FDPFreiheit und Verantwortung

Linke Politik ist oft nicht sozial

Katja SudingKatja Suding fordert Chancengleichheit statt Gleichmacherei
18.08.2015

Ist Gleichmacherei gerecht? Nein, findet Katja Suding. Im Interview mit der "Welt am Sonntag" prangerte die FDP-Vize diese Tendenz linker Politik an und fordert mehr Entfaltungsfreiheit für den Einzelnen. "Politik kann und sollte nicht von oben die Angelegenheiten von 81 Millionen Bundesbürgern regeln wollen", stellte die Freidemokratin klar. "Es steckt so viel Kreativität, Schaffenskraft und Energie in jedem Einzelnen, die Probleme selbst zu lösen."

Die meisten Menschen wollten unabhängig sein, ihr eigenes Leben finanzieren und gestalten können, gab Suding zu bedenken. "Linke Politik zielt oft darauf, die Abhängigkeit vom Staat zu zementieren. Das ist nicht sozial. Das Gegenteil ist der Fall", konstatierte sie. Sozial sei vielmehr, die Menschen in die Lage zu versetzen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Ein wichtiger Schlüssel dafür sei Bildung, so Suding weiter. "Das ist die Grundlage für fast alles. Nur durch gute Bildung haben Menschen die Möglichkeit, selbstbestimmt zu leben, ihre Chancen zu nutzen und das Beste für sich und die Gesellschaft herauszuholen." Deswegen sei auch frühkindliche Bildung wichtig. "Jedes Kind muss die gleichen Chancen auf beste Bildung haben. Was nicht heißt, dass am Ende bei allen das gleiche Ergebnis herauskommen soll", betonte die FDP-Vize. Dabei seien Menschen nun mal unterschiedlich. "Das dürfen und müssen sie auch sein, und das ist auch gut so", unterstrich sie.

In der "Welt" bekräftigte die FDP-Vize das liberale Verständnis von bester Bildung als Mittel, um Chancen zu ermöglichen. Darüber hinaus stehe die FDP für alles, was den Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermögliche, Abbau von Bürokratie fördere und bürgerliche Freiheitsrechten verteidige. "Und die Besinnung auf die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft gepaart mit gesellschaftlicher Modernität. Diese gesamte Bandbreite des Liberalismus müssen wir wieder stärker nach außen bringen", forderte sie.

Lesen Sie hier das gesamte Interview.

Frau Suding, jüngst haben diverse Berufsgruppen gestreikt. Mitverantwortlich dafür sind die Gewerkschaften, denen wir heute räumlich nah kommen. Wie fühlen Sie sich hier?

Ich fühle mich gut hier, denn ich halte starke Gewerkschaften für wichtig. Die Tarifautonomie basiert auf dem Miteinander, manchmal auch Gegeneinander von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern. Sie handeln Löhne und Gehälter aus, gestalten die Arbeitswelt. Wir brauchen Gewerkschaften, die mit ihrer großen Verantwortung auch sorgsam umgehen. Und das ist in den vergangenen Jahrzehnten im Wesentlichen gelungen. Dabei müssen Gewerkschaften als Partner an der Tariffindung sowohl auf die Interessen des Einzelnen achten als auch auf die gesamtwirtschaftliche Lage. Sie müssen abschätzen, was möglich ist. Manchmal ist die Versuchung sicher groß, überzogene Lohnforderungen durchsetzen zu wollen. Doch wenn das am Ende der Branche und der Wirtschaft schadet, schadet es auch dem Arbeitnehmer.

Übertreiben Gewerkschaften ihre Rolle, wenn Briefkästen leer bleiben und Eltern nicht wissen, wie sie ihre Kinder betreuen lassen sollen?

Es steht mir nicht zu, das zu beurteilen. Ich habe schon wahrgenommen, dass es beim Kita-Streik anfangs auch viel Verständnis bei den betroffenen Eltern für die Forderungen der Erzieher gab. Es war gut, dass wir deshalb wieder verstärkt über den Wert von frühkindlicher Betreuung gesprochen haben. Die Anforderungen an die Erzieher sind in den letzten Jahren nämlich massiv gestiegen. Wenn die Kita-Streiks nach dem Schlichterspruch aber weitergehen, wird das Verständnis bei den Eltern wohl sinken.

Warum sind Sie nie in eine Gewerkschaft eingetreten?

Ich bin schon in einer Partei.

Politik sollte nicht alles regeln

Hatten Sie aufgrund Ihrer konservativen Herkunft überhaupt eine Chance, sich politisch links einzuordnen.

Selbstverständlich. Vechta ist tief katholisch, tief schwarz. Der klassische Weg wäre natürlich gewesen, in die Junge Union und später in die CDU einzutreten. Vechta ist einer der stärksten CDU-Wahlkreise überhaupt in Deutschland. Ich denke politisch aber überhaupt nicht konservativ. Ich bin liberal, das war ich bereits in meiner Jugend. Ohne dass ich das mit einer Partei verbunden habe, waren für mich die FDP-Grundwerte immer zentral: Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Freiheit, Verantwortung, Nutzen von Chancen.

Was stört Sie an linker Politik?

Ich finde es grundsätzlich falsch, bei jeder Herausforderung zuerst nach dem Staat zu rufen, statt die Lösung erst einmal selbst zu suchen. Politik kann und sollte nicht von oben die Angelegenheiten von 81 Millionen Bundesbürgern regeln wollen. Es steckt so viel Kreativität, Schaffenskraft und Energie in jedem Einzelnen, die Probleme selbst zu lösen. Das nicht zuzulassen und zu fördern, tut unserer Gesellschaft nicht gut. Natürlich ist es richtig zu helfen, wenn Menschen temporär auf Unterstützung aus der Solidargemeinschaft angewiesen sind. Aus dem temporären sollte aber nach Möglichkeit kein dauerhafter Zustand werden. Das passiert leider sehr häufig. Dabei gibt es kaum jemanden, der dauerhaft von Sozial- und Transferleistungen abhängig sein möchte. Die meisten Menschen wollen unabhängig sein, ihr eigenes Leben finanzieren und gestalten können. Linke Politik zielt oft darauf, die Abhängigkeit vom Staat zu zementieren. Das ist nicht sozial. Das Gegenteil ist der Fall. Sozial ist, die Menschen in die Lage zu versetzen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Wie soll das gehen?

Ein wichtiger Schlüssel dafür ist Bildung. Das ist die Grundlage für fast alles. Nur durch gute Bildung haben Menschen die Möglichkeit, selbstbestimmt zu leben, ihre Chancen zu nutzen und das Beste für sich und die Gesellschaft herauszuholen. Deswegen ist auch frühkindliche Bildung ganz wichtig. Politik darf nicht länger zulassen, dass Bildungschancen von Kindern so sehr vom Elternhaus abhängen. Jedes Kind muss die gleichen Chancen auf beste Bildung haben. Was nicht heißt, dass am Ende bei allen das gleiche Ergebnis herauskommen soll. Auch das ist etwas, was linke Politik möchte: alle gleichmachen. Es gibt aber nichts Ungerechteres als alle Menschen über einen Kamm zu scheren. Menschen sind nun mal unterschiedlich. Das dürfen und müssen sie auch sein, und das ist auch gut so.

In der Bundespolitik präsent bleiben

Blicken wir auf die Hamburger FDP, die viele Beobachter vor der Bürgerschaftswahl als tot bezeichneten – insbesondere nach dem Austritt Ihrer Gegnerin Sylvia Canel, die daraufhin die Neuen Liberalen gründete. Haben Sie mal wieder was von den Neuen Liberalen gehört?

Nein. Sie?

Haben Sie das Kriegsbeil mit Frau Canel inzwischen begraben?

Wir haben uns nicht wiedergesehen.

Die FDP steht nach dem Wiedereinzug in die Bürgerschaft gut da. Wäre das nicht der richtige Zeitpunkt für Sie, sich bundesweit noch stärker zu positionieren – für die Bundestagswahl 2017?

Ich habe in Hamburg mein Mandat und den Vorsitz der Bürgerschaftsfraktion. Diese Aufgaben nehme ich sehr ernst. Nichtsdestotrotz bin ich schon seit 2011 in der Bundespolitik aktiv. Seitdem bin ich Mitglied des Bundesvorstandes, seit 2013 Mitglied des Präsidiums, seit einigen Monaten stellvertretende Bundesvorsitzende. Auch da habe ich in den vergangenen Jahren mein Engagement kontinuierlich entwickelt. Das möchte ich weiterhin tun. Und das ist gerade in einer Phase, in der wir keine Bundestagsfraktion haben, sehr wichtig. Wir müssen in der Bundespolitik präsent bleiben, denn wir wollen 2017 wieder in den Bundestag einziehen.

Für beste Bildung und mehr Selbstbestimmung

Eben weil Sie schon Bundesvize Ihrer Partei sind, schreit das doch förmlich nach höheren Aufgaben?

Ich bin doch schon Bundesvize. Viel mehr geht in der Parteiführung ja nicht mehr.

Ein bisschen ist da schon noch, vor allem über Ihre Partei hinaus. Welches Amt in Berlin würde Sie denn reizen? Außenministerin?

Was glauben Sie, was ich darauf jetzt antworte? Und zu diesem speziellen Amt habe ich mich schon geäußert.

Äußern Sie sich doch noch mal.

Ich möchte daran mitwirken, dass die FDP wieder in den Bundestag einzieht, und das mit einer starken Fraktion. Jetzt bin ich stellvertretende Bundesvorsitzende. Was irgendwann einmal darüber hinaus passiert, werden wir dann sehen.

Aber Ihnen ist schon bewusst, dass diejenige, die die Hamburger FDP aufrichten kann, es vielleicht auch im Bund schafft?

Ich bin ja auch bereits mit neuen Aufgaben im Bund betraut worden.

Welchen Weg muss die Bundes-FDP gehen, um 2017 den Wiedereinzug in den Bundestag zu schaffen?

Wir müssen uns auf das besinnen, was uns einzigartig macht. Da haben wir uns in den vergangenen Jahren zumindest in der Außenwirkung zu stark auf das Thema Steuern fixiert. Wir Freien Demokraten stehen für viel mehr. Dazu gehört beste Bildung – und zwar als das Mittel, um Chancen zu ermöglichen. Dazu gehört alles, was uns ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht, was Abbau von Bürokratie angeht, was Deutschlands Rolle in einer sich ständig wandelnden Welt angeht sowie die Verteidigung von Bürger- und Freiheitsrechten. Und die Besinnung auf die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft gepaart mit gesellschaftlicher Modernität. Diese gesamte Bandbreite des Liberalismus müssen wir wieder stärker nach außen bringen.

Hat die FDP das Tal durchschritten?

Mit den Wahlerfolgen in Hamburg und Bremen haben wir erste wichtige Schritte in die richtige Richtung gemacht. Aber wir sind noch längst nicht am Ziel. Der Weg ist noch weit und steinig. Um 2017 wieder den Sprung in den Bundestag zu schaffen, müssen wir noch viel Gas geben, und das werden wir.

Der Bund muss mehr bei der Flüchtlingshilfe tun

Die Hamburger FDP indes hat sich nach der Sommerpause die Themen Bildung, Verkehr und Hafen-Infrastruktur vorgenommen. Wie gehen Sie die wachsende Flüchtlingsproblematik an?

Wir haben eine Verantwortung gegenüber den vielen Menschen, die vor Krieg, Terror und Vertreibung zu uns fliehen, aber ihre steigenden Zahlen stellen uns auch vor große Herausforderungen. Allerdings war das bei all den Krisen in der Welt absehbar, der Senat hätte viel früher reagieren müssen.

Was ist die Lösung?

Das Wichtigste ist, die Willkommenskultur in der Stadt zu stärken. Auch ohne das großartige ehrenamtliche Engagement der Hamburger geht nichts. Ich bin stolz auf die vielen aktiven Menschen in den Kirchengemeinden, Initiativen und Unternehmen. Dieses Engagement darf nicht durch die teilweise völlig verfehlte Informationspolitik des Senats gefährdet werden. Auch unter größtem Zeitdruck muss es möglich sein, Anwohner über den bevorstehenden Bau einer Flüchtlingsunterkunft zu informieren, Fragen zu beantworten und Sorgen ernst zu nehmen.

Sollte auch der Bund mehr Verantwortung übernehmen?

Auch auf Bundesebene muss gehandelt werden. Das Arbeitsverbot für Asylbewerber in den ersten drei Monaten und die Vorrangprüfung in den ersten 18 Monaten gehören abgeschafft. Es ist falsch, Asylbewerber zu zwingen, staatliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, wenn sie auch für sich selber sorgen könnten. Außerdem suchen viele Unternehmen händeringend nach Fachkräften. Nichts halte ich von den Vorschlägen aus der bayrischen CSU, zwischen guten und schlechten Asylbewerbern zu unterscheiden. Stattdessen muss der Bund dafür sorgen, die Verfahren massiv zu beschleunigen. Wenn der Bund anstelle der Kommunen die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung übernehmen müsste, liefen die Verfahren sicher viel schneller. Hier fallen Zuständigkeit und Verantwortung auseinander. Zudem sollten weitere Länder des Westbalkans, in denen die Anerkennungsquote bei fast null liegt, zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Hier sollte der Bürgermeister seinen Einfluss in Berlin nutzen.

Social Media Button