FDPEU-Türkei-Deal

Merkel muss bei Erdogan jetzt standhaft bleiben

Türkei-Flagge in IstanbulFreie Demokraten erwarten von der Kanzlerin eine klare Botschaft an Erdogan.
24.05.2016

Angela Merkel wird an diesem Montag mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammentreffen. Die Freien Demokraten erwarten von der Kanzlerin eine klare Botschaft an Erdogan. FDP-Chef Christian Lindner warnte Merkel angesichts der innenpolitischen Eskalation in Ankara vor Zugeständnissen an die türkische Staatsführung: "Die Kanzlerin muss Erdogan die klare Botschaft überbringen, dass sein Gebaren absolut inakzeptabel ist und dass es bei Grundrechten, Pressefreiheit und Demokratie keine Rabatte geben wird", sagte Lindner der dpa. Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff, warnt im Interview mit der "Welt" vor einem Rechtsstaat-Rabatt für Ankara - und einer neuen Flüchtlingswelle. Im Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin mahnt er: "Eine pragmatische Zusammenarbeit mit der Türkei, daran führt kein Weg vorbei."

Im Interview mit der "Welt" macht er der Bundesregierung schwere Vorwürfe: "Das Kanzleramt neigt dazu, vor Erdogan in die Knie zu gehen." Die Türkei-Politik Merkels sei insgesamt nicht berechenbar, kritisiert er. "Der Kurs der Kanzlerin schwankt seit Jahren zwischen Ablehnung und Anbiederung. Als CDU-Vorsitzende lehnt Angela Merkel einen EU-Beitritt der Türkei konsequent ab. Jetzt plötzlich aber treibt sie in der Flüchtlingskrise die Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei zur EU voran."

Lindner: Der Beitrittsprozess ist unter diesen Vorzeichen sinnlos

Merkel habe "sich mit dem Flüchtlings-Deal in die Abhängigkeit von Erdogan begeben", meint auch der FDP-Chef. "Statt sich auf die Europäische Union zuzubewegen, zerstört er systematisch die Demokratie in seinem Land." So grenze die Aufhebung der Immunität zahlreicher Abgeordneter an einen Staatsstreich, so Lindner. "Der Beitrittsprozess ist unter diesen Vorzeichen sinnlos und sollte abgebrochen werden."

Damit Deutschland und Europa nicht durch Erdogan erpressbar seien, müsse "mit Hochdruck an einer europäischen Lösung für die Flüchtlingskrise gearbeitet werden", fordert Lindner. Zudem sei eine Reform des europäischen Asylrechts mit einem fairen Verteilungsschlüssel notwendig. "Hierbei ist weitere Überzeugungsarbeit der Kanzlerin unentbehrlich", meint der FDP-Chef.

Türkei erwartet offenbar einen Rabatt

Mit Blick auf die 72 Bedingungen, die die EU an den Flüchtlings-Pakt mit der Türkei geknüpft hat, hält Lambsdorff fest, dass Ankara eindeutig nicht an dem Punkt ist, dass man sagen könne: Es wird vollständige Visumsfreiheit gewährt. Äußerungen von Erdogan würden zudem sehr deutlich machen, dass er die weitreichenden türkischen Anti-Terror-Gesetze nicht an EU-Standards anpassen wolle: "Die Türkei erwartet also offenbar einen Rabatt. Es kann aber nicht sein, dass wir einen Rabatt einräumen und uns damit die nächste Flüchtlingswelle ins Land holen - nämlich die von den Anti- Terror-Gesetzen besonders betroffenen Kurden."

Aus Sicht der FDP ist eine vollständige Visaliberalisierung nicht denkbar, wenn die Kriterien nicht erfüllt sind. Lambsdorff betont: "Viel sinnvoller wären Erleichterungen für einzelne Gruppen wie Künstler, Forscher, Studierende, Geschäftsleute oder für Menschen mit Familienangehörigen in der EU, an deren Rückkehrwille kein Zweifel besteht. Daran sollten wir arbeiten, denn davon hätten beide Seiten und die Menschen in der Türkei etwas."

Man könne eine Menge tun, ohne gleich die Schleusen komplett aufzumachen. "Erleichterungen sind schon ok - aber nicht gleich für alle. Das wäre jetzt das falsche Signal", so Lambsdorff am Montag im "ZDF-Morgenmagazin". Die Visa-Freiheit könne nicht "so schnell übers Knie gebrochen" werden, wie es Kanzlerin Angela Merkel  vorhabe.

Wir brauchen einen echten europäischen Grenzschutz

Lambsdorf fordert außerdem, die Außengrenze der Europäischen Union besser zu schützen. "Wir brauchen einen echten europäischen Grenzschutz, der aufgrund eigener Lagebeurteilung eigene Maßnahmen ergreifen kann zum Schutz der EU-Außengrenzen." Dazu gehörten ein Weisungsrecht durch die Kommission sowie eine parlamentarische Aufsicht durch das Europaparlament. "Wir müssten schneller vom Fleck kommen, insbesondere bei der Unterstützung Griechenlands durch eine eigene europäische Grenzschutzbehörde."

Diese Funktion sei für die Grenzschutzagentur Frontex derzeit nicht vorgesehen. Kein Frontexbeamter könne jedoch "auch nur einen Schritt" machen ohne die Erlaubnis des Landes, in dem er im Einsatz sei. "Es gibt keine Handlungsfähigkeit von Frontex aufgrund einer eigenen Lagebeurteilung. Das müssen wir endlich ändern", sagte Lambsdorff.

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