FDPEU-Ausstieg von Großbritannien

Merkel und Juncker tragen Mitverantwortung für Brexit

Christian LindnerVor Pressevertretern in Berlin analysiert Christian Lindner die Folgen des Brexit-Referendums
24.06.2016

Ein ernüchterndes Ergebnis: Die Briten werden die EU doch verlassen. "Dieser historische Tag ist eine Warnung, dass es in Europa so nicht weitergehen kann", konstatierte FDP-Chef Christian Lindner mit Blick auf den Ausgang des Brexit-Referendums. Aus seiner Sicht hätten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker eine erhebliche Mitverantwortung für die Entscheidung der Briten. "Denn seit Jahren wird in Europa den Problemen hinterher regiert", unterstrich der Freidemokrat. Lindner plädierte deshalb für einen Neustart in der EU. "Wir dürfen die Debatte nicht denjenigen überlassen, die Europa hassen", verdeutlichte er.

"Wer Europa will, der darf es nicht glorifizieren, sondern der muss es besser machen", so der FDP-Chef weiter. Statt um Erweiterung und Zentralisierung müsse es dafür um Freiheit, Subsidiarität und Stabilität gehen. Die Erfolge des Binnenmarktes und die Freizügigkeit der Menschen seien positive Beispiele eines Europas, das im Alltag neue Chancen schaffe, hob Lindner hervor. "Daran wollen wir anknüpfen. Europa muss daher über eine neue Sortierung der Kompetenzen zwischen Mitgliedstaaten und Brüssel sprechen, sich klar zu den eigenen Regeln bekennen und die sinnlos gewordenen Beitrittsgespräche mit der Erdogan-Türkei beenden", forderte er. "Wir wünschen uns ein Europa, das wieder unterscheiden kann, wo gemeinsames Handeln nötig ist und wo man auf die Eigenverantwortung der Bürger vertrauen kann."

Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki sieht den Ausgang der Abstimmung als symbolhaft für das europapolitische Scheitern der Bundeskanzlerin. Hätte sie in Großbritannien mit halb so viel Energie für den Verbleib in der ‪‎EU geworben, als sie für die Besänftigung Erdogans in Ankara gebraucht habe, "wäre zumindest die Chance größer gewesen, ‪Großbritannien in der EU zu halten", schätzte er ein. Kubicki monierte: "Sie hat mit ihrer außenpolitischen Irrfahrt den fatalen Eindruck erweckt, ‎Erdogan sei ein wichtigerer Partner für die Europäische Union als Cameron. Es ist vieles vorstellbar, aber eine EU ohne Großbritannien und mit der Türkei würde die Menschen in Europa überfordern."

Keine Bevorzugung der Briten

Mit der mehrheitlichen Entscheidung für den EU-Ausstieg hätten die Briten ein Zeichen gegen die von der Bundeskanzlerin beschworene Alternativlosigkeit gesetzt, stellte Lindner fest. "Sie haben die fraglos schlechtere Wahl getroffen, aber damit zugleich bestätigt, dass Europa eine neue Legitimation benötigt. Pathos und Appelle reichen nicht mehr", ist er überzeugt. Der FDP-Chef kritisierte etliche Entscheidungen der vergangenen Wochen wie die Abhängigkeit von der Türkei in der Flüchtlingskrise und die Aufweichung des Euro-Stabilitätspakts. "Damit wurde eine Stimmung befördert, die Populisten nutzen konnten, um das Projekt Europa zu bekämpfen", machte er klar.

Die demokratische Entscheidung der Briten sei zu respektieren, betonte Lindner. Die Verantwortung für die Folgen müssten sie jedoch übernehmen. "Eine Bevorzugung gegenüber anderen Nicht-Mitgliedern der EU darf es nicht geben, denn das würde innerhalb Europas die Fliehkräfte nur verstärken", unterstrich er. Diese Fliehkräfte fange nur ein, wer die Wünsche nach mehr Freiheit unter dem gemeinsamen Dach des Hauses Europa umsetze.

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