24.09.2012FDPEntwicklungszusammenarbeit

NIEBEL-Interview für "Bild"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab
"Bild" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten HANNO KAUTZ und RALF SCHULER:

Frage: Herr Niebel, schon wieder Gewalt in der arabischen Welt. Können wir unsere Hoffnung aus dem arabischen Frühling jetzt begraben?

NIEBEL: Nein. Aber wir müssen realisieren, dass es auch in der arabischen Welt Jahreszeiten gibt. Es gibt Hoffnung, wie in Tunesien oder Marokko. Aber es gibt auch Enttäuschungen, wie jetzt im Sudan, wo die Regierung offensichtlich die Situation nicht unter Kontrolle hatte und einem Mob erlaubte, die deutsche Botschaft zu stürmen.

Frage: Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

NIEBEL: Wir konzentrieren unsere Zusammenarbeit auf Länder mit Entwicklungsorientierung, die demokratische Strukturen aufbauen. Ein Mindestmaß an Sicherheit ist Voraussetzung.

Frage: Ist das reine Nächstenliebe?

NIEBEL: Entwicklungszusammenarbeit ist nicht nur Kampf gegen Hunger. Als Handelsnation hat Deutschland großes Interesse an Frieden und an Wohlstand in der Welt. Insofern ist Entwicklungszusammenarbeit auch Interessenpolitik.

Frage: Wo sind unsere Interessen am größten?

NIEBEL: Sorgen mache ich mir zur Zeit um die Länder der südlichen Sahara.

Frage: Warum?

NIEBEL: In der südlichen Sahara, in den Ländern von Guinea Bissau bis Somalia droht ein zweites Afghanistan. Die Entwicklungsdefizite sind so groß, dass die Menschen anfällig werden für extremistische Ideen. Wir müssen aber verhindern, dass sich die Al Kaida hier eine Basis aufbaut, um Europa und Nordamerika anzugreifen. Dabei ist Entwicklungszusammenarbeit unsere schärfste Waffe. Unsere Hilfe gibt den Menschen Alternativen, Perspektiven.

Frage: Umso unverständlicher ist, dass sich Deutschland immer noch um China kümmert. Allein das Umweltministerium hat seit 2008 dort 50 Millionen Euro in Projekte gesteckt, die offiziell zur Entwicklungshilfe (ODA) zählen...

NIEBEL: China hat so viele Devisenreserven wie Deutschland Staatsschulden. Deshalb habe ich 2010 die klassische Entwicklungszusammenarbeit mit Peking beendet. Aber das bedeutet nicht das Ende der Kooperation. Gerade für das Umweltministerium kann es hoch interessant sein, mit dem größten Umweltsünder der Welt zusammen zu arbeiten. Geldgeschenke braucht China aber nicht.

Frage: Themenwechsel. Zur FDP: Ist Herr Rösler ein Parteichef auf Abruf?

NIEBEL: Nein. Einen Vorsitzenden stürzt man, oder man stützt ihn. Jeder Parteichef ist solange Parteichef, wie er gewählt ist und die Unterstützung der Partei hat.

Frage: Ärgern Sie sich über Frau von der Leyen?

NIEBEL: Mit ihrer sozialistischen Politik bereitet sich Frau von der Leyen auf ihre Kanzlerschaft in einer Große Koalition vor. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Angela Merkel gefällt.

Frage: Muss sich die FDP für SPD und Grüne öffnen, um eine Große Koalition zu verhindern?

NIEBEL: Die FDP will die erfolgreiche Politik in der Koalition mit CDU/CSU fortsetzen. Aber auch andere Mütter haben schöne Töchter. Auch andere Parteien haben gute Politiker mit guten Ideen...

Frage: ...wie Peer Steinbrück?

NIEBEL: Der zählt sicher dazu. Aber die SPD entscheidet, wen sie nominiert, und am Ende entscheidet sowieso der Wähler.

Frage: Sie loben die aktuelle Koaliton. Dabei scheint die FDP genau darin unterzugehen...

NIEBEL: Die Handschrift der FDP in der Koalition muss wieder deutlicher erkennbar werden. Die FDP ist Garant für die Stabilität des Euros, aber auch für die Chance, unseren Wohlstand zu erhalten. Ohne die FDP wären die europäischen Schulden längst vergemeinschaftet worden. Wir hätten Eurobonds, Altschuldentilgungsfonds. Wir sind solidarisch. Aber wir sind nicht blöd.

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