18.07.2009FDP

NIEBEL-Interview für die "Neue Osnabrücker Zeitung"

Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Sonnabend-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte JENS PETER DOHMES:

Frage: Herr Niebel, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen möchte mit der FDP eine Regierung bilden. Sind Sie bereit?

NIEBEL: Für Koalitionsgespräche ist es zu früh. Das Platzen der Großen Koalition in Schleswig-Holstein zeigt aber eindeutig, dass diese Art von Regierungsbündnis keine Zukunft hat. Das gilt ausdrücklich auch für den Bund. Da wollen wir am 27. September gemeinsam mit der Union zu einem bürgerlichen Regierungswechsel kommen. Und in Kiel sehe ich es so, dass die "Heidemörderpartei" SPD nicht der geeignete Koalitionspartner für die FDP wäre.

Frage: Sondern die CDU...

NIEBEL: Die gemeinsamen inhaltlichen Schwerpunkte mit der Union sind natürlich größer. Herr Carstensen hat allerdings - ich denke da zuerst an die HSH-Nordbank - auch große Fehler zu verantworten. Deswegen ist es in Schleswig-Holstein wie auf Bundesebene wichtig, dass die FDP mit großem Anteil an die Regierung kommt. Derartige Fehlentwicklungen müssen professionell vermieden werden.

Frage: Auch in den neuesten Umfragen gibt es auf Bundesebene eine Mehrheit für Schwarz-Gelb. Läuft das so genannte bürgerliche Lager Gefahr, sich mit Blick auf einen Wahlsieg im September schon zu sicher zu wähnen?

NIEBEL: Das Entscheidende ist, was am Abend in den Wahllokalen ausgezählt wird. Deswegen sind wir zwar zuversichtlich, wissen aber aus Erfahrung ganz genau, dass wir fest auf dem Boden bleiben müssen.

Frage: Kann der Streit zwischen CDU und CSU den Erfolg gefährden?

NIEBEL: Die CSU versucht, aus wahltaktischen Erwägungen beim Verfassungsgerichtsurteil zum Lissabon-Vertrag noch draufzusatteln und führt dadurch Bundeskanzlerin Merkel in eine schwierige Situation. Am Ende zählt da auch unser Wort der Vernunft als erfahrene Europapartei. Ich versichere Ihnen: Es wird im September im Bundestag eine Mehrheit für eine handhabbares Begleitgesetz geben, und Europas Demokratisierung wird nicht blockiert werden - ob mit oder ohne CSU.

Frage: Die FDP arbeitet jetzt in Bayern mit der CSU zusammen. Wie klappt die Kooperation?

NIEBEL: Diese Regierung ist gut für Bayern und heilsam für die Union. Mit dem Ende ihrer Allmacht in Bayern ist die CSU von dem abgerückt, was sie in der Großen Koalition mitgetragen hat. Sie war plötzlich für Steuersenkungen, gegen die Streichung der Pendlerpauschale, gegen generelle Rauchverbote und eine Drangsalierung der Bürger. Diese positive Wirkung auf die Union, ein Ende ihrer Sozialdemokratisierung, hätten wir auch in Berlin, wenn es zu einer schwarz-gelben Regierung käme. Aber sie braucht dafür eine Gelbkur bei der Wahl.

Frage: Wie die CSU fordern auch Sie als Liberale Steuersenkungen. Ist das angesichts wegbrechender Steuereinnahmen und Milliardenausgaben für die Konjunktur, realistisch?

NIEBEL: Wir brauchen eine echte, faire Steuerstrukturreform, die Bürger und Unternehmen entlastet, damit Deutschland wieder vorankommt. Wenn Sie sich vor eine Pflanze stellen und sagen: "Wachse, dann gieße ich Dich!", so funktioniert das nicht. Sie müssen erst gießen, damit die Pflanze wachsen kann. Genauso ist es hier. Ohne eine Steuerstrukturreform werden wir kein Wachstum haben, ohne Wachstum keine Arbeitsplätze, ohne Arbeitnehmer keine Steuerzahler, ohne Steuerzahler keine soliden Haushalte.

Frage: Die Pläne müssten nach den Wahlen direkt angegangen werden?

NIEBEL: Es wird mit uns keine Bündnisvereinbarung geben, ohne dass eine Steuerstrukturreform darin festgelegt ist. Manche Dinge könnte man schnell beginnen, etwa die dauerhafte Rücknahme der Fehler der Unternehmensteuerreform. Das hat die Bundesregierung jetzt nur auf zwei Jahre befristet getan. Einer der ersten Schritte müsste auch sein, den Grundfreibetrag von 8 004 Euro für jeden Menschen - also auch für Kinder - einzuführen. Und man muss schnell an die kalte Progression herangehen.

Frage: Eine Reform wäre also finanzierbar?

NIEBEL: Absolut! Dass Finanzminister Steinbrück sagt, er werde in den nächsten vier Jahren 316 Milliarden Euro weniger einnehmen, als er sich in der letzten Steuerschätzung gewünscht hat, ändert nichts daran, dass es effektiv Mehreinnahmen gibt. In den kommenden vier Jahren werden nach der Steuerschätzung der Bundesregierung Jahr für Jahr 41 Milliarden zusätzliche Steuermehreinnahmen fließen. Wir haben also kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Und Herr Steinbrück macht es eben nicht so, wie es ein Familienvater tut, wenn er seine Kasse im Griff behalten muss. Sondern er wirft mit vollen Händen das Geld der Steuerzahler aus dem Fenster.

Frage: Wo würde ein treu sorgender Familienvater, wo würden Sie als Liberale ansetzen?

NIEBEL: Die jetzige Regelung der Umsatzsteuer müsste sofort reformiert werden, nicht nur weil sie ungerecht ist, sondern auch, um die geschätzten 13 bis 15 Milliarden Euro Umsatzsteuerbetrug zu verringern. Durch eine einfache gesetzliche Änderung hin zu einer Ist-Besteuerung - das heißt, dass die Umsatzsteuer an den Staat abgeführt wird, wenn die Rechnung bezahlt wird und nicht schon dann, wenn der Unternehmer die Leistung erbringt - könnte man mindestens drei bis fünf Milliarden Euro den Haushaltskassen zuführen. Oder nehmen Sie die Steinkohlesubventionen. Die Weltmarktpreise für Steinkohle sind in den letzten Jahren um 15 Prozent gestiegen. Aus welchem Grund soll man dann noch staatliche Subventionen in derselben Höhe zahlen wie vor dieser Preissteigerung? Es gibt viele Spielräume.

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