03.09.2018Die Bilder von Rechtsextremisten, die Menschen in Chemnitz jagten, haben die Republik erschüttert und den Eindruck verstärkt. Alle sind jetzt gefordert, die Stimme zu erheben und die liberale Demokratie zu verteidigen, meint Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a.D. und Vorstandsmitglied der Stiftung für die Freiheit. Dabei gehe es nicht nur um Sachsen. "Die Gefahr, dass der rechte Rand unsere Gesellschaft zerfrisst, gilt in ganz Deutschland", unterstreicht sie. Deshalb gelte es, entschlossen für die offene Gesellschaft einzutreten und zu verhindern, dass fremdenfeindliche Gewalt Alltag werde.
Leider seien die gewalttätigen Chemnitzer Übergriffe nur die Spitze des Eisbergs, konstatiert Leutheusser-Schnarrenberger mit Blick auf Berichte über den Alltagsrassismus in Deutschland, den Menschen mit Migrationshintergrund erleben. "Die Radikalität, die Menschen entgegenschlägt, die anders aussehen oder vermeintlich fremd wirken, nimmt immer weiter zu – und sie wird von einer ungemein erfolgreichen rechtspopulistischen Partei befördert", hält sie fest. "Täglich hetzt und schürt sie Vorurteile gegen das vermeintlich Fremde und Andere." Migration nur noch im Kontext zu Abschottung zu diskutieren, oder zu unterstellen, dass weniger Flüchtlinge gleich weniger Probleme im Land bedeuten würden, sei aber falsch.
Eine nachvollziehbare, sinnvolle Einwanderungs- und Integrationspolitik scheine 2018 zwar entfernter denn je. "Länder und Kommunen werden bei dem Kraftakt einer nachholenden Integration fast alleine gelassen. Investitionen in Bildung verheddern sich im Gestrüpp einer monströsen Bürokratie", erläutert die ehemalige Bundesjustizministerin. Und selbst gut integrierte Flüchtlinge, die am Arbeitsmarkt gebraucht würden, müssten immer wieder das Land verlassen. Aber: "Taugen diese politischen Probleme zur Erklärung einer um sich greifenden Fremdenfeindlichkeit? Wohl kaum", stellt sie klar.
Für das eigene Verhalten sei jeder Bürger selbst verantwortlich. "Wer zusammen mit Rechtsextremen demonstriert, die den Hitlergruß zeigen, nimmt sich selbst aus dem politischen Diskurs. Politik setzt auf Diskussionen und Lösungen, nicht auf Gewalt und Krawall", betont Leutheusser-Schnarrenberger. Die Schuld für die Szenen von Angst und Chaos in Chemnitz liege nicht nur beim Staat. "Wir sind schuld. Wir Bürger lassen es zu, dass immer mehr Fremdenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft laut wird", verdeutlicht sie.
Deshalb: "Wir müssen uns mehr einmischen, jeder von uns." Jeder Einzelne müsse Flagge zeigen. "Wenn ein Bekannter nicht zu einem Bäcker gehen will, weil dort die Verkäuferin ein Kopftuch trägt. Bekommt man so etwas mit, heißt es: Widersprechen. Wenn jemand in der Straßenbahn pöbelt, weil ein Kind anders aussieht: Einmischen. Wenn der Onkel über syrische Flüchtlinge hetzt: Gegenhalten", fordert Leutheusser-Schnarrenberger. Denn das Grundgesetz verpflichte jeden Einzelnen, Stimme für die Würde des Menschen zu erheben. (ch)
Nach Chemnitz sind alle gefordert
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ruft zum Schutz der Werte des Grundgesetzes auf. Bild: nitpicker / Shutterstock.comDie Bilder von Rechtsextremisten, die Menschen in Chemnitz jagten, haben die Republik erschüttert und den Eindruck verstärkt. Alle sind jetzt gefordert, die Stimme zu erheben und die liberale Demokratie zu verteidigen, meint Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a.D. und Vorstandsmitglied der Stiftung für die Freiheit. Dabei gehe es nicht nur um Sachsen. "Die Gefahr, dass der rechte Rand unsere Gesellschaft zerfrisst, gilt in ganz Deutschland", unterstreicht sie. Deshalb gelte es, entschlossen für die offene Gesellschaft einzutreten und zu verhindern, dass fremdenfeindliche Gewalt Alltag werde.
Leider seien die gewalttätigen Chemnitzer Übergriffe nur die Spitze des Eisbergs, konstatiert Leutheusser-Schnarrenberger mit Blick auf Berichte über den Alltagsrassismus in Deutschland, den Menschen mit Migrationshintergrund erleben. "Die Radikalität, die Menschen entgegenschlägt, die anders aussehen oder vermeintlich fremd wirken, nimmt immer weiter zu – und sie wird von einer ungemein erfolgreichen rechtspopulistischen Partei befördert", hält sie fest. "Täglich hetzt und schürt sie Vorurteile gegen das vermeintlich Fremde und Andere." Migration nur noch im Kontext zu Abschottung zu diskutieren, oder zu unterstellen, dass weniger Flüchtlinge gleich weniger Probleme im Land bedeuten würden, sei aber falsch.
Fremdenfeindlichkeit aktiv entgegentreten
Eine nachvollziehbare, sinnvolle Einwanderungs- und Integrationspolitik scheine 2018 zwar entfernter denn je. "Länder und Kommunen werden bei dem Kraftakt einer nachholenden Integration fast alleine gelassen. Investitionen in Bildung verheddern sich im Gestrüpp einer monströsen Bürokratie", erläutert die ehemalige Bundesjustizministerin. Und selbst gut integrierte Flüchtlinge, die am Arbeitsmarkt gebraucht würden, müssten immer wieder das Land verlassen. Aber: "Taugen diese politischen Probleme zur Erklärung einer um sich greifenden Fremdenfeindlichkeit? Wohl kaum", stellt sie klar.
Für das eigene Verhalten sei jeder Bürger selbst verantwortlich. "Wer zusammen mit Rechtsextremen demonstriert, die den Hitlergruß zeigen, nimmt sich selbst aus dem politischen Diskurs. Politik setzt auf Diskussionen und Lösungen, nicht auf Gewalt und Krawall", betont Leutheusser-Schnarrenberger. Die Schuld für die Szenen von Angst und Chaos in Chemnitz liege nicht nur beim Staat. "Wir sind schuld. Wir Bürger lassen es zu, dass immer mehr Fremdenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft laut wird", verdeutlicht sie.
Deshalb: "Wir müssen uns mehr einmischen, jeder von uns." Jeder Einzelne müsse Flagge zeigen. "Wenn ein Bekannter nicht zu einem Bäcker gehen will, weil dort die Verkäuferin ein Kopftuch trägt. Bekommt man so etwas mit, heißt es: Widersprechen. Wenn jemand in der Straßenbahn pöbelt, weil ein Kind anders aussieht: Einmischen. Wenn der Onkel über syrische Flüchtlinge hetzt: Gegenhalten", fordert Leutheusser-Schnarrenberger. Denn das Grundgesetz verpflichte jeden Einzelnen, Stimme für die Würde des Menschen zu erheben. (ch)