SOLMS-Gastbeitrag: Die vier zentralen Fehler der deutschen Energiepolitik
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied DR. HERMANN OTTO SOLMS schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Die Reformpläne der EU-Kommission für den Emissionshandel sind richtig. Es ist dringend notwendig, dieses Instrument zu erneuern und vor allem wieder zu stärken. Schließlich ist es das wirksamste und geeignetste für den Klima- und Umweltschutz.
Unternehmen, die viele Treibhausgase verursachen, müssen Klimazertifikate erwerben. Über diese Anreize erhalten Stromerzeuger, die ihre Emissionen reduzieren, einen Wettbewerbsvorteil: Sie können die weniger benötigten Emissionsrechte verkaufen. Der Emissionshandel belohnt so klimafreundliche Stromerzeugung – in konventionellen wie in neuen Kraftwerken.
Dank sinnvoller Innovationsanreize produzieren Marktteilnehmer Strom dort, wo es am effizientesten, sichersten und klimafreundlichsten ist. Und das zu möglichst geringen Kosten, im freien Wettbewerb und mit einer hohen Versorgungssicherheit.
Das kann aber nur wirken, wenn die Subventions- und Interventionspolitik von deutscher Seite beendet wird. Staatliche Eingriffe in der Energiepolitik - wie sie durch das Erneuerbare Energien Gesetz erfolgen – sind nämlich völlig falsch und konterkarieren die Auswirkungen des Emissionshandels.
Statt an die grundsätzlichen Strukturprobleme der Energiepolitik heranzugehen und das Subventions- und Interventionssystem zu einem marktwirtschaftlichen System umzuwandeln, doktert die Bundesregierung weiter an den Symptomen herum. Durch neue Subventionen sollen die alten Fehler kompensiert werden. Ein notdürftiges Flickwerk.
Das Einzige, was der Regierung in der Energiepolitik einfällt: Sie greift Stromkunden und Steuerzahlern tief in die Taschen. Von durchdachten Konzepten keine Spur. Von einer längst überfälligen, in Europa abgestimmten Energiepolitik weiterhin keine Rede.
Ergebnis wird sein, dass die Energiekosten weiter in die Höhe schnellen. Obwohl wir heute schon die höchsten Energiepreise unter allen Industriestaaten haben.
Die größten und am wenigsten berechenbaren Kosten haben die deutschen Stromverbraucher aber Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer zu verdanken. Er hatte sich vehement gegen die neue Stromtrasse Suedlink gesträubt. Diese sollte erneuerbaren Strom vom Norden in den Süden Deutschlands bringen. Er wollte die Trasse sogar verschieben und sie nicht durch Bayern sondern stattdessen durch Hessen und Baden-Württemberg laufen lassen.
Um ihn zu beschwichtigen, hat ihm die Große Koalition ein milliardenteures Geschenk auf Kosten der Stromverbraucher gemacht: Erdkabel erhalten Vorrang. Das heißt nichts anderes, als das Hunderte Kilometer neue Stromleitungen unter der Erde statt wie bisher als Freileitung verlegt werden. Manch ein Netzbetreiber schätzt die Mehrkosten auf das Achtfache.
Aber auch die beschlossene Abschaltung von Braunkohle-Kraftwerken verteuert die Energiewende zusätzlich. Denn die Energiekonzerne erhalten satte Prämien dafür.
Ganz zu schweigen davon, dass es naiv ist, zu glauben, ein gleichzeitiger Ausstieg aus der Atom- und Kohlekraft ist bei den momentan vorherrschenden Bedingungen möglich.
Das liegt an zentralen Fehlern, die bei der Energiewende gemacht wurden und die es dringend zu korrigieren gilt.
Fehler Nummer 1: Der dringend benötigte Netzausbau kommt nicht voran. Auch nicht nach den jüngsten Beschlüssen. Vor allem weil für die zahlreichen Offshore-Windparks die problemlose Anbindung ans Stromnetz auf dem Festland fehlt.
Fehler Nummer 2: Es fehlt die Speichermöglichkeit für Strom als Ausgleich für die fluktuierende Wind- und Solarenergie.
Fehler Nummer 3: Eine europäische Einbindung fehlt bei der Energiewende völlig, da Deutschland im nationalen Klein-Klein stecken bleibt. Fragen der Klima- und Energiepolitik lassen sich nicht ausschließlich auf nationaler Ebene beantworten. Hier muss dringend ein europapolitisches Gesamtkonzept her.
Fehler Nummer 4: Das Erneuerbare Energien Gesetz mit seiner Umlage ist der falsche Systemansatz. Er verteuert künstlich die Energiepreise und gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das ineffiziente und korrumpierende Subventionssystem des EEG muss komplett abgeschafft werden.
Ziel muss stattdessen der europäische Emissionshandel sein. Er sollte unbedingt auch auf andere Sektoren ausgedehnt werden – beispielsweise auf Verkehr und Wohnen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, den europäischen Emissionshandel in ein entsprechendes globales Konzept zu integrieren und mit neu entstehenden Emissionshandelssystemen außerhalb der EU zu verknüpfen.
Uns allen muss klar sein: Solange die Bedingungen für eine grundlastfähige Versorgung durch regenerative Energien nicht gegeben sind, solange der Netzausbau nicht vorankommt und solange wir keine ausreichenden Speichermöglichkeiten für überschüssig produzierte Energie haben, sind wir als Industriestaat auf die Nutzung fossiler Energieträger angewiesen. Ohne diese Voraussetzungen sind Kohle- und Gasverstromung nicht ersetzbar.