SOLMS-Gastbeitrag: Schleichende Enteignung der Leistungsträger endlich beenden
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied DR. HERMANN OTTO SOLMS schrieb für das „Handelsblatt“ (Dienstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Die Große Koalition beherrscht eine Sache perfekt – sie verteilt üppige Wahlgeschenke an ihr geneigte Wählergruppen und kassiert hinterrücks ab, was sie vorher gönnerhaft verteilt hat. Der Staat schlägt brutaler zu denn je. Die Ansammlung von Einkommensteuer, Reichensteuer, Soli und Kirchensteuer führt zu einer Belastung von über 50 Prozent. Mehr noch: Hinzugekommen sind Stromsteuer, Flugverkehrsabgabe und die Erhöhungen von Mehrwertsteuer sowie Tabak-, Branntwein und Mineralölsteuer. Die Pkw-Maut steht vor der Tür, und auch vor den Sozialabgaben macht die Koalition nicht halt. Anstatt die Rentenbeiträge abzusenken – wie gesetzlich vorgeschrieben –, hat sie dies ausgesetzt. Das Geld fließt in die teure und ungerechte Rentenreform. Das Rentenpaket verschlingt mindestens zehn Milliarden Euro pro Jahr. Die Deutschen zahlen aber nicht nur mehr für die Rente, sondern bald auch für die Pflege – Anfang 2015 wird der Beitragssatz steigen. Auch bei der Krankenversicherung ist mit zunehmenden Belastungen zu rechnen.
Das Geld sprudelt, der Staat hat traumhaft hohe Einnahmen. Allein in dieser Legislaturperiode kann die Koalition mit Mehreinnahmen von ca. 100 Milliarden Euro rechnen. Obwohl es in der Kasse klingelt, kommt der Staat mit dem Geld nicht aus. An eine Entlastung der Bürger denkt die Große Koalition erst recht nicht. Etwa bei der kalten Progression. Der Finanzminister hält die Abschaffung der kalten Progression einmal für machbar, dann wieder für unmöglich. Und schiebt den Schwarzen Peter den Ländern zu.
Gleiches gilt für den Soli. Auch hier müsste man über ein vorzeitiges Auslaufen dieser Zusatzabgabe nachdenken, die an den auslaufenden Solidarpakt gebunden war. Doch statt die Bürger zu entlasten, überlegt sich Berlin, wie es die Soli-Einnahmen behalten und diese zu einem dauerhaften Teil der Steuerlandschaft machen kann. Entlastung wäre auch beim Strompreis möglich. Hier ist der Staat der Hauptpreistreiber. Der Anteil an Steuern, Abgaben und Umlagen liegt bei über 50 Prozent. Bei jeder Erhöhung kassiert der Staat doppelt mit. Auf die Stromsteuer und die EEG-Umlage erhebt der Staat Mehrwertsteuer. Er erhebt also eine Steuer auf die Steuer.
Es ist ein raffiniertes System, die Bürger unmerkbar zur Kasse zu bitten, ohne diese Belastung im Haushalt auszuweisen. Die Umlage wird einfach auf die Stromrechnung aufgeschlagen. Während der Staat kassiert, wird inzwischen rund 300 000 Haushalten wegen unbezahlter Rechnungen jährlich der Strom abgeklemmt.
Um die schwierigen Jahre nach 2020 mit ca. sechs Millionen weniger Beschäftigten zu meistern, müsste die Regierung unverzüglich umschalten – weg von den konsumtiven hin zu mehr investiven Ausgaben. Der Staat müsste in Bildung und Infrastruktur investieren. Auch im privaten Sektor brauchen wir mehr Investitionen, zum Beispiel in die Modernisierung von Unternehmen und Produkten. Dazu sollte es einen Anreiz geben – beispielsweise die Wiedereinführung der degressiven AfA. Vor dem Hintergrund sprudelnder Einnahmen ist es die Pflicht der Bundesregierung, die schleichende Enteignung der Leistungsträger unserer Gesellschaft endlich zu beenden.