FDPDigitale Gesellschaft

Netzpolitik muss liberale Handschrift tragen

Grafik Im AtriumNeue Gesprächsreihe gestartet
11.04.2014

Gelungener Auftakt der neuen Gesprächsreihe der FDP: Bei der ersten Veranstaltung "Im Atrium" beschäftigten sich über 60 Gäste mit der Frage: „Europa: Raum digitaler Selbstbehauptung?“ Neben dem FDP-Spitzenkandidaten Alexander Graf Lambsdorff und dem Vorsitzenden des Beirats „Junge Digitale Wirtschaft“, Tobias Kollmann, hat der frühere Bundesverfassungsrichter und Staatsrechtler Udo Di Fabio ein bemerkenswertes Impulsreferat gehalten.

Im Gespräch wollten die Beteiligten herausfinden, wo Regelsetzung nötig sei, und wie es Europa schaffen könne, ein Raum der digitalen Selbstbehauptung zu werden. Allerdings ohne den Anspruch auf eine Antwort, skizzierte Lambsdorff den Charakter der Veranstaltung. Flankiert wurden die einleitenden Worte des Liberalen durch zwei Impulsreferate, die es in sich hatten und zu einem Appell für Liberale und die Freiheit wurden.

Startups als Vorreiter für Innovation

Tobias KollmannTobias Kollmann

Prof. Dr. Tobias Kollmann, der nicht nur den Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen am Campus Essen innehat, sondern auch der Vorsitzende des Beirats „Junge Digitale Wirtschaft“ ist, sieht es als zwingend geboten an, dass eine digitale Netzpolitik für Europa und Deutschland eine liberale Handschrift trägt.

In seinen weiteren Ausführungen untermauerte er diese These mit mehreren Argumenten: Zum einen könne die Grenze zwischen realer und virtueller Welt nicht mehr gezogen werden. Und „wer digital nicht mitspielen kann, wird gar nicht mehr mitspielen“, ist der Geschäftsführer der netSTART Venture GmbH überzeugt. Tobias Kollmann sagt, Deutschland sei digital wirtschaftlich abgehängt.

Seiner Ansicht nach muss daher die Nutzung von digitalen Geschäftsprozessen intensiviert und Existenzgründungen in der Net Economy gefördert werden. Er forderte deshalb eine Strategie zur Förderung und Unterstützung junger IKT-Unternehmen (Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologien).

Neues Schulfach: Digitale Medienkompetenz stärken

Alexander Graf Lambsdorff, Tobias Kollmann und Moderator Hans-Joachim OttoTobias Kollmann vertieft seine Thesen

Kollmann will im Kern drei Dinge: verbesserte Ausbildung, verbesserte Finanzierung und Förderung sowie verbesserte Infrastruktur. Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine Studie, die besagt: 'Keine angemessene Informatikausbildung anzubieten, bedeutet, dass Europa seiner neuen Generation von Bürgern in der Bildung wie auch wirtschaftlich schadet.“ Hier müssten neue Wege gegangen werden, um die digitale Medienkompetenz in der Ausbildung zu stärken. Wichtig in diesem Zusammenhang sei aber, dass es bei dieser Frage nicht um eine rein technische, sondern eher anwendungsorientierte Informatik geht, bei der nicht nur die Programmierung, sondern auch die Nutzung der digitalen Medien unterrichtet wird.

Kollmann verwies auch auf die signifikante Bedeutung der IT-Wirtschaft für die deutsche Wirtschaft: So wird laut Monitoring-Report Digitale Wirtschaft 2012 im IKT-Bereich von rund 843.000 Beschäftigten ein Umsatz von 222 Milliarden Euro erwirtschaftet. „Startups sind innovative Vorreiter“, meint Kollmann und daran mangele es in Deutschland. Deutsche Gründer sollten auch gesellschaftlich gefördert und motiviert werden.

Netzpolitik ist das absolute Basisthema für die FDP

Alexander Graf Lambsdorff, Tobias Kollmann, Hans-Joachim Otto, Udo di Fabio und Niko AlmAlexander Graf Lambsdorff, Tobias Kollmann, Hans-Joachim Otto, Udo di Fabio und Niko Alm

Von hier aus schlug Kollmann den Bogen zu seiner These warum eine digitale Netzpolitik die liberale Handschrift tragen muss: Für ihn ist die ist die digitale Transformation vielleicht das wichtigste gesellschaftliche und wirtschaftliche Thema der Gegenwart. Es sei aber an der Zeit, dass Deutschland die digitale Transformation auch selbst in die Hand nimmt. Das bedeute aber sicherlich nicht, dass dies regulativ verordnet werden könne. „Wir brauchen eine übergeordnete Netzpolitik, die sich den Herausforderungen der digitalen Transformation seiner Gesellschaft stellt.“

Eine originäre Aufgabe für Liberale: „Internet sollte liberal sein.“ Liberale Netzpolitik bedeute in 2014, dass jeder Bürger die prinzipielle, bildungsneutrale und schnelle Möglichkeit zur Teilnahme am Internet bekommt. Er wünscht sich eine Netzpolitik, die dafür sorgt, dass die Kompetenzvermittlung mit und für das Internet zu neuen Freiheitsgraden in der Nutzung für jeden heranwachsenden Netzteilnehmer der aktuellen und zukünftigen Gesellschaft wird. „Netzpolitik ist das absolute Basisthema für die Frei Demokratische Partei“, lautet sein Fazit.

Das Netz wird beherrscht

Udo di FabioUdo di Fabio hielt bemerkenswertes Impulsreferat

Auch der frühere Bundesverfassungsrichter und Staatsrechtler Udo Di Fabio hielt ein bemerkenswertes Impulsreferat. Er erinnerte vor den rund 60 Gästen an den Widerstand gegen die Volkszählung in den 1980er Jahren und an das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das nach erheblichen Protesten vom Bundesverfassungsgericht festgehalten wurde. Damals brach sich zwar das Unbehagen gegen die staatliche Erhebung, Speicherung und Verarbeitung eines umfassenden Katalogs persönlicher Daten Bahn. Im Vergleich zu heute sagt Di Fabio: „Was waren das noch für geradezu idyllische Gefahrenlagen.“

Jetzt habe man es mit ACTA zu tun. Einerseits hätten Internetaktivisten und im Hintergrund wohl auch kommerzielle Interessen dies wirkungsvoll zu Fall gebracht und die Demokratien in Europa geradezu in Schrecken versetzt. „Die Netzgemeinde wurde eine politische Macht.“ Andererseits habe spätestens die NSA-Affäre gezeigt: „Das Netz ist nicht nur Schwarmintelligenz, nicht nur Freiheit. Das Netz wird beherrscht“, so di Fabio. Von Staaten, von Unternehmen wie Google oder Amazon und der Krake NSA und alle seien Akteure, die zusammen arbeiten müssten.

Wo aber stehe dann der Rechtsstaat: Muss er einen unregulierten Raum dulden und ihn nehmen, wie er ist? Oder kann das Netz reguliert werden? Die Politik wolle zwar Verfügungsgewalt, müsse aber aufpassen, dass „das Pendel nicht ausschlägt und Überregulierung eintritt.“ Was sei ein Rechtsstaat mit seinem Regelungsanspruch und was sollte mit ihm gemeinsam als autokratischer Anschlag auf die Netzfreiheit bekämpft werden?

Der Einzelne ist nicht machtlos

Udo di Fabio

Di Fabio setzt an dieser Stelle auf den Anspruch: „Der Einzelne ist nicht machtlos.“ Elternhäuser und Schulen könnten auf bewussten und vorsichtigen Umgang mit Diensten und persönlichen Daten hinwirken: Imperativ der Netzerziehung. Denn: „Wir werden kein Recht schaffen, das das Netz beherrscht.“ Dazu sei es viel zu komplex.

Es gebe ohnehin schon ein Recht: Das Persönlichkeits- und das Selbstbestimmungsrecht, das man im Netz wahren und stärken könne, ohne die Bürokratie einzuschleusen. Europa und die die Unionsbürger könnten intensiver darüber nachdenken, wie allgemeine Grundprinzipien sichergestellt werden könnten. Und das klassische Zivilrecht gelte überall auf der Welt. „In diese Richtung müssen wir denken“, so di Fabios Appell. Europa sei auch nicht machtlos. Es habe aber Nachholbedarf.

Europa muss sich allmählich aus dem sanften Protektorat Amerikas herausentwickeln und mit Phantasie eigene Wege der Technik und Kommunikation erproben. Nur mit einem starken Europa könne unterschieden werden zwischen jenen, die die Freiheit im Netz lieben und denen, die diese Freiheit bedrohen. Hier sieht di Fabio die Aufgabe der Liberalen. Sie müssten innovativ werden. Interessant wäre an dieser Stelle auch „das Ausbuchstabieren liberaler Politik.“

Wir brauchen mündige Netzbürger

Niko AlmNiko Alm legt seine Thesen dar

In der anschließenden regen Podiumsdiskussion, an der sich auch die Gäste aus dem Plenum beteiligten, betonte auch Niko Alm von den NEOS – der österreichischen Schwesterpartei der FDP - das Primat des mündigen Netzbürgers. Alm, der netzpolitischer Sprecher von NEOS ist, treibt die Sorge vor einer Gefahr eines Zwei-Klassen-Internets um.

Für ihn braucht das Internet, als zentrale Kommunikationsinfrastruktur der nächsten Jahrzehnte, Raum, um sich zu entwickeln - auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Einen kleinen Schock-Moment versetzte Alm dem liberalen Parteifreund Lambsdorff, als er konstatierte: „Wir leben in einer Post Privacy Era“. Er heiße das mitnichten gut, wie sorglos die Bürger mit ihren Daten umgingen. Es gelte viel mehr, das Engagement auch auf europäischer Ebene zu verstärken, um die Privatsphäre der Bürger auch gegenüber Quasimonopolisten wie Facebook und Google durchzusetzen. Auch er äußerte die Überzeugung, dass Europa weder bedeutungs- noch machtlos sei.

Gemeint waren damit auch die derzeit laufenden Verhandlungen zwischen Europa und Amerika in Sachen TTIP, SWIFT und Safe Harbour-Abkommen: Die letzten beiden Punkte wollen die Liberalen aussetzen. Auch diese Themen nahmen einen breiten Raum ein.

Wie diese Diskussion verlief, können Sie sich in Kürze an dieser Stelle im Video-Mitschnitt der Veranstaltung anschauen.

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