04.03.2013FDPMenschenrechte und humanitäre Hilfe

Niebel-Interview für "Bild/Bild online"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit DIRK NIEBEL, gab der "Bild/Bild online" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten STEPHAN HASELBERGER und HANNO KAUTZ:

Frage: Herr Niebel, Sie sind der erste Entwicklungsminister, der sich nicht nur als Wohltäter begreift. Warum reicht es Ihnen nicht zu helfen?

NIEBEL: Füttern allein bekämpft keine Armut. Unsere Partner wollen selbst auf die Beine kommen. Dabei unterstützen wir sie...

Frage: ...und verfolgen deutsche Interessen?

NIEBEL: Aber ja. Wenn wir kluge Entwicklungspolitik betreiben, nehmen wir Geld für Deutschland ein. Mit jedem Euro Entwicklungszusammenarbeit fließen langfristig zwei Euro zurück zu uns.

Frage: Wie?

NIEBEL: Durch Wirtschaftskontakte. Es ist deutlich billiger, mit friedlichen Ländern Handel zu führen, als feindliche zu bekriegen.

Frage: Ursprünglich wollten Sie Ihr Ministerium mal abschaffen. Das klingt anders jetzt...

NIEBEL: Die deutsche Entwicklungspolitik hat sich verändert. Wir sind nicht mehr das Hirseschüssel-Ministerium meiner Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, sondern das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das sagt alles.

Frage: Stolz?

NIEBEL: Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Wir haben die Entwicklungshilfe radikal umgebaut, unsere Politik nach Wirksamkeit ausgerichtet. ,Viel hilft viel' - dieses Dogma zu durchbrechen, war eine kleine Revolution...

Frage: ...die ihnen viele übel nehmen.

NIEBEL: Meine Aufgabe ist es, die Entwicklungspolitik aus der Ecke der Schlabber-Pullis und Alt68er in die Mitte der Gesellschaft zu führen.

Frage: Schon Ihre Militärmütze ist für viele ein Affront.

NIEBEL: (lacht): Stimmt, da kriegen viele Berufsbetroffene die Schnappatmung. Aber wenn die "taz" schlecht über mich schreibt und die Linke schäumt, dann habe ich nicht alles falsch gemacht...

Frage: ...klingt wie Steinbrück auf FDP-Trip.

NIEBEL: ...ist aber Niebel pur. Viele beschweren sich, dass Politik langweilig ist. Dagegen helfen offenes Visier, klare Konturen, Mut und Fähigkeit, Dinge zuzuspitzen.

Frage: Dann können Sie die nächste Frage ja klar beantworten: Kaufen wir uns in Mali und Afghanistan mit mehr Entwicklungshilfe von mehr Militär-Einsätzen frei?

NIEBEL: Nein. Wir entziehen vielmehr Extremismus den Boden. Wenn der Taliban an die Tür klopft und fragt "Kommst Du mit kämpfen?", sollen junge Menschen in Mali und Afghanistan sagen können: "Tut mir leid, muss arbeiten!" - das ist das Ziel.

Frage: Finanzminister Schäuble will Ihren Etat trotzdem kürzen.

NIEBEL: Manchmal hat es den Anschein, als falle ihm das Sparen in den FDP-Ressorts besonders leicht. Es täte dem Koalitionsklima gut, wenn der Finanzminister um einen fairen Ausgleich bemüht wäre. Alle Ministerien müssen zu einem ausgeglichenen Haushalt beitragen.

Frage: Für Ihre offene Kritik an FDP-Chef Rösler haben Sie viel Prügel eingesteckt. Bereuen Sie die Attacken?

NIEBEL: Nein. Ausgerechnet auf einem Dreikönigstreffen der Liberalen kritische Worte zu wagen, war ein bewusster Tabu-Bruch. Mir ging es darum, dass sich die FDP nicht von guten Landtagswahlen blenden lässt, sondern sich rechtzeitig für die Bundestagswahlen positioniert. Das gelingt jetzt. Dafür lohnten die Prügel.

Frage: Beim Wahlparteitag der FDP kandidieren Sie wieder fürs Präsidium. Angst vor Strafe?

NIEBEL: Nein. Ich kann nicht glauben, dass in einer liberalen Partei Mut und Ehrlichkeit bestraft werden. Ich sehe den Wahlen mit Gelassenheit entgegen. Die FDP ist eine kluge Partei. Sie weiß: Es zahlt sich nicht aus, wenn man den Spitzenkandidaten der FDP Baden-Württemberg fallen lässt. Bundestagswahlen werden für die FDP nun mal eher in Baden-Württemberg als in Schleswig-Holstein gewonnen.

Frage: Sie fordern zwei Sitze für Baden-Württemberg an der FDP-Spitze?

NIEBEL: Es gibt feste Absprachen: Birgit Homburger war auch als Kompensation für den Verlust des Fraktionsvorsitzes im Frühjahr 2011 zur Vizevorsitzenden gewählt worden. Diese Vereinbarung gilt für die gesamte Legislatur. Deswegen erwartet die FDP in Baden-Württemberg, dass Birgit Homburger Vize-Vorsitzende bleibt. Zum Paket gehörte aber auch, dass ich als der von Baden-Württemberg nominierte Beisitzer im Amt bleibe. Ich gehe davon aus, dass alle Beteiligten vertragstreu sind.

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