NIEBEL-Interview für die "Rheinpfalz"
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied, Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab
der "Rheinpfalz" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ALESSANDRO PEDUTO:
Frage: Herr Minister, die Bundeswehr will ihre Soldaten bis Ende 2014 aus Nordafghanistan abziehen. Wird es den lokalen Sicherheitskräften gelingen, die deutschen Entwicklungshelfer zu schützen?
NIEBEL: Es gibt keine absolute Sicherheit. Wir sehen aber, dass unsere Projekte auch dort laufen, wo sich die Bundeswehr bereits zurückgezogen hat und afghanische Sicherheitskräfte die Verantwortung übernommen haben. Daneben treffen wir eigene Vorkehrungen zum Schutz unserer Mitarbeiter, etwa durch ein eigenes Risikomanagement.
Frage: Wie sieht das aus?
NIEBEL: Wir arbeiten mit Zustimmung und Unterstützung der Bevölkerung. Dadurch haben wir ein Netzwerk zum Informationsaustausch, das unsere Mitarbeiter trägt und schützt. Zudem haben wir in den Gebäuden der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit private Sicherheitsdienste. Das halte ich weiter für notwendig. Trotzdem gibt es auch im Norden Afghanistans weiterhin so genannte No-Go-Areas oder solche, in denen sich unsere Mitarbeiter nur in gepanzerten Fahrzeugen bewegen können.
Frage: Heißt das, es macht für die deutschen Helfer keinen Unterschied, ob die Bundeswehr da ist oder nicht?
NIEBEL: Doch, das spielt natürlich eine Rolle. Denn sie haben dann keinen sicheren Ort mehr, an den sie sich zurückziehen können, wenn es kritisch wird. Wenn es im Moment zu Problemen kommt, können sich die Entwicklungshelfer vorübergehend in den Bundeswehrcamps aufhalten. Das wird so in Zukunft nicht mehr möglich sein. Wir sind in intensivem Austausch mit den afghanischen Behörden, wie man für einen ernsten Krisenfall sichere Rückzugsräume schafft. Die muss es weiter geben.
Frage: Was ist der zentrale Unterschied zwischen der Arbeit der Bundeswehr und der Entwicklungshilfe?
NIEBEL: Wir sind mit unseren Projekten in die afghanische Gesellschaft integriert, das bedeutet auch einen gewissen Schutz. Zudem sind unsere Mitarbeiter längerfristig in Afghanistan. Das ist bei den Soldaten anders. Sie sind nur einige Monate dort und haben zudem eine völlig andere Aufgabe.
Frage: Welche Strategie verfolgt die deutsche Entwicklungshilfe?
NIEBEL: Wir setzen nur solche Projekte um, die die Bevölkerung wünscht - was aber nicht heißt, dass wir alles machen, was sie sich wünscht. Die Menschen werden auch an den Vorhaben beteiligt, sie arbeiten daran mit. Wir haben viele Ortskräfte. Die Afghanen sollen ihr Land ja selbst aufbauen. Wir helfen dabei mit - durch Fachwissen sowie finanzielle und technische Unterstützung.
Frage: Was ist das politische Ziel?
NIEBEL: Die Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern, um damit den Terroristen den Nährboden zu entziehen. Wir wollen den Schwerpunkt vom Militärischen weg, hin zum Zivilen verlagern, auch in Fragen der Sicherheit. Eine militärische Lösung für Afghanistan wird es nicht geben.
Frage: Wenn sie auf die letzten zehn Jahre Entwicklungsarbeit in Afghanistan zurückschauen, wie fällt ihre Bilanz aus?
NIEBEL: Das Land ist enorm vorangekommen. Gewiss ist nicht alles gut, aber es ist auch nicht alles schlecht. Vor allem in der Energie- und Wasserversorgung, im Bildungswesen und im Straßenbau haben wir Erfolge erzielt. Natürlich sind wir nicht auf einem Niveau angekommen, das wir aus Mitteleuropa gewohnt sind. Dennoch sind das es erhebliche Fortschritte.
Frage: Herr Minister, zum Abschluss vielleicht noch eine Extrarunde mit Ihrem fliegenden Teppich aus Afghanistan. Ist er gut gelandet?
NIEBEL: Er liegt, wie es sich für einen Teppich gehört, flach auf dem Boden unter unserem Esstisch, und er wird immer wertvoller, je länger die Diskussion darüber andauert.
Frage: Ist er inzwischen pflegeleicht?
NIEBEL: Absolut, man kann ihn saugen.
Frage: Was haben sie aus der so genannten Teppich-Affäre gelernt?
NIEBEL: Die Bestätigung des alten Satzes: Gut gemeint ist nicht immer gut gemac