12.10.2012FDPEnergiepolitik

RÖSLER-Interview für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten JAN HAUSER und ANDREAS MIHM:

Frage: Herr Minister, warum hat Deutschland den geplanten Zusammenschluss von EADS und BAE Systems verhindert?
RÖSLER: Verhindert haben wir nichts. Die Bundesregierung hat die Gespräche über eine mögliche Fusion konstruktiv geführt und hierbei ihre industriepolitischen Interessen zum Wohl der deutschen Standorte und deren technologischen Fähigkeiten vertreten. Am Ende konnten sich alle beteiligten Regierungen auf Basis der von den Unternehmen gemachten Angebote nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen. Zugleich haben die Märkte gezeigt, dass sie dem Unternehmen EADS auch in der jetzigen Konstellation vertrauen.
Frage: Werden die Stromverbraucher nächstes Jahr 20 Milliarden Euro zur Förderung von Ökostrom nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zahlen müssen, 6 Milliarden mehr als dieses Jahr?

RÖSLER: Wir werden bei der EEG-Umlage in jedem Fall in eine Größenordnung kommen, die zeigt, dass wir alles tun müssen, um den Strompreis für Verbraucher und Unternehmen in den Griff zu bekommen.

Frage: Die Umlage steigt von 3,59 Cent auf voraussichtlich 5,3 Cent je Kilowattstunde. Hatten Sie nicht versprochen, die Umlage werde 3,5 Cent nicht übersteigen?

RÖSLER: Ich habe immer auf die drohenden Preissteigerungen hingewiesen. Unser Ziel war und ist es deshalb, den Strompreis zu stabilisieren. Das wird man nur erreichen können, indem man radikal an das EEG rangeht und zwar noch in dieser Legislaturperiode. Wir müssen hier weg von Planwirtschaft, hin zu mehr Marktwirtschaft. Dazu haben wir als FDP ein Modell vorgelegt: Kurzfristig brauchen wir neben einem Mengenmodell auch eine Strompreisbremse. Deshalb sollte die Stromsteuer um den Anteil reduziert werden, den die Mehrwertsteuereinnahmen alleine wegen der erhöhten EEG-Umlage zunehmen.

Frage: Nur macht da die Union nicht mit. Frau Merkel sagt: "Wir planen dazu keine direkten Gegenmaßnahmen."

RÖSLER: Dass die Union sich nach wie vor weigert, etwas gegen die hohen Strompreise zu tun, ändert nichts daran, dass unsere Ziele richtig sind. Und vielleicht bringt die jetzt an Fahrt gewinnende Strompreis-Debatte ja auch CDU und CSU noch einen Erkenntnisgewinn. Wir Liberale können jedenfalls nicht einfach weiter tatenlos zusehen, wie der Strompreis weiter steigt und damit Arbeitsplätze im Industriestandort Deutschland gefährdet. Das wäre ein Fehler.

Frage: Bei der Steuer geht es um rund 1 Milliarde Euro. Aber auf der Stromrechnung des Einzelnen geht das doch im Rauschen unter. Wo ist da der politische Gewinn?

RÖSLER: Es wäre ein Zeichen dafür, dass die Politik das Problem erkannt hat und es angeht. Übrigens ist die Stromsteuer eine reine Bundessteuer. Hier kann man also nicht den Bundesrat als Gegenargument vorschieben. Die Senkung der Stromsteuer ist ein kurzfristiges Instrument, es wäre nur der erste Schritt. Langfristig müssen die Erneuerbaren an den Markt gebracht werden. Wir wollen ihnen je nach Erzeugungsart einen festen Zuschlag auf den Börsenpreis geben und sie dann dazu bringen, ihren Strom zu verkaufen, wenn er gebraucht wird. Wir müssen Schluss machen mit der Planwirtschaft bei den Erneuerbaren. Das ist ineffizient und wird für die Verbraucher zu teuer, wie man gerade sieht. Das kann man mit etwas gutem Willem und echtem Engagement bei allen Beteiligten noch in dieser Legislaturperiode umsetzen.

Frage: Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat am Donnerstag eigene Vorschläge für eine Reform des EEG vorgelegt. Wie bewerten Sie dieses?

RÖSLER: Grundsätzlich ist es gut, wenn alle Beteiligten erkennen, dass wir uns mit dem EEG in seiner jetzigen Form energiewirtschaftlich gesehen auf einem Holzweg befinden.

Frage: Aber die Union bewegt sich Ihrer Auffassung nach nicht weit genug?

RÖSLER: Entscheidend ist, dass jetzt auch wirklich Taten folgen. Ankündigungen reichen nicht mehr aus. Wir brauchen eine grundlegende Reform des EEG und zwar noch in dieser Legislaturperiode. Ein Verschleppen der Reform können wir uns auch mit Blick auf die Akzeptanz der Energiewende nicht mehr leisten.

Frage: Herr Altmaier will die Kosten auch dadurch senken, dass die Verbraucher besser über Energiesparmöglichkeiten aufgeklärt werden.

RÖSLER: Aufklärung und Information der Verbraucher und Unternehmen ist notwendig, um Energieeffizienz zu steigern. Deshalb macht das Wirtschaftsministerium das seit 1978. Seit fast 35 Jahren fördern wir die Energieberatung für Verbraucher und auch für Betriebe. Der mündige Verbraucher ist allemal besser als der Zwang des Ordnungsrechts. Aber eines ist klar: Beratung alleine reicht nicht, um die Stromkosten in den Griff zu bekommen.

Frage: Die EEG-Umlage müsste nicht so stark steigen, wenn Ihre Regierung nicht die Ausnahmen für die Wirtschaft ausgeweitet hätte. Alles in allem summieren sich diese samt Stromsteuervorteil und Netzentgeltbefreiung auf immerhin 9 Milliarden Euro.

RÖSLER: Als Wirtschaftsminister kämpfe ich für verlässliche und bezahlbare Energie für 80 Millionen Menschen, für 40 Millionen Haushalte und für 4 Millionen Betriebe, darunter viele kleine mittelständische. Viele Unternehmen stehen international im Wettbewerb und häufig sind die Energiekosten bei Investitionen oder eben auch Abwanderungen ausschlaggebend. Das ist eine wichtige Standortfrage. Die Bezahlbarkeit von Energie im Auge zu behalten sichert Arbeitsplätze. Deshalb sind diese Befreiungen richtig und wichtig, denn hier geht es um Jobs. Als Wirtschaftsminister braucht man sich dafür definitiv nicht zu entschuldigen.

Frage: Auch im Netzausbau, für den Sie zuständig sind, läuft es nicht rund.

RÖSLER: Im Gegenteil. Wir sind hier im Zeitplan und auf einem guten Weg. Derzeit laufen öffentliche Konsultationen. Wir werden alles dafür tun, dass das Bedarfsplangesetz auf Basis des Bundesnetzplans zum Jahreswechsel verabschiedet werden kann. Es gibt hier eine gute Zusammenarbeit mit den Ländern. Das Problem liegt woanders. Es kann nicht sein, dass wir 16 verschiedene Ausbauziele für erneuerbare Energien haben, die nicht mit einander abgestimmt sind. Wir müssen den Ausbau der Erzeugung und der Netze besser synchronisieren. Nur da, wo es ein entsprechendes Netz gibt, können wir die Erneuerbaren ausbauen. Alles andere ist unwirtschaftlich und macht keinen Sinn.
Frage: Sie planen Eingriffe in den Strommarkt, um die Versorgungssicherheit im Winter zu sichern. Droht ein Stromausfall?

RÖSLER: Wir hatten im letzten Winter eine angespannte Lage, und die Eingriffe der Netzbetreiber zur Netzstabilisierung nehmen zu. Wir passen da sehr genau auf, denn Deutschland kann es sich nicht leisten, auf Versorgungssicherheit zu verzichten. Ich begrüße es, wenn die Wirtschaft selbst Verantwortung übernimmt, um die Versorgungssicherheit zu garantieren, indem sie auch Kraftwerke, die vielleicht nicht voll wirtschaftlich sind, am Netz hält.

Frage: Aber sie wollen doch gerade hier den Unternehmen gesetzlich verbieten, unwirtschaftliche Kraftwerke abzuschalten?

RÖSLER: In der Abwägung von Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit habe ich mich als Wirtschaftsminister immer für Versorgungssicherheit zu entscheiden. Und das tue ich auch hier. Deswegen habe ich auch zunächst sehr für eine freiwillige Selbstverpflichtung plädiert. Parallel mussten wir aber für den Fall des Scheiterns dieser Bemühungen an einer gesetzlichen Lösung arbeiten, um handlungsfähig zu bleiben. Gesetzliche Maßnahmen in diesem Bereich sind vielleicht nicht schön, aber unsere Vorschläge sind zielgenau im Interesse der Versorgungssicherheit - temporär und regional. In Abwägung zwischen "Nicht schön" und Versorgungssicherheit entscheide ich mich immer für die Versorgungssicherheit.

Frage: Ist diese "kalte Reserve", die Sie nun planen, nur der Vorlauf für eine spätere "stille Reserve" oder für andere Mechanismen, mit den der Neubau von Kraftwerken bezuschusst werden soll?

RÖSLER: Damit nehmen wir keine noch zu treffende Entscheidung vorweg. Es handelt sich einfach um eine Notfallmaßnahme für den nächsten Winter.

Frage: In der Branche ist man sich sicher, dass um 2020 eine Versorgungslücke geben wird, wenn der Gesetzgeber keine Zuschussregelung findet. Sehen Sie das auch so?

RÖSLER: Jeder, der investiert, braucht Planungssicherheit. Wegen des langen Vorlaufs müssen wir klären, wie der Markt 2020 aussieht und das bis 2015 entscheiden. Deswegen arbeiten wir jetzt an der Frage, wie die Lücke vermieden und der Markt gestaltet sein soll.

Frage: Werden Sie dazu noch in dieser Legislaturperiode eigene Vorschläge auf den Tisch legen?

RÖSLER: Das kann man zusammen mit der EEG-Novelle des Kollegen Altmaier noch innerhalb der nächsten 12 Monate erwarten.

Frage: Sie haben noch viel vor, in dieser Legislaturperiode?

RÖSLER: Und nicht nur in dieser.

Frage: Würden Sie auch mit Peer Steinbrück weitermachen?

RÖSLER: Wie denn? Herr Steinbrück ist unbestreitbar eine respektable Persönlichkeit. Aber die SPD legt ihm Fußfesseln an. Die SPD von heute ist zurückgefallen in die 70-er Jahre. Weil er nur für diese Partei kandidieren kann, die er vorfindet, will auch Peer Steinbrück jetzt Steuererhöhungen, neue Schulden, Vergemeinschaftung von Schulden auf europäischer Ebene. Das ist für uns Liberale nicht akzeptabel. Peer Steinbrück ist nicht mehr als eine nette Galionsfigur an einem morschen Kahn.

Frage: Das ist eine Absage an Rot-Grün-Gelb?

RÖSLER: Das ist eine klare Absage an eine verfehlte sozialdemokratische Politik 2012. Die FDP steht für stabiles Geld, keine neuen Schulden, gesundes Wachstum. Und die SPD stellt sich dagegen. So ist es leider.

Frage: Für Sie gibt es nur Schwarz-Gelb?

RÖSLER: Für mich zählt der Inhalt, nicht die Verpackung.

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