FDP, FraktionenRegierungserklärungPosition der Bundesregierung zur Zukunft Europas bleibt unklar
Christian Lindner sieht das Auftreten der Bundesregierung in der Europapolitik kritisch27.02.2018Im Vorfeld des EU-Gipfels hat Angela Merkel ihren ersten Lagebericht seit sieben Monaten abgeliefert. Große Fragen der künftigen Ausrichtung der Europapolitik verschwieg sie jedoch. FDP-Fraktionschef Christian Lindners Fazit: "Erklärt hat sich diese Regierung nicht." Er vermisst eine deutliche Positionierung zum EU-Finanzrahmen, auch sei nicht klar geworden, wie die Kanzlerin die Rolle des europäischen Parlaments aufwerten und die Handlungsfähigkeit der EU unter anderem in der Handelspolitik gewährleisten wolle. Die Freien Demokraten fordern strukturelle Reformen und ein Bekenntnis zu finanzpolitischer Eigenverantwortung in der Eurozone.
Europa stehe vor großen Herausforderungen, betonte Lindner in seiner Rede. "Das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU und die veränderte Weltlage sind der Anlass und die Wahl von Emmanuel Macron in Frankreich ist die Chance, jetzt ein Jahrzehnt der Erneuerung des europäischen Einigungsprojektes zu begründen", sagte er. "Frau Bundeskanzlerin: Frankreich ist dabei zum Taktgeber avanciert." Ein schlichtes Echo auf die Pariser Ideen könne nicht die deutsche Haltung sein. Bislang sei eine klare und konkrete deutsche Position jedoch nicht zu erkennen.
Reformen der europäischen Institutionen angehen
Zur Verschlankung der EU-Kommission schlage der französische Präsident 15 statt 27 Kommissare vor, so Lindner. Dieser Vorstoß gehe in die richtige Richtung. "Hat die deutsche Bundesregierung dazu keine Position? Eine effizientere, auf die Kompetenzen der EU konzentrierte Kommission muss ein deutsches Anliegen sein", hob der FDP-Fraktionschef hervor. Mehr Effizienz wünscht er sich auch in der Frage der Parlamentssitze. Der Wanderzirkus zwischen Brüssel und Straßburg sei "teuer, ineffizient und überholt", stellte Lindner klar. Er forderte die Kanzlerin auf, mit dem französischen Präsidenten darüber zu sprechen, Brüssel künftig zum alleinigen Sitz des Parlaments zu machen.
Auch die Europawahl müsse aufgewertet werden, forderte Lindner. Von praktischer Bedeutung wären transnationale Listen, hierzu habe man aber nichts gehört. "Statt über diese Fragen haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, über europaweite Bürgerdialoge gesprochen. Dagegen ist gar nichts zu sagen", hielt Lindner fest. "Aber aus den schon geführten Gesprächen mit den Bürgern wissen wir, dass sie die bereits bekannten Strukturprobleme endlich gelöst sehen wollen."
Rolle der Hohen Vertreterin stärken
In der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik müsse Deutschland zuerst Aufgaben zu Hause erledigen, machte Lindner deutlich. "Die Bundeswehr braucht mehr als warme Worte, wenn sie nach 12 Jahren einer unionsgeführten Bundesregierung nur noch bedingt einsatzbereit ist", monierte er. Neben der verteidigungspolitischen Seite müsse aber auch die diplomatische Front berücksichtigt werden. "Wir wollen deshalb, dass die Rolle der Hohen Vertreterin gestärkt wird", erklärte er. Entscheidungen müssten künftig auch mit qualifizierter Mehrheit möglich sein: "Wir dürfen uns durch das Einstimmigkeitsprinzip nicht länger auf europäischer Ebene selbst lähmen."
Die Freien Demokraten wollten ein starkes Europa überall dort, wo das Zusammenwirken einen Mehrwert schaffe, betonte Lindner. "Das ist in der Migrations-, der Verteidigungs- und in der Entwicklungspolitik zweifelsohne der Fall." Auch mehr Investitionen in neue Technologien und Forschung sowie in eine Personalverstärkung bei Frontex unterstütze die FDP-Fraktion. "Diesen Worten müssen Taten folgen", unterstrich Lindner.
Finanzpolitische Eigenverantwortung in der Eurozone aufrechterhalten
Vorab-Erklärungen der angehenden Großen Koalition, zu höheren Beiträgen zum EU-Haushalt und zur Stärkung der Kohäsionspolitik bereit zu sein, würden allerdings die deutsche Verhandlungsposition schwächen, kritisierte Lindner. "Damit stellen Sie das Verfahren auf den Kopf." Es sei nicht europafreundlich, pauschal mehr Geld ausgeben oder gar einen Finanzausgleich in der EU zu wollen, sondern müsse es zunächst gelten, das Geld der Bürger besser einzusetzen, mahnte er an.
Lindner verwies in diesem Zusammenhang auf ein Interview mit dem französischen Finanzminister, in dem dieser bekräftigt habe, er sei in diesen Haushaltsfragen mit seinen deutschen Gesprächspartnern bereits einig. Der FDP-Fraktionschef wandte sich an die Kanzlerin: "Wir hätten heute gerne von Ihrer Regierung gewusst, Frau Merkel, mit wem hat er verhandelt und welche Zusagen hat es gegeben? Wenn solche weitreichende Fragen nicht Gegenstand einer Regierungserklärung sind, welche dann?" Für die Freien Demokraten ist klar: Die finanzpolitische Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten darf nicht ausgehöhlt werden. (ch)
Position der Bundesregierung zur Zukunft Europas bleibt unklar
Christian Lindner sieht das Auftreten der Bundesregierung in der Europapolitik kritischIm Vorfeld des EU-Gipfels hat Angela Merkel ihren ersten Lagebericht seit sieben Monaten abgeliefert. Große Fragen der künftigen Ausrichtung der Europapolitik verschwieg sie jedoch. FDP-Fraktionschef Christian Lindners Fazit: "Erklärt hat sich diese Regierung nicht." Er vermisst eine deutliche Positionierung zum EU-Finanzrahmen, auch sei nicht klar geworden, wie die Kanzlerin die Rolle des europäischen Parlaments aufwerten und die Handlungsfähigkeit der EU unter anderem in der Handelspolitik gewährleisten wolle. Die Freien Demokraten fordern strukturelle Reformen und ein Bekenntnis zu finanzpolitischer Eigenverantwortung in der Eurozone.
Europa stehe vor großen Herausforderungen, betonte Lindner in seiner Rede. "Das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU und die veränderte Weltlage sind der Anlass und die Wahl von Emmanuel Macron in Frankreich ist die Chance, jetzt ein Jahrzehnt der Erneuerung des europäischen Einigungsprojektes zu begründen", sagte er. "Frau Bundeskanzlerin: Frankreich ist dabei zum Taktgeber avanciert." Ein schlichtes Echo auf die Pariser Ideen könne nicht die deutsche Haltung sein. Bislang sei eine klare und konkrete deutsche Position jedoch nicht zu erkennen.
Reformen der europäischen Institutionen angehen
Zur Verschlankung der EU-Kommission schlage der französische Präsident 15 statt 27 Kommissare vor, so Lindner. Dieser Vorstoß gehe in die richtige Richtung. "Hat die deutsche Bundesregierung dazu keine Position? Eine effizientere, auf die Kompetenzen der EU konzentrierte Kommission muss ein deutsches Anliegen sein", hob der FDP-Fraktionschef hervor. Mehr Effizienz wünscht er sich auch in der Frage der Parlamentssitze. Der Wanderzirkus zwischen Brüssel und Straßburg sei "teuer, ineffizient und überholt", stellte Lindner klar. Er forderte die Kanzlerin auf, mit dem französischen Präsidenten darüber zu sprechen, Brüssel künftig zum alleinigen Sitz des Parlaments zu machen.
Auch die Europawahl müsse aufgewertet werden, forderte Lindner. Von praktischer Bedeutung wären transnationale Listen, hierzu habe man aber nichts gehört. "Statt über diese Fragen haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, über europaweite Bürgerdialoge gesprochen. Dagegen ist gar nichts zu sagen", hielt Lindner fest. "Aber aus den schon geführten Gesprächen mit den Bürgern wissen wir, dass sie die bereits bekannten Strukturprobleme endlich gelöst sehen wollen."
Rolle der Hohen Vertreterin stärken
In der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik müsse Deutschland zuerst Aufgaben zu Hause erledigen, machte Lindner deutlich. "Die Bundeswehr braucht mehr als warme Worte, wenn sie nach 12 Jahren einer unionsgeführten Bundesregierung nur noch bedingt einsatzbereit ist", monierte er. Neben der verteidigungspolitischen Seite müsse aber auch die diplomatische Front berücksichtigt werden. "Wir wollen deshalb, dass die Rolle der Hohen Vertreterin gestärkt wird", erklärte er. Entscheidungen müssten künftig auch mit qualifizierter Mehrheit möglich sein: "Wir dürfen uns durch das Einstimmigkeitsprinzip nicht länger auf europäischer Ebene selbst lähmen."
Die Freien Demokraten wollten ein starkes Europa überall dort, wo das Zusammenwirken einen Mehrwert schaffe, betonte Lindner. "Das ist in der Migrations-, der Verteidigungs- und in der Entwicklungspolitik zweifelsohne der Fall." Auch mehr Investitionen in neue Technologien und Forschung sowie in eine Personalverstärkung bei Frontex unterstütze die FDP-Fraktion. "Diesen Worten müssen Taten folgen", unterstrich Lindner.
Finanzpolitische Eigenverantwortung in der Eurozone aufrechterhalten
Vorab-Erklärungen der angehenden Großen Koalition, zu höheren Beiträgen zum EU-Haushalt und zur Stärkung der Kohäsionspolitik bereit zu sein, würden allerdings die deutsche Verhandlungsposition schwächen, kritisierte Lindner. "Damit stellen Sie das Verfahren auf den Kopf." Es sei nicht europafreundlich, pauschal mehr Geld ausgeben oder gar einen Finanzausgleich in der EU zu wollen, sondern müsse es zunächst gelten, das Geld der Bürger besser einzusetzen, mahnte er an.
Lindner verwies in diesem Zusammenhang auf ein Interview mit dem französischen Finanzminister, in dem dieser bekräftigt habe, er sei in diesen Haushaltsfragen mit seinen deutschen Gesprächspartnern bereits einig. Der FDP-Fraktionschef wandte sich an die Kanzlerin: "Wir hätten heute gerne von Ihrer Regierung gewusst, Frau Merkel, mit wem hat er verhandelt und welche Zusagen hat es gegeben? Wenn solche weitreichende Fragen nicht Gegenstand einer Regierungserklärung sind, welche dann?" Für die Freien Demokraten ist klar: Die finanzpolitische Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten darf nicht ausgehöhlt werden. (ch)