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Quellen-TKÜ ist der kleine Bruder der Online-Durchsuchung

Datenschutz, SchlossJustiz- und Innenministerium haben sich darauf geeinigt, dass der Verfassungsschutz den Staatstrojaner zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung einsetzen darf.
08.06.2020

Das Justiz- und Innenministerium haben einen entscheidenden Kompromiss im Streit über ein Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts erzielt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll demnach die Befugnis erhalten, den Staatstrojaner zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung einzusetzen. Die Staatsschützer könnten damit die Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger über Messenger wie WhatsApp, Signal oder Threema direkt auf einem Zielsystem abhören. "Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ sind tiefe Eingriffe in die Grundrechte der Bürger, bei denen sich der Staat als Hacker betätigt", kritisiert der FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae und fordert: "Frau Lambrecht sollte dem Bundesinnenminister eine deutliche Absage für den Staatstrojaner erteilen." Für Thomae ist klar: Das Trennungsgebot muss gewahrt und auch im Grundgesetz ausdrücklich verankert werden.

Beim Staatstrojaner handelt es sich um eine Trojaner-Software, die Daten aufzeichnet, Verbindungen zu anderen Systemen aufbaut, Daten übermittelt oder Software nachlädt. Der Betrieb des Trojaners auf einem Rechnersystem ist dabei verschleiert und ohne weiteres nicht bemerkbar. In Deutschland soll das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung den Trojaner einsetzen dürfen. Doch das sind für Thomae tiefe Eingriffe in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger und erklärt: "Der Staatstrojaner erlaubt eine kaum vorstellbare Überwachung nicht nur dessen, was der Betroffene tatsächlich gespeichert hat, sondern auch, wie der Betroffene seine Gedanken in den Computer oder das Smartphone eintippt und gegebenenfalls auch wieder löscht. Der Staatstrojaner schaut dem Bürger quasi beim Denken zu."

Zwar soll die Online-Durchsuchung nicht eingesetzt werden, bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung handele es sich aber um den kleinen Bruder der Online-Durchsuchung. Denn hier kann eine laufende verschlüsselte Telekommunikation überwacht werden und stellt daher einen massiven Eingriff in das IT-Grundrecht dar. Thomae kritisiert: "Bei beiden Maßnahmen betätigt sich der Staat als Hacker und nutzt IT-Sicherheitslücken aus, die er eigentlich schließen müsste."

Die FDP begrüßt den Verzicht auf die ursprünglich geplante Online-Durchsuchung. "Der Inlands-Nachrichtendienst braucht aber auch keinen Staatstrojaner in Form einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung", sagt Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Vielmehr brauche es mehr gut ausgebildete Fachleute, die ein Gespür für die Radikalisierungstendenzen in der Gesellschaft hätten.

Die Polizeibehörden dürfen derzeit Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ unter sehr engen Voraussetzungen zur Strafverfolgung einsetzen, wenn ein Gericht dies genehmigt hat. Diese Vorschriften werden momentan vom Bundesverfassungsgericht auf Antrag der FDP auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft. "Es ist sehr bedauerlich, dass Bundesinnenminister Seehofer den Staatstrojaner auf die verdeckt agierenden Verfassungsschutzbehörden ausweiten möchte, noch ehe Karlsruhe sein Urteil gesprochen hat und SPD-Justizministerin Lambrecht augenscheinlich eingeknickt ist", klagt der FDP-Innenpolitiker.

Eine weitere Folge der Kompetenzausweitungen des Verfassungsschutzes ist laut Thomae eine weitere Aufweichung des Trennungsgebots zwischen Polizei und Nachrichtendiensten. "Von der Justizministerin sollte man eigentlich erwarten, dass sie solche starken Eingriffsbefugnisse zulasten der Bürgerrechte nicht mitträgt. Frau Lambrecht sollte dem Bundesinnenminister eine deutliche Absage für den Staatstrojaner erteilen", klagt der Fraktionsvize. Denn polizeiliche Befugnisse bei der Strafverfolgung hätten bei der verdeckten Aufklärung durch den Verfassungsschutz nichts zu suchen. Thomae fordert daher: "Das Trennungsgebot sollte gewahrt und endlich auch im Grundgesetz ausdrücklich verankert werden."

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