warte ab, wie in der SPD diskutiert wird. Ich glaube noch immer, dass sie sich ihrer Verantwortung nicht entzieht.