21.10.2012FDP

RÖSLER-Interview für die "Bild am Sonntag"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab der "Bild am Sonntag" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten ROMAN EICHINGER und MARTIN S. LAMBECK:

Frage: Herr Minister, wie hat sich SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bis jetzt geschlagen?

RÖSLER: Peer Steinbrück ist eine respektable Persönlichkeit. Aber wir sehen doch alle, wie er sich der altbackenen SPD der 70er/80er-Jahre anpasst. Von Beinfreiheit ist da nichts zu erkennen.

Frage: Sie wollen keine Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP. Heißt das: Keine Gespräche mit Steinbrück nach der Wahl?

RÖSLER: Wenn ich sage, wir stehen für stabiles Geld, Wachstum und solide Haushalte ohne neue Schulden, dann sind das genau die Themen, bei denen die SPD versagt. Wir lassen uns von einer verkorksten Kandidatenkür der SPD nicht täuschen. Die SPD steht heute für mehr Schulden, eine schlechte Wirtschaftspolitik und mehr Belastung für die Menschen.

Frage: Am 4. November wollen sich die Spitzen der Regierung endlich mal wieder zu einem Koalitionsausschuss treffen. Was will die FDP ein Jahr vor der Wahl noch durchsetzen?

RÖSLER: Eine Regierung ist zum Entscheiden gewählt. Und genau das werden wir tun. Die Haushaltskonsolidierung ist eines unserer wichtigsten Themen. Jetzt ist die Zeit für die entscheidende Wende gekommen, weg von neuen Schulden, weg von nicht zu finanzierenden Wohltaten, keine neuen Steuern. Die Menschen müssen sonst wieder die Zeche zahlen. Stattdessen wollen wir Entlastungen zum Beispiel bei der Praxisgebühr. Vor allem aber kämpfen wir für bezahlbare Energie.

Frage: Wer ist verantwortlich dafür, dass Energie so teuer wird?

RÖSLER: Verantwortlich ist die überzogene Förderung erneuerbarer Energien. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist reine Planwirtschaft. Wir brauchen schnell ein neues System zur Förderung der erneuerbaren Energien. Wir brauchen mehr soziale Marktwirtschaft. Das Modell der FDP liegt auf dem Tisch. Nur so bekommen wir die steigenden Preise in den Griff. Jetzt heißt es zu handeln.

Frage: Sie wollen die Stromsteuer senken, die Union sagt Nein. Was machen Sie, wenn die Kanzlerin bei ihrem Nein bleibt?

RÖSLER: Ja, die FDP macht Druck für bezahlbare Energie. Wir alle können nicht weiter tatenlos zuschauen, wie die Strompreise nach oben schnellen. Das gilt für 80 Millionen Menschen, 40 Millionen Haushalte und 4 Millionen mittelständische Betriebe. Wir haben sehr konkrete Vorschläge vorgelegt. Bei der Stromsteuer steht nicht einmal der Bundesrat dazwischen.

Frage: Was bedeutet Ihr Sparkurs für das umstrittene Betreuungsgeld?

RÖSLER: Das Modell der Union für ein Betreuungsgeld kostet viel Geld, ist nicht gegenfinanziert und eine Bildungskomponente fehlt völlig. Daran muss gearbeitet werden, wenn es überhaupt kommen soll. Wir erwarten nur wenig Wachstum im nächsten Jahr, mehr gibt die weltweite Entwicklung nicht her. Gerade deshalb kommt es darauf an, alles für die Stärkung unserer Wirtschaft und für die Arbeitsplätze zu tun. Das heißt: solide Haushalte. Schädlich sind solche nicht finanzierten Vorschläge wie eine Großelternzeit oder die beitragsfinanzierte Zuschussrente.

Frage: Was ist daran so schlimm?

RÖSLER: Wir müssen uns um die Altersarmut kümmern. Die beste Gegenmaßnahme ist ein Job. Die Zuschussrente ist eine Einheitsrente. Sie geht zulasten der Rentenversicherungskassen. Die Menschen wollen weder eine Umverteilung ihrer Rentenbeiträge noch deren Anstieg. Gerade senken wir doch die Beiträge, und das schafft Arbeitsplätze.

Frage: Gibt es bei der Praxisgebühr eine Lösung?

RÖSLER: Die Praxisgebühr hat ihren Zweck erkennbar nicht erfüllt. Die Zahl der Arztbesuche hat sich nicht verringert. Arzthelferinnen und Praxen leiden aber enorm unter dieser bürokratischen Maßnahme. Vor allem aber leiden die kranken Menschen, die zum Arzt wollen. Die Krankenkassen hingegen haben gewaltige Überschüsse. Wir müssen das Geld den Menschen zurückgeben, die es hart erarbeitet haben. Ich freue mich, dass es da endlich Bewegung bei der Union gibt.

Frage: Die Innenminister Schünemann (CDU, Niedersachsen) und Friedrich (CSU, Bund) warnen vor einem Massenansturm an Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien. Muss die Visafreiheit für diese Länder ausgesetzt werden?

RÖSLER: Wir sollten keine neue Asyldebatte herbeireden. Die Visafreiheit ist außerdem eine große Errungenschaft, von der nicht nur Menschen sondern auch unsere Unternehmen profitieren. Sie darf nicht einfach zur Disposition gestellt werden.

Frage: In der politischen Stimmung ist die FDP bei 1 Prozent, in allen Wahlumfragen unter 5 Prozent. Ihnen ist es also in eineinhalb Jahren als Parteichef nicht gelungen, die FDP zu stabilisieren. Die Partei steht heute schlechter da als am Ende der Ära Westerwelle. Wenn dies so bleibt, machen Sie dann noch vor der Bundestagswahl den Weg frei für eine neue Führung?

RÖSLER: Die FDP hat 2012 schon mehrfach gezeigt, dass mit guter Politik, mit einem glaubwürdigen personellen Angebot Wahlen zu gewinnen sind. Bei Stefan Birkner und seiner Mannschaft in Niedersachsen habe ich keine Zweifel, dass sie Rückhalt bei den Bürgern am Wahltag bekommen werden. Die schwarz-gelbe Regierung in Niedersachsen hat eine großartige Bilanz vorzuweisen. Jede andere Konstellation als Schwarz-Gelb wirft das aufstrebende Land wieder zurück. Die Niedersachsen wissen zu schätzen, was sie haben.

Frage: CSU-Generalsekretär Dobrindt hat Sie aufgefordert, "endlich" mehr Führung in der FDP zu zeigen, zu entscheiden, zu handeln und Orientierung zu geben. Zu Recht?

RÖSLER: Die CSU ist ganz offensichtlich verärgert, dass wir das Betreuungsgeld so nicht akzeptieren. Es wäre besser, die Ursachen bei ihrem Modell und nicht bei der FDP zu suchen.

Frage: In den letzten Tagen gab es neue Putschgerüchte gegen Sie als Parteichef . . .

RÖSLER: Als ich Parteichef wurde, hat mir einer meiner Vorgänger Kandidaten genannt, die sich als Erste kritisch melden werden. Was soll ich sagen? Bisher gab es da keine Überraschung.

Frage: Wie halten Sie den Druck und Angriffe wie die Ihres Parteifreundes Kubicki aus?

RÖSLER: Ich weiß das einzuordnen und freue mich, wenn es neben der Kritik auch konstruktive Mitarbeit gibt. Vor allem freue ich mich, dass es ansonsten der gesamten Partei um den gemeinsamen Erfolg geht und nicht um die persönliche Bespiegelung. Wir sind die Partei der Freiheit und der Verantwortung.

Frage: Der EU-Gipfel hat beschlossen, dass die Bankenunion im nächsten Jahr kommt. Heißt das, dass dann deutsche Sparer und Steuerzahler für die Schulden ausländischer Banken haften?

RÖSLER: Nein. Der Plan zur Bankenaufsicht sieht vor, dass die Europäische Zentralbank beobachten und gegebenenfalls eingreifen kann, gerade damit dem Steuerzahler nichts aufgebürdet wird. Wir haben ja in Deutschland die BaFin als Modell dafür, die aktiv werden kann, wenn durch eine marode Bank Gefahren für die Wirtschaft, also auch für die Allgemeinheit, drohen.

Frage: Ganz offensichtlich herrscht ja Einigkeit, dass Griechenland um jeden Preis im Euro gehalten werden soll. Muss man den Deutschen jetzt nicht reinen Wein einschenken und sagen, dass die Griechen weitere Hilfen brauchen?

RÖSLER: Die Situation im Euroraum hat sich im Vergleich zu 2010 erheblich verbessert. Das ist auch ein Ergebnis der beharrlichen Anstrengungen unserer Regierung. Die Deutschen wissen dabei, dass wir als starkes Land auch einen Beitrag für Europa leisten müssen - und zwar im eigenen Interesse. Was Griechenland angeht, wird der Troika-Bericht maßgebend sein. Weiteres Geld aus dem laufenden Programm kann es nur geben, wenn die griechische Regierung Fortschritte bei den vereinbarten Reformen belegt. Das wird der Troika-Bericht zeigen. Es bleibt beim Prinzip "Keine Leistung ohne Gegenleistung". Deshalb unterstütze ich auch den Vorschlag des Bundesfinanzministers, die Hilfszahlungen der Geldgeber über ein Sperrkonto mit einem unabhängigen Treuhänder zu verwalten. Das stärkt die Kontrolle und Transparenz gegenüber Griechenland.

Frage: Als Reaktion auf die Schuldenkrise sind die Zinsen immer weiter gesunken. Aber die private Vorsorge der Bürger wird durch diese Niedrigzins-Politik immer weiter aufgefressen. Gleichzeitig steigt die Inflation. Wie wollen Sie diese Enteignung der Deutschen stoppen?

RÖSLER: Die FDP steht für stabiles Geld, dauerhaftes Wachstum, solide Haushalte ohne neue Schulden. Nur so können wir unseren Wohlstand halten. Daher mein Hinweis an die EZB: Ihre Aufgabe ist es, die Geldwertstabilität zu sichern und Inflation zu verhindern. Die Erhöhung der Geldmenge durch die EZB in den letzten Monaten macht mir Sorgen. Das ist mittel- und langfristig nicht ohne Risiko für die Preisstabilität. Inflation ist die Enteignung gerade der kleinen Sparer!

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