SITTA-Interview: Manche verklären die Wirklichkeit in der DDR
Das FDP-Präsidiumsmitglied Frank Sitta gab der „Volksstimme“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Alexander Walter, Alois Kösters und Michael Bock.
Frage: Herr Sitta, Tage vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen sowie im Oktober in Thüringen sieht es eng aus für den Einzug Ihrer Partei in die Parlamente. Womit wollen Sie punkten?
Sitta: Ich kann mich an wesentlich schwierigere Zeiten erinnern. In Brandenburg landeten wir 2014 bei 1,5 Prozent. Jetzt stehen wir in allen drei Ländern bei fünf Prozent. Grundsätzliches Ziel ist es, in alle drei Parlamente einzuziehen. Ich bin guter Dinge, dass das klappt. Was die Inhalte betrifft: Es wird im Moment viel übers Klima geredet. Ich habe den Eindruck, dass da andere aus dem Blick verloren haben, dass wir auch am Rande einer Rezession stehen. Für uns aber ist das ein ganz zentrales Thema.
Frage: Finanzminister Olaf Scholz hat angedeutet, im Fall einer Rezession 50 Milliarden Euro locker machen zu können...
Sitta: Das sind die bekannten Debatten. Es ist natürlich ein Leichtes zu sagen, wir legen jetzt mal ein Konjunkturpaket auf. Aber die Probleme liegen doch woanders. Auf dem Bau sind wir an den Kapazitätsgrenzen, öffentliche Auftraggeber finden wegen hoher Auflagen kaum Firmen. Straßen und Schienen werden ebenfalls wegen überbordender Bürokratie jahrelang nicht fertig. Hier müssen wir effektiver werden. Es geht darum, unseren Wohlstand zu erhalten.
Frage: Trotzdem, bei den Überthemen Klimawandel und Einwanderung setzen andere die Akzente. Bei ureigenen FDP-Forderungen wie der Abwendung gemeinsamer Haftung für EU-Staaten ist die Partei merkwürdig still geworden...
Sitta: Dass wir still geworden wären, stimmt ja nicht. Die Einführung automatischer Sanktionen bei Verstößen gegen die Stabilitätskritierien war eine unserer zentralen Forderungen im Europawahlkampf. Im Fall der italienischen Staatsverschuldung, auf die Sie sicher anspielen, haben wir sehr offen Kritik geübt. Wir hatten aber anders als einst in Griechenland eben durchaus die Hoffnung, dass sich das noch zurechtrüttelt. Bei der Migration sprechen wir uns für eine Zuwanderung aus, die zu uns passt. Das heißt: Türen gehen eben nicht nur auf, manche bleiben auch zu.
Frage: Aber wo sind die Forderungen – etwa bei der Migration?
Sitta: Die gibt es. So wollen wir die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären. Außerdem sind wir für Asylzentren schon auf afrikanischem Boden. Flüchtlinge sollen anders als bislang schon in Afrika Asylanträge stellen. Nur wer tatsächlich Schutz braucht, soll mit dem Schiff nach Europa gebracht werden.
Frage: Warum tut sich die FDP eigentlich im Osten so schwer?
Sitta: Gute Frage, vielleicht ist es eine gewisse Staatsgläubigkeit – die Erwartung, dass der Staat sich kümmern muss und dann wird es schon laufen. Ich nehme in dieser Beziehung außerdem nicht selten wahr, dass manche die Wirklichkeit in der DDR verklären.
Frage: Sofern die Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt hält, stehen die nächsten Wahlen hier 2021 an. Werden Sie als Spitzenkandidat antreten?
Sitta: Kenia wackelt ja nun fast wöchentlich. Bei einer vorgezogenen Wahl stehe ich als Spitzenkandidat bereit. Sollte die Koalition sich bis 2021 irgendwie durchlavieren, wird man schauen müssen. Wenn die Partei das will, schließe ich eine Kandidatur keinesfalls aus. Allerdings habe ich auch meine Rolle in der Bundespolitik. Und in Sachsen-Anhalt haben wir sehr gute Leute: unsere Landesvize-Chefin Lydia Hüskens zum Beispiel oder den Halleschen OB-Kandidaten Andreas Silbersack. Wir werden sehen, wer dann auch wirklich für den Landtag kandidieren will, zumal Andreas Silbersack dann hoffentlich Oberbürgermeister von Halle ist. Aber wir können als Landesverband eben jetzt schon mit einer hervorragenden Mannschaft aufwarten: Kathrin Tarricone, die Vorsitzende im Kreisverband Mansfeld-Südharz, unseren Innenrechtsexperten Guido Kosmehl oder meinen Stendaler Kollegen im Bundestag, Marcus Faber, möchte ich da nur weiter beispielhaft nennen.
Frage: In Sachsen-Anhalt hört man mitunter Kritik, als FDP-Landeschef und Bundestagsabgeordneter seien sie zu selten vor Ort...
Sitta: Man wünscht sich von Politikern natürlich irgendwie immer, sie mögen überall gegenwärtig und in allen Feldern stets kompetent sein. Wichtig ist aber auch, dass wir in Berlin einen guten Job machen. Und im Bundestag habe ich gut zu tun. Dabei lasse ich anderen Parteimitgliedern im Land bewusst die Gelegenheit, sich politisch zu profilieren. Für die nächste Landtagswahl brauchen wir schließlich ein Team. Ehrlicherweise ist die Anwesenheit im Land aber auch eine Herausforderung privater Art. Sicher treffe ich dabei manchmal auch Entscheidungen zugunsten meiner Familie. Von daher schaffe ich es nicht immer zu jeder kleinen Veranstaltung.