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Rückbau des Rechtsstaats trifft auf Sturm der Entrüstung

Anti-Korruptionskundgebung in Bukarest im Juni 2018. Bild: CC BY-SA 4.0 commons.wikimedia.org / BabuAnti-Korruptionskundgebung in Bukarest im Juni 2018. Bild: CC BY-SA 4.0 commons.wikimedia.org / Babu
06.07.2018

Dass Botschafter sich in die inneren Angelegenheiten ihres Gastgeberlandes einmischen, ist eine Seltenheit. Dass zwölf Botschaften verbündeter Staaten gemeinsam einen gesetzgeberischen Prozess rügen, umso seltener. So geschehen in Rumänien: Die USA, Deutschland, Frankreich und neun weitere Staaten mahnten die Regierungskoalition, "Veränderungen, die die Rechtsstaatlichkeit und die Fähigkeit Rumäniens zur Bekämpfung von Kriminalität und Korruption schwächen würden, zu vermeiden". Die umstrittene Justizreform, die Massenproteste ausgelöst hatte, wurde am Dienstag trotzdem verabschiedet. Stiftungsexperten Daniel Kaddik und Raimar Wagner nehmen die Entwicklungen im Land unter die Lupe.

Im Zentrum der Kritik steht der Vorwurf, die regierende Parlamentsmehrheit versuche das Strafrecht so abzuändern, dass neben unter anderem auch Amtsmissbrauch weitgehend entkriminalisiert wird. Größter Nutznießer dieser Änderung wäre der wegen Amtsmissbrauch in erster Instanz verurteilte Chef der Sozialdemokraten, Liviu Dragnea, schreiben Kaddik und Wagner. Indes ruft die Zivilgesellschaft wieder zu Protesten auf. Tausende demonstrieren täglich in Bukarest und anderen Städten Rumäniens. Gefordert wird vor allem der Rücktritt von Dragnea als Vorsitzender der Abgeordnetenkammer und die Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz.

Seit 2017 steuere Rumänien einer Zäsur entgegen, konstatieren die Stiftungsexperten. Um sich und ihre Getreuen zu schützen, begebe sich die Dragnea-Regierung zunehmend auf den Kurs der Visegrád-Staaten. Im Januar 2019 werde das Land zum ersten Mal die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen und damit einen entscheidenden Punkt: "Europa wird sich weiterhin in einer tiefen Sinnkrise befinden. Neben der Migrationsfrage, dem Infragestellen der europäischen Werte durch mehr und mehr Mitgliedsstaaten und der nicht ausgestandenen griechischen Misere ist es auch die Frage nach der Zukunft der Union post-Brexit, die es zu klären gilt." Als junger Mitgliedsstaat könnte Rumänien hier ein Zeichen setzen, dafür bedürfe es jedoch einem klaren Bekenntnis zu Europa und der Rechtsstaatlichkeit statt antieuropäischer Rhetorik.

Mehr über die politische Lage im Land sowie die zunehmenden Zerwürfnisse mit der EU und europäischen Institutionen lesen Sie in der Analyse von Kaddik und Wagner. (ch)

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