RÖSLER-Interview für "dpa"
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab der "dpa" (Deutsche Presseagentur) das folgende heute gesendete Interview. Die Fragen stellte UTA WINKHAUS:
Frage: Die Bundeskanzlerin hat sich vergangene Woche überraschend bereiterklärt, die Praxisgebühr zu überprüfen. Sie kommt damit einer zentralen Forderung der FDP nach. Bedeutet das, dass es jetzt auch Bewegung in anderen Streitfragen wie dem Betreuungsgeld und der Rente gibt?
RÖSLER: Die Sachfragen müssen getrennt voneinander behandelt werden. Jedes Thema ist es wert, für sich alleine diskutiert und entschieden zu werden. Um die Praxisgebühr hat es ja nun wirklich einen langen Kampf gegeben. Sie hat die erhoffte Lenkungswirkung verfehlt, deshalb ist es konsequent, die Praxisgebühr abzuschaffen. Außerdem ist es angesichts der Milliardenüberschüsse im Gesundheitswesen sinnvoll,
die Menschen an dieser Stelle zu entlasten.
Frage: Wie schnell könnte die Praxisgebühr gestrichen werden?
RÖSLER: Ich freue mich zunächst einmal, dass es hier Bewegung bei der Union gibt. Das kann aber nur ein erster Schritt sein. Wir brauchen bald eine Grundsatzeinigung, danach müssen die notwendigen Maßnahmen auf den Weg gebracht. Wenn es nach der FDP geht, wird es zu Jahresbeginn 2013 keine Praxisgebühr in Deutschland mehr geben.
Frage: Stimmt es, dass in nächster Zeit ein Spitzentreffen der Koalition geplant ist, bei dem auch der Streit um das Betreuungsgeld gelöst werden soll?
RÖSLER: Das sind die üblichen Spekulationen. Fakt ist: Wir arbeiten an den verschiedenen Themen. Wenn es Entscheidungen gibt, werden wir die Öffentlichkeit rechtzeitig informieren. Das gilt auch für den Termin des nächsten Koalitionsausschusses.
Frage: Wird die FDP mit einer festen Koalitionsaussage in den Bundestagswahlkampf gehen?
RÖSLER: Wir konzentrieren uns erst einmal auf unsere inhaltliche Positionierung, nicht auf Koalitionsfragen. Die FDP steht für stabiles Geld, keine neuen Schulden, eine starke Wirtschaft und starkes Wachstum. Das sind unsere Themen, die wir in den Vordergrund
rücken wollen. Die Oppositionsparteien fahren hier für einen diametral entgegengesetzten Kurs.
Frage: Können Sie eine Ampel definitiv ausschließen?
RÖSLER: Die Bildung einer Koalition ist immer von gemeinsamen Schnittmengen abhängig. Eine zentrale Zukunftsfrage ist, wie wir unseren Wohlstand in Deutschland sichern können. Die Sozialdemokraten setzen hier auf mehr Staat, höhere Steuern und eine Vergemeinschaftung von Schulden. Das ist das Gegenteil von dem, was die FDP für notwendig erachtet. So wie die SPD in den Wahlkampf geht, schließe ich eine Ampelkoalition aus.
Frage: Wie bewerten Sie die Äußerungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble, der einen Staatsbankrott Griechenlands und einen Austritt aus dem Euro praktisch ausgeschlossen hat?
RÖSLER: Wir warten allesamt den Troika-Bericht der internationalen Geldgeber ab, das ist die Position der Bundesregierung. Dabei bleibt es.
Frage: Aber auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hat ja bereits weiter gedacht und über einen neuen Schuldenschnitt für Griechenland spekuliert. Ist das hilfreich?
RÖSLER: Die zentrale Frage lautet doch: Sind die Reformen umgesetzt? Wenn nicht, welche Konsequenzen hat das für das grundlegende Ziel, die Schuldentragfähigkeit wiederherzustellen? Antworten wird der Troika-Bericht liefern, der die Grundlage für die weiteren Entscheidungen ist.
Frage: Am Mittwoch legen Sie die neue Konjunkturprognose der Bundesregierung
vor. Welcher Trend ist absehbar?
RÖSLER: Die wirtschaftliche Entwicklung wird schwieriger werden. Und deswegen sind wir gut beraten, künftig alles dafür tun, unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter zu stärken. Wenn 60 Prozent unserer Exporte nach Europa gehen und 40 Prozent allein in die Eurostaaten, ist klar, dass die Schuldenkrise nicht spurlos an uns vorbeigehen
kann, ebensowenig wie die Abschwächung der Weltwirtschaft.
Frage: Steht Deutschland vor einer Rezession?
RÖSLER: Nein. Wir reden immer noch über Wachstum. Klar ist aber: Die weitere Entwicklung hängt nicht nur vor uns ab, sondern sehr stark auch von den Entwicklungen in der Eurozone.