FDPDas aktuelle Interview

Neue Wege gehen für Familien und Bildung

Katja SudingKatja Suding
26.06.2015

In Irland gibt es bald die Ehe für alle – auch in Deutschland wandelt sich das Familienbild. FDP-Vize Katja Suding fordert im Interview mit der "Frankfurter neuen Presse" eine kritische Überprüfung aller familienpolitischen Maßnahmen, die fast zwei Drittel des Bundeshaushalts ausmachten. Auch in der Bildungspolitik sieht die Freidemokratin Verbesserungspotenzial: „Es geht um die Frage: Wie schaffen wir es, den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abzukoppeln?“

Zu diesem Zweck plädiert Suding dafür, bei der Bildungsfinanzierung neue Wege zu beschreiten und den Bund stärker einzubinden. Dadurch sollten Kinder in Bundesländern, „die zu wenig Geld haben oder nicht die richtigen Prioritäten für Bildung setzen“, ebenso gute Startchancen bekommen wie alle anderen. „Zu einer umfassenden Bildungsreform gehört aber auch mehr Selbstverantwortung der Bildungseinrichtungen, die dann selbstständig über Organisation, Konzept, Budget und Personal entscheiden sollen“, konkretisierte Suding die freidemokratischen Reformideen.

Lesen Sie hier das gesamte Interview.

Sie sind auf dem jüngsten FDP-Parteitag vom Vorsitzenden Christian Lindner als Eisbrecherin gelobt worden, weil Sie in Hamburg mit 7,4 Prozent erstmals seit 2013 wieder eine Landtagswahl für Ihre Partei gewonnen haben. Auch in Bremen sah das Ergebnis gut aus. Ist die FDP jetzt über den Berg?

Nein. Wir haben mit den Wahlerfolgen in Hamburg und Bremen gezeigt, dass die Richtung stimmt. Aber der Weg zurück in den Bundestag ist noch lang und steinig. Deshalb ist es wichtig, dass die ganze Partei jede Landtagswahl wirklich als kleine Bundestagswahl ansieht und gemeinsam und geschlossen kämpft. Dann wird es weiter gelingen, Schritt für Schritt Vertrauen zurückzuerarbeiten. Dazu gehört auch eine gute Portion Demut. Also, über den Berg sind wir noch nicht, aber die Richtung stimmt.

Sie stehen ja auch besonders für die Erneuerung der FDP ein. Worin besteht denn diese Erneuerung? Ist es die Abkehr von der reinen Steuersenkungspartei, oder was steckt noch mehr in der neuen FDP?

Wir sind nach der Bundestagswahl in einen sehr offenen und schonungslosen Prozess der Selbstbetrachtung gegangen, haben neue Erkenntnisse gewonnen und unsere Position weiterentwickelt. Aber unsere Grundwerte sind natürlich geblieben: Freiheit, Verantwortung, Chancengerechtigkeit, Toleranz, Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit. Auch das Steuerthema ist nach wie vor wichtig. Die kalte Progression abzuschaffen, bleibt das Gebot der Stunde. Die Steuereinnahmen sprudeln, und wir müssen jetzt endlich gerade die kleinen und mittleren Einkommen von der immer stärker steigenden Steuerlast befreien. Darüber hinaus halten wir weiter die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft hoch. Der Mindestlohn greift in die Tarifautonomie ein und führt zu Verzerrungen. Unsere Freiheits- und Bürgerrechte müssen weiterhin verteidigt werden. Bei der Vorratsdatenspeicherung hat der SPD-Nachfolger von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als Justizminister nicht mal die halbe Wahlperiode gebraucht, um seinen erklärten Widerstand dagegen aufzugeben. Die große Koalition stellt mit ihrem Angriff auf die Bürgerrechte jeden einzelnen Menschen unter Generalverdacht. Und für mich persönlich ist Bildung die soziale Frage in unserem Land.

Gleiche Startchancen für alle Kinder

Das ist ja neben der Familien- und Gesellschaftspolitik Ihr Schwerpunkt als stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende.

Ja, es geht um die Frage: Wie schaffen wir es, den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abzukoppeln? Wir wollen einen anderen Weg in der Bildungsfinanzierung gehen und den Bund stärker einbinden. Kinder in Ländern, die zu wenig Geld haben oder nicht die richtigen Prioritäten für Bildung setzen, dürfen keine schlechteren Startchancen haben. Zu einer umfassenden Bildungsreform gehört aber auch mehr Selbstverantwortung der Bildungseinrichtungen, die dann selbstständig über Organisation, Konzept, Budget und Personal entscheiden sollen.

Und was ist Ihr Anliegen in der Familienpolitik?

In erster Linie geht es darum, den unglaublichen Wust an familienpolitischen Maßnahmen zu entrümpeln. Wir geben für 160 unterschiedlichste familienpolitische Maßnahmen etwa zwei Drittel des Bundeshaushalts aus. Grotesk ist, dass der Staat Milliarden für den Ausbau von Krippen- und Kita-Plätzen investiert, gleichzeitig aber mit dem Betreuungsgeld eine Prämie dafür zahlt, dass Eltern ihre Kinder eben nicht in die Krippen schicken. Auch sollten so unglaublich teure Instrumente wie das Ehegattensplitting und die beitragsfreie Mitversicherung von Ehegatten in der Krankenversicherung kritisch hinterfragt werden. Viele Maßnahmen kosten Milliarden, bringen aber sehr wenig für die bessere Förderung von Kindern oder die Stabilität von Familien. Das Familienbild hat sich gewandelt. Neben der klassischen Einverdienerehe mit mehreren Kindern gibt es viele weitere Formen des Zusammenlebens, in denen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Das muss die Politik stärker berücksichtigen. Deshalb werbe ich auch dafür, dass wir das Ehegattensplitting weiterentwickeln zu einem kinderorientierten Familiensplitting.

2017 zurück in den Bundestag

Was war denn Ihr persönliches Motiv, als stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende anzutreten?

Wir haben das große Ziel des Wiedereinzugs in den Bundestag. Ich möchte daran mitarbeiten, den Schwung, den wir aus Hamburg und Bremen mitbringen, auch in die nächsten Landtagswahlen und die Bundestagswahl einzubringen. Mit einer FDP, die zwar keine ganz neue Partei ist, sich aber im Stil und Auftreten, von der Gewichtung ihrer Themen und ihrer Programme verändert hat und auch noch verändern wird.

Kommen Sie im Bestreben, Wähler der AfD zu gewinnen, in Versuchung, etwa in Sachen „Grexit“ auch etwas von deren Programmatik zu übernehmen?

Nein, ganz und gar nicht. Die Position, die wir damals vertreten haben, hat sich im Nachhinein als richtig erwiesen. Die Rettungsschirme haben Länder wie Portugal, Spanien und Irland die Unterstützung ermöglicht, sich zu stabilisieren. Jetzt ist die Gefahr eine ganz andere: Man darf Stabilitätskriterien nicht dauerhaft für Griechenland aufweichen und damit anderen Ländern, die echte Reformen und Sparanstrengungen zeigen, ein schlechtes Beispiel geben. Griechenland muss daher glaubwürdige und nachprüfbare Reformen vorlegen und wird dann selbstverständlich auch weiterhin die Unterstützung von ganz Europa in dieser schwierigen Zeit haben. Und genau das unterscheidet uns klar von der AfD: Wir sind optimistisch und zukunftsgewandt, während die AfD Ängste schürt und sich nationalistisch gibt. Unsere beiden Parteien unterscheiden sich fundamental voneinander.

Zu welcher Koalitionsaussage würden Sie der FDP auf Bundesebene raten?

Da empfehle ich, keine Koalitionsaussage zu machen. Wir sollten für uns selber kämpfen, für starke Freie Demokraten. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Wir haben schlechte Erfahrungen damit gemacht, uns zu sehr an eine Partei zu binden.

Frische Bilder, starke Inhalte

Noch eine persönliche Frage: War die Parole „Unser Mann in Hamburg“, mit ihrem Bild versehen, im Hamburger Wahlkampf richtig?

Nach drei verlorenen Landtagswahlen und schlechten Umfragewerten mussten wir als FDP erst einmal dafür sorgen, Aufmerksamkeit zu erregen. Das haben wir damit auch geschafft. Und dann waren die Ohren der Menschen wieder offen für unsere Inhalte.

Und stehen Sie auch zu den Bildern von Ihnen, Generalsekretärin Nicola Beer und der Bremer Spitzenkandidatin Lencke Steiner in der „Gala“?

Ja. Neben den Bildern gab es auch ein Interview. Parteien wollen und sollen Menschen ja auch über die Zielgruppe der klassisch Politikinteressierten hinaus erreichen. Da ist ein Gespräch mit einer Publikumszeitschrift nicht abwegig. Dass dazu Bilder gemacht werden, gehört nun einmal dazu. Also: Klar, ich stehe dazu.

Streben Sie bei der nächsten Bundestagswahl auch selbst ein Mandat in Berlin an?

Unsere Aufstellung für die Bundestagswahl 2017 werden wir frühzeitig in den Hamburger Parteigremien besprechen.

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