FDPAsyl-und Flüchtlingspolitik

Position der Mitte, des Ausgleichs, des Realismus

Christian LindnerChristian Lindner prangerte die Polarisierung der Debatte in Deutschland an
17.11.2015

"Unis pour la Liberté". Unter diesem Motto stand der Presseabend der Freien Demokraten im Berliner Thomas-Dehler-Haus und FDP-Chef Christian Lindner nutzte ihn, um eine Position der Mitte anzumahnen. Er kritisierte die Rufe nach einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze und der Abschottung direkt nach den Terroranschlägen in Paris als infam. Was ihm an der derzeitigen Debatte fehle, sei eine „Position der Mitte, des Ausgleichs, des Realismus.“

Christian Lindner dachte dabei nicht zuletzt an den CSU-Minister Markus Söder, der direkt nach der blutigen Gewaltnacht in Paris die Anschläge mit der Flüchtlingsdebatte in Verbindung gebracht hatte.  "Es könne nicht sein, dass die Behörden nicht wüssten, wer nach Deutschland kommt und was die Menschen hier machen. Diesen Zustand müssen wir mit allen Mitteln beenden. Nicht jeder Flüchtling ist ein IS-Terrorist", hatte Söder geäußert.

Lindner hingegen stellt sich ganz andere Fragen. Für ihn zählt in erster Linie, dass die Sicherheitsbehörden personell und technisch auf der Höhe der Zeit sind. Er erinnerte daran, dass die Bedrohungslage sich nicht erst jetzt, sondern seit längerer Zeit verändert habe. „Also muss jetzt auch darüber nachgedacht werden,  ob die Organisation unserer Sicherheitsbehörden diesen Anforderungen entspricht.“

Es sei jetzt auch die Frage nach der Sicherung der europäischen Außengrenze zu stellen. Und: „Es ist jetzt auch der Zeitpunkt gekommen, neue Initiativen für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik zu ergreifen“, umreißt Lindner seinen Ansatz, um die Werte Europas zu verteidigen.

Anschläge nicht mit der Flüchtlingsdebatte vermengen

Eines aber steht für ihn fest: „Was wir nicht brauchen, ist eine Debatte über schärfere Sicherheitsgesetze. Wenn wir jetzt angesichts der Bedrohung unserer Freiheit, selbst unsere Bürgerrechte einschränken, wenn unsere Freiheit bedroht ist, selbst die Freiheit opfern, dann haben doch die Terroristen und ihre Unterstützer gewonnen, ohne dass sie einen einzigen Schuss abfeuern mussten.“ Jetzt komme es darauf an, die bürgerlichen Freiheitsrechte durch einen funktionierenden Rechtsstaat zu schützen.

Er warnte davor, die Anschläge mit der Flüchtlingsdebatte zu vermengen: „Halten wir doch mal fest, weil der Islamische Staat so ist, wie er ist, fliehen Christen, Jesiden, gemäßigte Muslime zu uns.“ Er befürchtet, dass durch die aufgeflammte Abschottungsrhetorik die Debatte vergiftet wird, indem die Sicherheitslage mit dem Asylrecht in Verbindung gebracht wird.

Jetzt ist nichts notwendiger als eine Position der Mitte

Lindner prangerte die Polarisierung der Debatte in Deutschland insgesamt an: Es habe über die letzten Wochen und Monate nur zwei Positionen gegeben. Auf der einen Seite die Vertreter einer geradezu grenzenlosen Willkommenskultur und auf der anderen Seite, jene, die eine dumpfe reaktionäre Abschottungspolitik fordern. „Also die Flucht an die wärmenden Herdfeuer des Nationalstaats.“ Was ihm an der Debatte fehle, sei eine „Position der Mitte, des Ausgleichs, des Realismus.“

Eine Position, die erkennen lasse: „Natürlich sind wir solidarisch.“ Aber selbst das „enorm große und starke Deutschland“ habe objektive Grenzen dessen, was es organisatorisch finanziell, logistisch und gesellschaftlich leisten könne. „Wo stünden wir denn, wenn nicht zehntausende von Ehrenamtlichen und viele Städte und Gemeinden das anhaltende Chaos und das anhaltende Staatsversagen ausgeglichen hätten“, so Lindner. Diese bürgerschaftliche Engagement dürften wir nicht auf Dauer verbrauchen und verschleißen. Jetzt sei nichts notwendiger als eine Position der Vernunft und der Verantwortungsethik, „damit die Ränder nicht stark werden.“

Alternative: Humanitärer Schutz und Einwanderungsgesetz

Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Freien Demokraten in den letzten Monaten und Wochen entsprechende Beschlüsse gefasst haben. Am Montag habe die Fraktionsvorsitzendenkonferenz noch einmal die Forderung nach einem zeitlich befristeten Aufenthaltsstatus für Flüchtlinge bekräftigt. Dies sei mit dem sogenannten vorübergehenden humanitären Schutz für Flüchtlinge möglich, sagte Lindner.

Dieser Status würde es erlauben, die Flüchtlinge in ihre Heimat zurückzuschicken, sobald dort der Konflikt zu Ende ist. Parallel dazu sei eine liberale Einwanderungsgesetzgebung nötig. „Damit wir die Fehler aus den 90er Jahren nicht wiederholen.“ Lindner warf der Bundesregierung Versagen in der Flüchtlingspolitik vor: „Wozu haben wir eine große Koalition mit einer übergroßen Mehrheit, wenn sie die großen Fragen der Zeit nicht endlich löst.“

 

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