24.07.2008FDP

NIEBEL-Interview für die "Mittelbayerische Zeitung"

Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der "Mittelbayerischen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ULRIKE STRAUSS:

Frage: Kanzlerin Angela Merkel hat die schwarz-gelbe Koalition als Ziel für die Bundestagswahl ausgerufen. Kam die deutliche Offerte für Sie überraschend?

NIEBEL: Nein. Union und FDP sprechen ja auch miteinander. Frau Merkel muss die Offerte aber mit praktischem politischem Handeln unterfüttern. Zurzeit haben wir nämlich zwei sozialdemokratische Parteien in der großen Koalition - eine ist schwarz, die andere rot. Sollten wir in Regierungsverantwortung kommen, streben wir einen Politikwechsel an, der die Menschen steuerlich entlastet.

Frage: Was sind Ihre Bedingungen, um sich auf den Koalitionspartner Union festzulegen?

NIEBEL: Wir haben allen möglichen Partnern deutlich gesagt, dass wir keinen Koalitionsvertrag abschließen werden, in dem eine echte Steuerstrukturreform fehlt. Das ist für uns das Wichtigste.

Frage: Es gibt aber doch weitere Themen, die Ihnen in dem Zusammenhang am Herzen liegen...

NIEBEL: Uns ist ein vernünftiger Ausgleich zwischen bürgerlichen Freiheitsrechten und notwendigen Sicherheitsbedürfnissen wichtig. Absolute Sicherheit ist eine absolute Illusion. Der Abwägungsprozess muss entscheidend sein. Da bedarf es offenkundig einer liberalen Komponente in der Bundesregierung. Sowohl unter Rot-Grün als auch unter Schwarz-Rot sind die Freiheitsrechte verringert worden.

Frage: Wann wäre in Ihren Augen ein günstiger Zeitpunkt für eine Koalitionsaussage?

NIEBEL: Wenn überhaupt, dann so spät wie möglich. Ob wir eine Koalitionsaussage machen, entscheidet ein Bundesparteitag. Unser Wahlprogramm wird die wesentliche Weichenstellung für eine mögliche Regierungsbildung. Die programmatischen Aussagen werden klar machen, mit welcher Partei wir die größeren inhaltlichen Schnittmengen haben.

Frage: FDP-Chef Westerwelle sieht die große Koalition am Ende. Haben Sie CDU-Generalsekretär Pofalla schon aufgefordert, dem Schrecken ein Ende zu setzen?

NIEBEL: Auch wenn ich das Herrn Pofalla von morgens bis abends singen würde: Die große Koalition wird bis zum bitteren Ende dieser Legislaturperiode weiter machen, weil die Mitglieder der Bundesregierung an ihren Stühlen kleben. Diese so genannten Volksparteien werden gegenwärtig in Umfragen unter oder über 30 Prozent gehandelt - das ist für beide ganz dünnes Eis! Keiner weiß, wer den größeren Schaden hätte, würde das Projekt "große Koalition" vorzeitig enden. Ich sage: Je früher diese handlungsunfähige Koalition zu Ende ist, desto besser für Deutschland. Ideal wäre, am 7. Juni 2009, dem Tag der Europawahl, auch gleich den Bundestag zu wählen.

Frage: Über ein schwarz-rotes Reformprojekt, die Erbschaftsteuer, soll kurz nach der Wahl in Bayern entschieden werden.

NIEBEL: Alleine die Terminierung nach der bayerischen Landtagswahl zeigt das hohe Maß an Heuchelei. Ich ahne, dass die CSU auch dabei die Menschen offenen Auges betrügen wird - sonst hätte man die Entscheidung vor dem Wahltag angesetzt. Schon während der vergangenen drei Jahre hat die CSU in der Regierungsbeteiligung im Bund 19 Steuererhöhungen zugestimmt.

Frage: Was schlagen Sie vor?

NIEBEL: Wir fordern, die Erbschaftsteuer komplett zu streichen. Alles, was man vererben kann, ist doch über den Verlauf eines ganzen Lebens schon x-fach besteuert worden. Was die Bundesregierung gegenwärtig vorhat, ist absolut schädlich für den Mittelstand und mittlere Einkommensschichten. Im vergangenen Jahrzehnt belief sich das durchschnittliche Erbschaftssteueraufkommen im Jahr auf rund 3,2 Milliarden Euro. Für die Zukunft plant man vier Milliarden Euro pro Jahr. Es gibt nur fünf Bundesländer, die an der Erbschaftsteuer verdienen: Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen. Alle anderen haben zum Teil mehr Ausgaben für die Erhebung der Steuer als letztlich Einnahmen. Wir sagen: Das Geld steht den Ländern zu, also geben wir ihnen auch die Zuständigkeit für die Gesetzgebung. Dann hätten wir rasch eine Wettbewerbssituation, in der man sich genau überlegt, wie Betriebsansiedlungen besteuert werden.

Frage: Herr Niebel, Sie selbst haben sich zuletzt mit der Kurdenproblematik beschäftigt. Laufen Sie sich schon für den Chefposten im Außenministerium warm?

NIEBEL: Ein ganz klares Nein. Ich habe dieses Statement nur im Rahmen meiner wöchentlichen Pressekonferenz zu aktuellen Themen gegeben.

Frage: Was erwarten Sie dann im Kurdenkonflikt von der türkischen Regierung?

NIEBEL: Die Geiselnahme hat gezeigt, dass die PKK versucht, den Konflikt zu internationalisieren. Das kann absolut nicht in unserem Sinne sein. Die Türkei muss endlich dem kurdischen Bevölkerungsteil die gleichen Rechte zubilligen wie allen anderen Staatsbürgern. Die Türkei muss, wenn sie in die EU will, gewisse Spielregeln einhalten. Entstehen in Deutschland Gebetshäuser für Muslime, so finde ich das völlig in Ordnung. Aber gleiches Recht für alle, also auch für die Christen und ihre Kirchen in der Türkei.

Frage: Blicken wir nach Bayern: Wie hoch schätzen Sie das Potenzial der FDP ein?

NIEBEL: Die Umfragen sind seit längerem konstant bei sechs bis sieben Prozent. Die Chance, in den bayerischen Landtag zurückzukehren, ist also außerordentlich gut. Wir unterstützen das Engagement der bayerischen Parteifreunde von Bundesebene aus sehr stark.

Frage: Bislang lassen die bayerischen Liberalen aber Aggressivität vermissen...

NIEBEL: Wir sind von Natur aus nicht aggressiv, aber wir sind das Kontrastprogramm zur Alleinregierung der CSU.

Frage: Inwiefern?

NIEBEL: Schauen Sie sich das Drama ums Rauchverbot an: Da wurde aus Furcht vor Reaktionen eine Gesetzgebung - faktisch für das Oktoberfest - durchgesetzt. Die FDP ist für absolute Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden, aber für Kennzeichnungspflicht und Wahlfreiheit an allen anderen Orten. Ich treffe mich nächste Woche im Münchner Hofbräuhaus zum Fachgespräch mit dem Verein zur Pflege der bayerischen Wirtshauskultur. In der Bildungspolitik treten wir für mehr Autonomie und mehr Wettbewerb ein.

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