FDPGastbeitrag

Schluss mit der Nanny-Attitüde der Politik

Nicola BeerNicola Beer kritisiert die Kleine-Mann-Politik der Großen Koalition
01.03.2016

Im Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" nimmt FDP-Generalsekretärin Nicola Beer die Nanny-Attitüde der politischen Konkurrenz ins Visier. "Diese 'Kleine-Mann-Politik' ist nicht sozial", stellt die Freidemokratin klar. "Sie suggeriert, der Bürger wisse nicht, was für ihn gut und das individuell Richtige ist." Es gelte, die Bürger wieder ernst zu nehmen, statt sie zu bevormunden. "Dann brauchen wir uns vor extremistischen Brandstiftern nicht zu fürchten", betont Beer mit Blick auf derzeit wachsende Politikverdrossenheit und populistische Strömungen. "Denn die beziehen ihre Stärke nur aus der Angst der anderen."

Für die FDP-Politikerin liegt es auf der Hand: Ein starker Staat brauche starke Bürger, die eigenständig denken und handeln. "Doch was haben bleierne Jahre angeblich großer Koalitionen gebracht? Die 'Kleine-Mann-Politik' hat Menschen in Bequemlichkeit oder innere Emigration getrieben", kritisiert Beer und verweist auf die sinkende Wahlbeteiligung. "Der Staat hat Aufgaben an sich gerissen, die mündigen Bürgern zu überlassen sind. Da, wo er wirklich gefordert ist, versagt er zusehends." Diesen Trend wollen die Freien Demokraten umdrehen.

Richtschnur der Politik müsse sein, den Bürgern Freiheit und Verantwortung zu überlassen, unterstreicht Beer. "Wer aus eigener Kraft etwas erreichen kann, hat genug Selbstvertrauen, Ängsten zu trotzen. Es ist eine Frage der Haltung: sich an Muttis Busen zu legen und Vater Staat für das Rund-um-Paket sorgen zu lassen oder Stärke aus dem Anpacken, dem Selbst-in-die Hand-Nehmen, dem Gelingen zu beziehen." Die Freidemokratin fordert, Kinder so früh wie möglich zu stärken – mit weltbester Bildung von der Krippe an, unabhängig vom sozialen Status der Eltern. "Wir müssen Volkserziehung und Bedenkenträgerei durch frische Ideen ersetzen", führt sie aus.

Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.

Kinder, denen man nichts zutraut, haben es schwer, selbstbewusst und selbständig zu werden. Menschen, die nicht gewohnt sind, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, verlieren Selbstsicherheit.

Ermuntert politisches Handeln Bürger zu mehr Eigenverantwortung? Im Gegenteil. Die gängige Melodie lautet: "Alles ist ja so komplex. Du, lieber Bürger, brauchst Schutz vor Unannehmlichkeiten, die das Leben Dir bereiten kann. Zerbrich Dir nicht den Kopf! Komm in unsere Arme - Mutti Merkel und Vater Staat werden es schon richten!"

Betört vom Sirenengesang grüner Gouvernanten und Heilsversprechen parteiübergreifender Sozialdemokratie, ist das Erwachen nun umso heftiger. Um zu verstehen, was dies in unserer Gesellschaft anrichtet, reicht ein Blick auf AfD und Pegida, die den Untergang des Abendlandes beschwören und mit dumpfer Diktion Sorgen und Ängste befeuern, ja instrumentalisieren.

Lange haben Parteien versäumt, den öffentlichen Diskurs zu führen. Ob Gesundheits- und Steuerreformen, monströse Subvention der erneuerbaren Energien oder Flüchtlingsströme - Politik wusste stets besser, was gut und richtig sein soll. Vom Basta-Kanzler bis zur Wir-schaffen-das-schon-Kanzlerin - Meinungsbildung bestand im Verkünden einsam gefasster Beschlüsse, häufig als alternativlos deklariert. Und jetzt das Schockerlebnis. Selbst die größten Kritiker hatten sich darauf verlassen, dass staatliche Verwaltung funktioniert und Sicherheitssysteme intakt sind. Doch an Silvester liefen Notrufe ins Leere, musste eine hilflose Polizei gerade dingfest gemachte Täter laufenlassen. Das Ergebnis systematischen Kaputtsparens des Rechtsstaates, während anderswo der Staatsdienst mit Überflüssigem aufgebläht wurde. Bürger fühlen sich getäuscht. Sie haben ihre Sicherheit verloren. Und wenn sie Ängste äußern, sehen sie sich kollektiv als Pack verunglimpft.

Es rächt sich, dass das Spektrum von Herz-Jesu-Sozialisten bis SED-Nachfolger den "kleinen Mann" zum Goldenen Kalb der politischen Agenda gemacht hat. Der "kleine Mann", dem man vorschreiben will, was er zu essen, wie und wann er sich zu bewegen hat. Dem gesagt wird, wann er aus dem Berufsleben auszuscheiden und wie sein Home Office auszusehen hat, ob und wie schnell er Auto fahren, ob und wie viel Bargeld er bei sich tragen und ausgeben darf. Dieser "kleine Mann" wurde von der Nanny-Attitüde der Politik erst erschaffen. Von einer Politik, die Menschen entmündigt, statt sie zu fördern und zu Verantwortlichkeit zu ermutigen. Diese "Kleine-Mann-Politik" ist nicht sozial. Sie beraubt Menschen ihrer Chancen, sich selbst zu entfalten. Sie suggeriert, der Bürger wisse nicht, was für ihn gut und das individuell Richtige ist. Ein starker Staat braucht starke Bürger, die eigenständig denken, entscheiden, handeln. Doch was haben bleierne Jahre angeblich großer Koalitionen gebracht?

Die "Kleine-Mann-Politik" hat Menschen in Bequemlichkeit oder innere Emigration getrieben. Sinkende Wahlbeteiligungen sprechen beredt. Der Staat hat Aufgaben an sich gerissen, die mündigen Bürgern zu überlassen sind. Da, wo er wirklich gefordert ist, versagt er zusehends: Elementares wird nicht umgesetzt, weil Polizei und Verwaltung überfordert sind. Aber wehe, man steht einmal im Halteverbot!

Ein Staat kann nur so stark sein wie die Bürger, die ihn tragen. Daher muss Richtschnur der Politik sein, den Bürgern Freiheit und Verantwortung zu belassen. Wer aus eigener Kraft etwas erreichen kann, hat genug Selbstvertrauen, Ängsten zu trotzen. Es ist eine Frage der Haltung, des Charakters: sich an Muttis Busen zu legen und Vater Staat für das Rund-um-Paket sorgen zu lassen oder Stärke aus dem Anpacken, dem Selbst-in-die Hand-Nehmen, dem Gelingen zu beziehen. Deshalb müssen wir schon unsere Kinder stärken. Weltbeste Bildung von der Krippe an, unabhängig vom sozialen Status der Eltern. Wir müssen Volkserziehung und Bedenkenträgerei durch frische Ideen ersetzen.

Der Staat sollte die Menschen fördern, ihr persönliches Glück zu entwickeln und zu leben, sie darin bestärken, ihre Chancen zu ergreifen. Deshalb: Nehmen wir die Bürger wieder ernst, statt sie zu bevormunden und kleinzuhalten. Dann brauchen wir uns vor extremistischen Brandstiftern nicht zu fürchten. Denn die beziehen ihre Stärke nur aus der Angst der anderen.

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