06.04.2013FDP, FDP-FraktionAußenpolitik

RÖSLER-Interview für die "Passauer Neue Presse"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der "Passauer Neuen Presse" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte RASMUS BUCHSTEINER:

Frage: Die Enthüllungen mit den Datensätzen über ein weltweites Netzwerk von Steueroasen und Steuerbetrug schlagen hohe Wellen. Sollten deutsche Behörden das Material auf der Suche nach Steuersündern nutzen?

RÖSLER: Steuerhinterziehung muss konsequent verfolgt werden. Entscheidend ist deshalb, dass diese Daten jetzt auch den zuständigen Finanzbehörden der Länder zur Verfügung gestellt werden, um sie auswerten zu können.

Frage: Ist es Zeit für mehr Kompetenzen des Bundes im Kampf gegen Steuersünder - eine Art Steuer-FBI?

RÖSLER: Die Steuerfahndung in vielen Ländern gilt gemeinhin als sehr schlagkräftig. Insofern muss man das genau abwägen.

Frage: Auch Zypern galt jahrelang als Steueroase: Wird Schwarz-Gelb im Bundestag bei der Abstimmung über das Hilfspaket eine eigene Mehrheit haben?

RÖSLER: Mit dem Hilfspaket ist jedenfalls ein gutes Signal verbunden: Es war richtig, die Gläubiger der Banken mit einem hohen Vermögen in die Verantwortung zu nehmen. Ich bin überzeugt: Das wird die Abgeordneten in allen Fraktionen überzeugen.

Frage: Wann werden die Auswirkungen der Euro-Krise voll auf die Wirtschaft in Deutschland durchschlagen?

RÖSLER: Es gibt allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Das Winterhalbjahr war schwierig. Es sieht aber so aus, als hätten wir das Schlimmste hinter uns. Die Konjunktur wird im Laufe des Jahres wieder anziehen. Diese positive Entwicklung wird sich auch 2014 fortsetzen.

Frage: Gut fünf Monate noch bis zur Bundestagswahl: Wird soziale Gerechtigkeit zum Streitthema Nr. 1?

RÖSLER: Die FDP steht für Chancen- und Leistungsgerechtigkeit. SPD und Grüne hingegen setzen allein auf Umverteilung und vor allem auf weitere Belastungen. Das ist das genaue Gegenteil zu unserer Haltung. Es ist erstaunlich, wie Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat von der SPD-Linken gesteuert wird. Seine jüngste Forderung, die Sozialversicherungsbeiträge massiv zu erhöhen, ist absurd. Das würde zu weiteren Kostensteigerungen für Arbeitnehmer und Unternehmen führen.

Frage: Steinbrück hat gerade in Paris den Schulterschluss mit Präsident Francois Hollande gesucht. Welches Signal geht von diesem Besuch aus?

RÖSLER: Es ist schon bemerkenswert, dass Herr Steinbrück nach Frankreich reist, um sich dort Rat zu holen. Umgekehrt werden die Konzepte der SPD unseren französischen Freunden sicher nicht helfen, aus den wirtschaftlichen Schwierigkeiten herauszukommen. Die Folgen sozialistischer Experimente kann man bei unseren Nachbarn leider genau beobachten: weniger Investitionen, Rückgang des Wachstums und Verwerfungen am Arbeitsmarkt.

Frage: Stichwort Arbeitsmarkt: Plötzlich ist auch die FDP offen für Mindestlöhne. Eine Kurskorrektur, allein um im Wahlkampf auch soziale Gerechtigkeit als Thema besetzen zu können?

RÖSLER: Es bleibt dabei: Die FDP ist gegen einen flächendeckenden gesetzlichen, einheitlichen Mindestlohn. Aber wir schauen uns die Lebenswirklichkeit der Menschen an. Wir brauchen faire Löhne für alle Beschäftigten in Regionen und Branchen, in denen es keine funktionierende Tarifpartnerschaft gibt. Hier besteht Handlungsbedarf. Darauf wollen wir bei unserem Bundesparteitag im Mai eine Antwort geben.

Frage: Die FDP hat "eine klare Koalitionsaussage" angekündigt. Bedeutet das Schwarz-Gelb oder zurück in die Opposition?

RÖSLER: Die Arbeit dieser Koalition aus Union und FDP ist sehr erfolgreich. Wir wollen sie fortsetzen. Das bleibt unser Ziel. Darauf konzentrieren wir uns.

Frage: "Sagen, was man will, aber nicht alles ausschließen", rät Hans-Dietrich Genscher. Wollen Sie sich bewusst die Option einer Ampel-Koalition offenhalten?

RÖSLER: Wir sagen deutlich, wohin wir wollen. Wir kämpfen um einen neuen Wählerauftrag für Schwarz-Gelb. Das ist unsere klare Botschaft.

Frage: Genscher hat gerade mit Christian Lindner ein Buch veröffentlicht und bringt ihn so als "Mann der Zukunft" in Stellung. Eine Gefahr für Ihre Autorität als Parteivorsitzender?

RÖSLER: Das Buch stößt die Diskussion über den Liberalismus und seine Zukunft in Deutschland wieder neu an. Insofern ist das ein wichtiger Debattenbeitrag, über den ich mich sehr gefreut habe.

Frage: Wird die FDP mit neuen milliardenschweren Steuerentlastungsversprechen in den Wahlkampf ziehen?

RÖSLER: Für uns steht die Haushaltssanierung im Vordergrund. Für 2014 haben wir uns bereits auf einen strukturell ausgeglichenen Haushalthalt verständigt. 2015 wollen wir einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden erreichen. Wenn sich Spielräume ergeben, reden wir auch über die dringend notwendige Entlastung der Mittelschicht. Wir haben die Menschen und Unternehmen in den letzten drei Jahren bereits um 17 Milliarden Euro entlastet, hinzu kommt die Senkung des Rentenbeitrags und die Abschaffung der Praxisgebühr. Das zeigt, dass wir es ernst meinen.

Frage: Viele Unternehmen in Deutschland klagen über fehlende qualifizierte Bewerber. Droht Fachkräftemangel zu einer Wachstumsbremse zu werden?

RÖSLER: Wir brauchen dringend mehr Fachkräfte, nicht nur aus dem Inland. Es wird nicht reichen, mehr Frauen und mehr ältere Arbeitnehmer in Beschäftigung zu bringen und sie zu halten. Es ist Zeit, die qualifizierte Zuwanderung in den ersten Arbeitsmarkt besser zu steuern. Ich bin dafür, in Deutschland ein Punktesystem zum Beispiel nach kanadischem Vorbild einzuführen.

Frage: Sie sprechen immer davon, Deutschland sei das "coolste Land der Welt ". Träumen wirklich so viele Fachkräfte vom deutschen Arbeitsmarkt?

RÖSLER: Deutschland braucht eine echte Willkommenskultur. Hier hat sich vieles zum Positiven verändert. Wir dürfen aber nicht nachlassen, müssen etwa im Ausland noch stärker werben. Zu einem guten Angebot gehört auch die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft. Dem sollten sich CDU und CSU nicht länger verweigern.

Frage: Die Energiewende wird offenbar immer teurer. Experten halten einen Anstieg der EEG-Umlage auf mehr als sieben Cent für möglich. Ein realistisches Szenario?

RÖSLER: An Spekulationen über konkrete Zahlen werde ich mich nicht beteiligen. Ich habe aber immer davor gewarnt, dass die Strompreise weiter stark steigen werden, wenn uns keine grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gelingt.

Frage: Die Länder lehnen die Vorschläge von Bundesumweltminister Altmaier und Ihnen für eine Strompreisbremse ab. Besteht überhaupt noch die Chance auf einen Durchbruch vor der Bundestagswahl?

RÖSLER: Darauf hoffe ich sehr. Die Strompreisbremse wäre zwar ein guter Fortschritt, aber kein Ersatz für eine Grundsatzreform des EEG. Wir müssen endlich weg von der Übersubventionierung von Ökostrom in Deutschland. Sonst werden die Stromkunden weiter massiv belastet.

Frage: CSU-Chef Horst Seehofer fordert die Senkung der Stromsteuer als Sofortmaßnahme. Hat er dafür die Zustimmung der FDP?

RÖSLER: Entscheidend ist, dass bei der Strompreisbremse am Ende ein Gesamtpaket herauskommt, das wirkungsvoll ist und den Namen verdient. Deshalb brauchen wir auch Einschnitte bei der Ökostrombranche. Hier müssen sich die Länder bewegen.

Frage: Russlands Präsident Vladimir Putin kommt zur Hannover-Messe: Zeit für ein klares Wort von Kanzlerin und Bundesregierung in Sachen Menschenrechte und für Kritik am Vorgehen gegen deutsche Stiftungen in Russland?

RÖSLER: Razzien gegen deutsche Stiftungen sind nicht akzeptabel. Darauf hat die Bundesregierung mehrfach in aller Klarheit hingewiesen. Das gilt im Übrigen nicht nur für Russland, sondern für alle Länder, in denen Stiftungen oder Nichtregierungsorganisationen pauschalen Verdächtigungen unterliegen.

Frage: Themenwechsel: Der Streit über die Vergabe der Presseplätze beim Münchener NSU-Prozess, bei der türkische Medien nicht zum Zuge gekommen sind, geht weiter. Wie könnte eine Lösung aussehen?

RÖSLER: Ich verstehe das große öffentliche Interesse in der Türkei an dem NSU-Verfahren. Dass die Menschen dort besonders betroffen reagieren, kann ich sehr gut nachvollziehen, schließlich waren acht türkischstämmige Männer unter den Opfern dieser schrecklichen Mordserie. Ich hoffe, dass noch eine Lösung gefunden wird und auch türkische Journalisten unmittelbar über den Prozess berichten können. Gleichwohl liegt die Entscheidung darüber bei der Justiz.

Frage: Sie reisen in der nächsten Woche in die Türkei. Wie lassen sich die jüngsten Irritationen im deutsch-türkischen Verhältnis ausräumen?

RÖSLER: Die Türkei ist ein enger Partner und Freund Deutschlands. Ich gehe davon aus, dass auch die Aufarbeitung der NSU-Morde Gesprächsthema sein wird. Diese Morde waren menschenverachtende, nicht hinnehmbare Verbrechen. Und wer Schuld trägt, muss sich in Deutschland vor einem Gericht verantworten. Die bei uns lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln bereichern unsere Gesellschaft.

Frage: "Dummheit lässt sich nicht verbieten" - so haben Sie das Nein der FDP zu einem neuen NPD-Verbotsverfahren begründet. Stehen Sie weiter zu diesem Satz?

RÖSLER: Ich habe sehr deutlich gemacht, dass man die menschenverachtende Ideologie der NPD und der Rechtsextremen politisch bekämpfen muss. Ein Verbotsverfahren birgt zu hohe Risiken. Das kann niemand wollen.

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