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Sicherheitsarchitekur verbessern, statt Grundrechte in Frage zu stellen

NazipropagandaWas Andersdenkenden den Mund verbietet, schwächt unsere Demokratie
24.06.2019

Der CDU-Politiker Peter Tauber will Rechtsextremen Grundrechte entziehen. "Das ist eine gefährliche Idee. Sie zeigt, wie ratlos die Regierung ist und dabei echte Reformen verschleppt", kritisiert Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. "Wir werden unsere freiheitliche Rechtsordnung nicht bewahren, indem wir Freiheitsrechte aufgeben. Statt Rechten den Mund zu verbieten, müssen wir sie in der Debatte stellen", meint auch FDP-Präsidiumsmitglied Marco Buschmann in der Welt. Auch FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg warnt in der Debatte um die Bekämpfung des Rechtsextremismus vor einer Einschränkung von Grundrechten.

Mit der Forderung, Verfassungsfeinden bestimmte Grundrechte zu entziehen, hat der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber eine heftige Kontroverse losgetreten. Nur das Strafrecht anzuwenden, genüge nicht im Kampf gegen Rechtsextremismus, schrieb Tauber in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung "Die Welt" mit Blick auf den mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Tauber erntete für seinen Vorstoß scharfe Kritik. Rechtsextremisten müssten mit Argumenten gestellt werden, "statt ihnen den Mund zu verbieten", twitterte der FDP-Bundestagsabgeordnete Marco Buschmann.

Dies könne nicht die Lösung sein, sagt auch Generalsekretärin Linda Teuteberg nach einer FDP-Präsidiumssitzung. Es müsse vielmehr um eine Verbesserung der Sicherheitsarchitektur gehen. Die Zusammenarbeit der momentan rund 40 Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern müsse effizienter gestaltet werden, "damit mit den vorhandenen Erkenntnissen wirksamer umgegangen und gehandelt wird".

Freiheit verteidigen, nicht abschaffen

"Man schützt die freiheitliche Rechtsordnung nicht, indem man Freiheitsrechte aufhebt. Die Meinungsfreiheit ist der Kern der liberalen Demokratie", sagt Buschmann. "Ob Bürger innerhalb oder außerhalb des Internets, Schüler und Studenten, Journalisten und politisch Aktive - ihre Meinung ist das Lebenselixier unserer Demokratie. Was Andersdenkenden den Mund verbietet, schwächt unsere Demokratie."

Der Rechtsstaat besitze heute schon Instrumente, die stark genug sind, um mit seinen aggressiven Feinden fertigzuwerden. Wo Rechtsextreme die Grenzen der Rechtsordnung überschreiten etwa durch verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen (Paragraf 90b StGB), Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (Paragraf 91), Volksverhetzung (Paragraf 130 StGB), Beleidigung (Paragraf 185 StGB) oder dergleichen mehr, seien Staatsanwaltschaft und Polizei gefordert.

"Freilich geschehen überall, wo Menschen tätig sind, auch Fehler. Im Rahmen der NSU-Ermittlungen gingen die Ermittler zu lange von der „Einzeltäter“-Hypothese aus. Behördenleiter und leitende Beamte sind hier gefordert, angemessen in alle Richtungen zu ermitteln. Aber das Instrumentarium dafür ist da. Wofür die Politik sorgen sollte, ist angemessene Ausstattung der Behörden mit Sachmitteln und Personal."

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warnt vor einer schlichten Rhetorik. Die Botschaft, dass die Grundrechte entzogen werden könnten gieße Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten. "Sie sind es gerade, die von Systemmedien, Lügenpresse reden und unterstellen, überall lauere die Zensur. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen, ist zu einem Schlachtruf der Rechtspopulisten geworden, der die verzerrte Wahrnehmung auf den Punkt bringt."

Selbstverständlich müssten gewalttätige Rechtsextremisten die volle Härte des Gesetzes erfahren. Daneben müsse aber die Regierung liefern – Beispiel NSU: "Trotz der Pannenserie ist es nicht gelungen, den Verfassungsschutz in Bund und Ländern umzubauen. Immer noch gibt es ein unendliches Kompetenz-Wirrwarr zwischen Bund und Ländern, Polizeien und Verfassungsschutzämtern und eingerichteten zahlreichen Zentren. Eine Reform der Sicherheitsarchitektur hat nicht einmal im Ansatz angefangen."

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