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Polens Regierung flirtet mit dem Polexit

Die polnische Regierung bleibt auf Konfrontationskurs mit der EUDie polnische Regierung bleibt auf Konfrontationskurs mit der EU
06.09.2018

Gegen die umstrittene Reform des polnischen Verfassungsgerichts liegt derzeit eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor, die mit Blick auf die klare Aushöhlung der Gewaltenteilung im Land durchaus Chancen auf Erfolg hat. Teile der nationalkonservativen PiS-Regierung in Polen spekulierten darüber, dass Polen ein etwaiges Urteil gegen das Gesetz schlicht missachten würde, sogar über einen Austritt aus der EU wurde gesprochen. Läuft das Land tatsächlich Gefahr, Großbritannien zu folgen und die EU zu verlassen? Detmar Doering, Mitteleuropa-Projektleiter der Stiftung für die Freiheit, ordnet die Situation ein.

So meinte der polnische Vizeministerpräsident Jarosław Gowin, dass Polen ein ungünstiges Urteil einfach ignorieren könnte, seither geistert der Begriff des "Polexit" umher. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki distanzierte sich jedoch mit Verweis auf Gowins Privatmeinung von einer solchen Missachtung eines EuGH-Urteils. Auch Gowin relativierte zwischenzeitlich seine Aussage. Bisher habe die polnische Regierung bei allen Dementis zum Polexit allerdings strikt vermieden, eine tiefere wertebasierte Bindung an die EU zu demonstrieren, konstatiert Doering. "Viele Kommentatoren befürchten daher zu Recht, dass die polnische Regierung die Bindung zur EU schrittweise unterhöhle, selbst wenn sie offensiv noch keinen Polexit betreibe."

Die finanziellen Mittel, die Polen von der EU erhält, schienen derzeit auch für die PiS-Führung ein Grund zu sein, bei dem Thema Polexit zwar zu provozieren, aber insgesamt vorsichtig zu agieren, so der Stiftungsexperte weiter. "Man denkt taktisch: Im Herbst stehen Kommunalwahlen an und die EU-Gelder fließen hauptsächlich an die Kommunen. Eine aggressive Polexit-Position würde PiS bei den Lokalwahlen enorm schaden." Noch bestehe also keine akute Gefahr eines Polexits. "Allerdings könnte die Salamitaktik, mit der die Regierung europäische Werte aktiv konterkariert und die nationalistische Stimmung anheizt, irgendwann eine Eigendynamik freisetzen – ähnlich wie es in Großbritannien bei den Konservativen der Fall war", mahnt Doering. "Sollte der EuGH eine klare Entscheidung gegen die Reform treffen, käme die Regierung nach Gowins Bemerkung kaum ohne Gesichtsverlust aus der Sache heraus." (ch)

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