16.02.2013FDP, FDP-FraktionFinanzpolitik

RÖSLER-Interview für die "Wirtschaftswoche Online"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab der "Wirtschaftswoche online" (aktuelle-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Henning Krumrey:

Frage: Herr Minister, Japan öffnet die Geldschleusen, die USA sparen nicht, die Schweiz hat ihren Wechselkurs eingefroren - laufen wir in einen Währungskrieg?

RÖSLER: Nein, diese Wortwahl ist fehl am Platz. Das sind keine gezielten Aktionen, um die eigene Währung zu schwächen und damit Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Vor solch einem Ansatz könnte ich im Übrigen auch nur warnen. Eine gezielte Beeinflussung der Wechselkurse kann in einen Abwertungswettlauf münden und schafft somit allenfalls größere Unsicherheiten an den Finanzmärkten, die unseren Volkswirtschaften schaden. Unsere Position ist klar: Es ist immer besser, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken anstatt die eigene Währung zu schwächen. Ein Weg des billigen Geldes ist weder für Deutschland noch für Europa oder die USA Erfolg versprechend. Das zeigen schon die Erfahrungen der 70er Jahre.

Frage: Lässt Sie die Kursentwicklung völlig kalt?

RÖSLER: Nein, denn natürlich verschlechtern sich dadurch tendenziell die Chancen für die deutschen Exporte. Aber für die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft spielen viele andere Faktoren eine wichtige Rolle. Zum Beispiel die Energiepreise - diese sind für im weltweiten Wettbewerb stehendende Unternehmen ein Riesenthema. Deshalb setzt sich die FDP auch mit Nachdruck dafür ein, die Kostenspirale bei den Erneuerbaren in Deutschland dauerhaft in den Griff zu bekommen. Bei den Wechselkursen gilt es auch zu bedenken: Ein stabiler Euro macht die Einfuhren günstiger. Im Übrigen weiß gerade unser international ausgerichteter Mittelstand schon jetzt gut mit Wechselkursschwankungen umzugehen.

Frage: Der Vorstoß des französischen Präsidenten Hollande plädiert für das Gegenteil: Wir gehen den einfachen Weg.

RÖSLER: Den Euro gezielt abzuwerten wäre völlig verfehlt und hoch gefährlich. Der Euro hat sich gerade in der Wirtschafts- und Finanzkrise als außergewöhnlich stabil erwiesen. Dies ist Ausdruck des Vertrauens internationaler Investoren, das wir durch eine solche Politik leichtfertig aufs Spiel setzen würden. Ich habe bei meinem Besuch in Paris Anfang Februar klar gesagt: Wir sind Partner, mehr noch Freunde und müssen zu Kompromissen bereit sein. Aber in einem Punkt gibt es eine glasklare Haltung meiner Partei und auch der Bundesregierung: Wir rütteln nicht an der Geldwertstabilität. Das heißt, die Unabhängigkeit der EZB hat für uns oberste Priorität.

Frage: Daran gibt es inzwischen berechtigte Zweifel.

RÖSLER: Als die D-Mark verabschiedet und der Euro eingeführt wurde, hat man den Menschen drei Dinge versprochen: Erstens, jeder Staat haftet für seine Schulden; zweitens, der Euro wird so stabil sein wie die Mark; und drittens, die EZB wird immer so unabhängig sein wie die Bundesbank. Das ist für Deutschland nicht verhandelbar. Das sind nicht nur formalistische Positionen. Denn die Folgen einer Politik des billigen Geldes würden die Menschen konkret spüren.

Frage: Und wie?

RÖSLER: Eine Aufweichung würde vor allem die Mitte unserer Gesellschaft treffen; die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Ihre Ersparnisse und Anlagen würden mittelfristig an Wert verlieren. Dabei haben wir als Politik immer gesagt und auch gefordert, dass die Menschen für das Alter vorsorgen müssen. Diese Vorsorge darf nicht durch Inflation aufgezehrt werden. Wenn man etwa die Lebensversicherungen mit den niedrigen Zinsen und Renditen betrachtet, dann wird klar, dass eine gewollte Abwertung ein falsches Signal wäre. Deshalb muss jeder Versuch verhindern werden, die Geldwertstabilität aufzuweichen.

Frage: Will Hollande eine andere Haltung Europas erreichen, oder genügt es ihm, wenn er mit seinen Forderungen den Euro schwächt und den Kurs drückt?

RÖSLER: Jedem steht frei, seine Position zu vertreten. Ich habe aber den Eindruck, dass eine Politik der gezielten Währungsabwertung in Europa und auch weltweit nicht als der richtige Weg wahrgenommen wird. Die Finanzminister der G7 haben gerade noch einmal bekräftigt, dass Wechselkurse durch die Märkte bestimmt werden sollten und dass Geld- und Fiskalpolitik nicht dazu eingesetzt werden, die Wechselkurse zu beeinflussen.

Frage: Haben Sie Verständnis für die französische Haltung?

RÖSLER: Nun, die französische Regierung hat hier eine Position geäußert. Das ist auch Ausdruck der Sorge um die eigene Wirtschaft.
Frage: Frankreich bleibt das eigentliche Sorgenkind Europas, über das niemand spricht?

RÖSLER: Unsere französischen Partner haben erkannt, welche Schwierigkeiten es in der Industrie gibt, und sie unternehmen deutlich mehr Anstrengungen als in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Die französische Regierung hat es geschafft, die Sozialpartner an einen Tisch zu bringen. Die Reformen in Frankreich sind für Europa, aber auch für uns von hoher Bedeutung. Denn Frankreich ist unser unmittelbarer Nachbar und wichtigster Wirtschaftspartner.

Frage: Bei welchem Wechselkurs sehen Sie die Schmerzgrenze für die deutschen Exporte?

RÖSLER: Wie gesagt: Der Wechselkurs hat natürlich Auswirkungen für die Unternehmen, eine genau definierte Schmerzgrenze kann aber niemand seriös nennen. Sie würde uns auch nicht weiterhelfen. Es geht vielmehr um stabile Rahmenbedingungen für Unternehmen und dazu zählt auch ein Wechselkurs, der nicht durch staatliche Politik künstlich verzerrt wird. Unsere Rekordergebnisse beim Export sind Ausdruck der Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft und der weltweiten Wertschätzung für Produkte "Made in Germany" und nicht Ausdruck einer bestimmten Wechselkursentwicklung. Die Zahlen zeigen: Deutschland und seine Unternehmen können es mit ihren hervorragenden Produkten und Dienstleistungen immer schaffen, wenn wir uns auf unsere Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren.

Frage: Es gibt Berechnungen, nach denen der faire Wechselkurs aufgrund der Wettbewerbsfähigkeit für Deutschland bei 1,53 Dollar für einen Euro läge, für Griechenland nur bei 1,07 Euro.

RÖSLER: Solche Berechnungen sind mit großer Vorsicht zu genießen. Im Euro sind eben Länder mit sehr unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit beisammen. Wir alle wissen, dass die Zeit in der Vergangenheit nicht immer optimal genutzt wurde, um überall konkurrenzfähige Strukturen zu schaffen. Aber nun dürfen wir nicht denselben Fehler, der vor einigen Jahren zu den jetzigen Problemen beigetragen hat, noch einmal machen und wieder zu viel und zu billiges Geld fordern. Jetzt müssen wir uns darauf konzentrieren, das nachzuholen, was früher versäumt wurde.

Frage: Aber die ersten Erfolge der Peripherieländer sind jetzt durch den Wechselkursanstieg schon wieder bedroht.

RÖSLER: Man macht es sich zu einfach, alles am Wechselkurs festzumachen. Zum Beispiel sinken die Zinsen in den Peripherieländern. Und es gibt historisch viele Beispiele für Länder, die auf eine schwache Währung als Strategie gesetzt haben und damit mittel- und langfristig einen großen Misserfolg hatten.

Frage: Ökonomisch ist das richtig. Aber wie sollen die Krisenländer ihre Bevölkerung bei der Stange halten, wenn die Erfolge ruiniert würden?

RÖSLER: Sie sagen selbst: Es ist ökonomisch richtig. Daran führt kein Weg vorbei. Das müssen wir allen Beteiligten immer wieder sagen, die Dinge erklären und die Menschen dabei mitnehmen.

Frage: Aber sitzen die Europäer nicht am kürzeren Hebel? Selbst wenn es keinen vorsätzlichen Abwertungswettlauf gibt, ist doch das Ergebnis dasselbe: So schnell, wie die USA oder Japan Geld drucken, können wir gar nicht besser und effizienter werden.

RÖSLER: Auch für die Amerikaner führt letztlich kein Weg daran vorbei, dass sie an ihrer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten müssen. Obamas jetzige Agenda ist stark auf die Innenpolitik gerichtet. Washington weiß, dass die Infrastruktur verbessert werden muss, die Stromnetze, die Straßen, die Telefonleitungen. Wenn wir in Europa die Hausaufgaben machen, die wir uns vorgenommen haben, dann sind auch wir für die Zukunft gut aufgestellt. Wir dürfen nicht vergessen: Was einmal verloren gegangen ist, kann man nur sehr schwer zurück gewinnen. Das beste Beispiel dafür ist die Industrie.

Frage: Wie können wir es auch gegen die Notenbanken aufnehmen, die nicht so unabhängig sind wie es die EZB noch ist?

RÖSLER: Der Euro hat sich in der Krise als äußerst stabil erwiesen und ist als Anlagewährung weltweit gefragt. Die Inflationsraten seit Einführung des Euro lagen im Durchschnitt niedriger als über weite Phasen in Zeiten der der D-Mark. Das sind alles Faktoren, die sich positiv für unsere Wirtschaft auswirken. Insofern habe ich hier keinen Anlass zur Sorge.

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