27.10.2012FDP

RÖSLER-Interview für die "Saarbrücker Zeitung"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der "Saarbrücker Zeitung" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte WERNER KOLHOFF.

Frage: Vor kurzem haben sie noch einer geordneten Insolvenz Griechenlands das Wort geredet. Da muss es Sie doch schwer stören, wenn das Land jetzt sogar noch zwei Jahre Aufschub beim Sparen und Reformieren bekommen soll.

RÖSLER: Grundlage unserer Entscheidung ist der Troika-Bericht. Den müssen wir abwarten. Er wird zeigen, ob sich der internationale Druck gelohnt hat und die griechische Regierung Fortschritte bei den Reformvereinbarungen belegen kann. Weitere Hilfen oder einen zeitlich begrenzten Aufschub wird es nur dann geben, wenn Griechenland erkennbare Reformanstrengungen auf den Weg gebracht hat.

Frage: Ist die Zustimmung der FDP-Fraktion im Bundestag zu einem dritten Hilfspaket für Griechenland denkbar?

RÖSLER: Bei der jetzigen Diskussion geht es um Hilfen für Griechenland aus dem laufenden Programm. Für ein drittes Paket sehe ich derzeit keine politische Mehrheit.

Frage: Fast noch schlechter als Griechenland geht es der FDP. Drei Prozent in der letzten Umfrage. Warum kommt Ihre Partei nicht aus dem Keller heraus?

RÖSLER: Mit Verlaub: Ihren Vergleich halte ich für unzulässig. Wir müssen weiter für unsere Themen kämpfen. Dabei geht es um die Stabilität unserer Währung, um bezahlbaren Strom, die Sicherung von Arbeitsplätzen und keine neuen Schulden. Die wirtschaftliche Lage wird 2013 schwieriger werden. Hier liegen wir mit unseren Themen genau richtig.

Frage: Müssen Sie sich die schlechten Werte nach nunmehr eineinhalb Jahren im Amt als FDP-Vorsitzender auch persönlich anrechnen lassen?

RÖSLER: Ich richte den Blick nach vorne. Wenn es gelingt, unsere Inhalte geschlossen zu vertreten, dann wird es wieder aufwärts gehen.

Frage: Hängt Ihr politisches Schicksal als FDP-Vorsitzender und letztlich auch als Wirtschaftsminister und Vizekanzler vom Ausgang der Niedersachsen-Wahl im Januar ab?

RÖSLER: Bei der Wahl geht es um die Zukunft der Menschen in Niedersachsen. CDU und FDP haben dort Enormes geleistet. Beim Wachstum liegt Niedersachsen mittlerweile auf Platz zwei in Deutschland. Mit Haushaltsdisziplin und Bildung setzt die FDP auf wichtige Zukunftsthemen. Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass die Wahl für uns ein Erfolg wird.

Frage: Neuerdings betonen Sie das Thema Haushaltskonsolidierung. Das ist wenig glaubwürdig, wenn sie am 4. November beim Koalitionsgipfel dem zwei Milliarden Euro teuren Betreuungsgeld zustimmen sollten.

RÖSLER: Bei allen Ausgaben müssen wir immer die Haushaltskonsolidierung im Blick behalten. Darauf pocht die FDP. Wir wollen, dass diese Regierung ein Signal der Stabilität setzt und damit auch eine Vorbildfunktion in Europa übernimmt. Bisher ist ein ausgeglichener Haushalt erst 2016 vorgesehen. Hier müssen wir uns ehrgeizigere Ziele vornehmen. Der Weg hin zur schwarzen Null ist bereits im Haushalt 2014 möglich, wenn wir uns gemeinsam anstrengen.

Frage: Ist das die Bedingung für ihr Ja zum Betreuungsgeld?

RÖSLER: Mehr Anstrengungen bei der Haushaltskonsolidierung gilt auch für das Betreuungsgeld, bei dem wir auf die Finanzierbarkeit achten sollten. Wir müssen prüfen, ob wir auch hier zu Einsparungen kommen. Und zu einer Bildungskomponente, die ich für notwendig halte. Daneben konzentrieren wir uns auf die Abschaffung der Praxisgebühr. Dringender Handlungsbedarf besteht auch bei der Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.

Frage: Den Zeitplan von Umweltminister Altmaier für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes halten Sie für zu langatmig?

RÖSLER: Jeden Monat gehen neue EEG-Anlagen ans Netz, die 20 Jahre lang vergütet werden müssen. Da ist ein Abwarten angesichts steigender Kosten für erneuerbare Energien nicht hinnehmbar. Die FDP hat Vorschläge auf den Tisch gelegt, wie Strom bezahlbar bleibt. Wir wollen das jetzige EEG mit seiner planwirtschaftlichen Ausrichtung in ein System mit mehr Markt und Wettbewerb überführen. Ich sehe keinen Grund, länger als nötig damit zu warten.

Frage: Schwarze Null beim Haushalt 2014 heißt für Sie Nullkommanull Euro neue Schulden oder gibt es noch Spielraum?

RÖSLER: Wir müssen zeigen, dass wir gewillt sind, die schwarze Null zu erreichen. Hier wünsche ich mir vom Koalitionspartner noch mehr Bewegung. Wir brauchen deshalb jetzt ein klares, gemeinsames Signal. 2014 sind derzeit 13 Milliarden Euro neue Schulden eingeplant. Es lohnt jede Anstrengung, davon herunterzukommen.

Frage: Ist auch die Aufhebung der Praxisgebühr für sie eine Voraussetzung für ein Ja zum Betreuungsgeld?

RÖSLER: Jedes Thema wird für sich besprochen, dabei bleibt es. Die Praxisgebühr hat die gewünschte Lenkungswirkung nicht erreicht und bürokratischen Aufwand verursacht, unter dem das Arzt-Patienten-Verhältnis leidet. Die Abschaffung der Praxisgebühr ist der beste Weg, die Menschen zu entlasten.

Frage: Nun hat Angela Merkel schon im Vorfeld des Gipfels erklärt, dass man die Abschaffung der Praxisgebühr prüfen könne. Stört es Sie, wenn die Kanzlerin Ihnen so auch noch diesen kleinen Triumph wegnimmt?

RÖSLER: Ich freue mich, dass auch die Union inzwischen aufgeschlossener ist. Allerdings gibt es noch viele Widerstände. Ich baue auf die Kraft unserer Argumente, die für eine Abschaffung der Praxisgebühr sprechen.

Frage: Haben Sie den Verdacht, dass die Union für die nächste Legislaturperiode längst andere Optionen im Auge hat, die Große Koalition oder Schwarz-Grün?

RÖSLER: Wir schauen nicht zur Seite, sondern konzentrieren uns auf unsere Arbeit, auch in der Koalition. Unsere Erfolge sind dabei unbestreitbar. Gerade mit Blick auf unsere gemeinsame Währung sind die Unterschiede zur Opposition deutlich erkennbar. CDU und FDP haben die Stabilitätsunion auf den Weg gebracht. SPD und Grüne wollen mehr Schulden und Eurobonds. Inhaltliche Übereinstimmungen kann ich da nicht erkennen.

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