20.01.2013FDPAußenpolitik

Niebel-Interview für "Welt am Sonntag"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit DIRK NIEBEL, gab der "Welt am Sonntag" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten JOCHEN GAUGELE und CLAUS CHRISTIAN MALZAHN:

Frage: Herr Niebel, was verbinden Sie mit Mali?

Niebel: Dieses Land lässt das Herz jedes Entwicklungspolitikers hüpfen. Die Regierung in Bamako hat nicht in Waffen investiert, sondern in die Menschen und die Entwicklung eines demokratischen, säkularen Rechtsstaats. Niemand in Mali möchte einen Gottesstaat haben, schon gar nicht mit der Scharia. Aber der Einmarsch von Terroristen und der Militärputsch haben die Demokratie ins Wanken gebracht.

Frage: Welche Interessen hat Deutschland in dem afrikanischen Land?

Niebel: Es gibt einen Gürtel der Instabilität von Mauretanien bis Somalia, der sich immer mehr nach Süden ausbreitet. Die Islamisten, die sich in dieser Region einnisten, zielen auf die liberale Lebensweise des Westens. Das dürfen wir nicht ignorieren.

Frage: Spielen Rohstoffe eine Rolle?

Niebel: Deutsche Firmen sind, soweit ich weiß, in Mali nicht an Rohstoffvorhaben beteiligt.

Frage: Frankreich interveniert mit mehreren Tausend Soldaten. Ein kluger Schritt?

Niebel: Das Eingreifen der französischen Streitkräfte war dringend notwendig. Es drohte ein Durchbruch der Extremisten nach Süden. Mali stand kurz davor, als Ganzes den Islamisten zum Opfer zu fallen. Die Franzosen haben ein Stoppsignal gesetzt und versuchen, die Extremisten zurückzudrängen. So bald wie möglich muss aber die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas eine ordnende Rolle in Mali übernehmen. Die Wiederherstellung der territorialen Integrität muss ein afrikanisches Gesicht haben. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass es sich um Postkolonialismus handelt.

Frage: Wie riskant ist diese Mission? Ist mit Racheakten zu rechnen?

Niebel: Es ist nicht meine Aufgabe als Mitglied der Bundesregierung, mich an solchen Spekulationen zu beteiligen.

Frage: Frankreichs Präsident Hollande hat gesagt, die Geiselnahme auf einem Gasfeld in Algerien rechtfertige "noch mehr" das militärische Eingreifen seines Landes in Mali. Wie deuten Sie diesen Satz?

Niebel: Die Geiselnahme und das feige Morden an den Geiseln haben gezeigt, dass die Terroristen gut vernetzt sind und sich gegen unsere freiheitliche und tolerante Lebensweise in Europa und im Westen richten.

Frage: Genügt es, die Franzosen mit zwei Transall-Maschinen zuunterstützen?

Niebel: Unsere französischen Freunde sagen: Das ist genau das, was wir jetzt benötigen.

Frage: Bleibt es dabei?

Niebel: Mir ist nichts anderes bekannt.

Frage: Ist ein militärisches Engagement der Deutschen - etwa im Rahmen der EU-Eingreiftruppe - ausgeschlossen?

Niebel: Wir engagieren uns bereits, militärisch wie zivil. An Spekulationen beteilige ich mich nicht.

Frage: Wird ein Bundestagsmandat nötig?

Niebel: Für den Transall-Einsatz brauchen wir kein Mandat des Deutschen Bundestages. Sollten weitere Maßnahmen mit mehr Personal erforderlich werden - ich denke beispielsweise an Sicherheitskomponenten bei der geplanten Ausbildungsmission der Europäischen Union -, ist es im großen Interesse der Regierung, das Parlament so eng wie möglich zu beteiligen.

Frage: Es gibt Berichte, deutsche Spezialkräfte seien schon in dem Land unterwegs. Was wissen Sie darüber?

Niebel: Das ist mir nicht bekannt.

Frage: Der verstorbene Verteidigungsminister Peter Struck hat den Satz geprägt, Deutschlands Freiheit werde auch am Hindukusch verteidigt. Gilt dasselbe für Timbuktu?

Niebel: Das würde ich so nicht formulieren. Aber wir haben eindeutig Sicherheitsinteressen in dieser Region. Zwischen Mali und dem Mittelmeer ist nur noch eine Staatsgrenze. Das ist verdammt nah. Mali darf nicht zur Plattform für Terrorgruppen werden. Im Übrigen sind Demokratien in der Pflicht, sich gegenseitig Schutz zu gewähren.

Frage: Ist die Bundeswehr mit den laufenden Auslandseinsätzen schon an der Grenze ihres Leistungsvermögens?

Niebel: Die Bundesrepublik Deutschland stellt mit über 5600 Soldatinnen und Soldaten weltweit das zweitgrößte Kontingent nach den Vereinigten Staaten von Amerika. Niemand kann uns vorwerfen, dass wir zu wenig tun. Ob noch mehr möglich ist, muss der Verteidigungsminister beantworten. Jedenfalls sind militärische Interventionen kein
Allheilmittel. Das schärfste Schwert gegen Extremismus ist die Entwicklungspolitik. Wir haben Mali allein seit 2009 mit Entwicklungsprojekten im Umfang von 124 Millionen Euro unterstützt. Seit dem Putsch 2012 ist zwar die staatliche Entwicklungszusammenarbeit ausgesetzt. Aber wir lassen die Menschen nicht allein. Alles, was regierungsfern und nah bei den Menschen möglich ist, läuft weiter, soweit es die Sicherheitslage erlaubt.

Frage: Was raten Sie deutschen Staatsbürgern, die noch in dem Land sind?

Niebel: Alle, die sich nicht zwingend in Mali aufhalten müssen, sollten das Land verlassen.

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