LINDNER: Trend nach oben - aber alles braucht seine Zeit
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Freien Presse“, Chemnitz, (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Udo Lindner:
Frage: Herr Lindner, was würde es für die Bundes-FDP bedeuten, sollte die FDP am 31. August in Sachsen und zwei Wochen später auch in Thüringen und in Brandenburg an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern?
LINDNER: Ich wäre ein schlechter Parteivorsitzender, wenn ich vor den Wahlen darüber spekulieren würde, was passieren könnte, wenn wir die Wahlen verlieren sollten. Gerade für Sachsen bin ich optimistisch. Wir haben bei den Kommunalwahlen im Mai mehr als fünf Prozent erreicht und ich sehe auch in den letzten Umfragen für uns einen Trend nach oben. Niemand sollte denken, dass wir wegen schlechter Umfragewerte schon vor den Wahlen die Flinte ins Korn werfen. Und es sollte auch niemand denken, dass wir das nach den Landtagswahlen tun werden, selbst wenn wir diese verlieren sollten. Aufgeben werden wir auf keinen Fall. Alles braucht seine Zeit – auch der Prozess der Wiederaufrichtung der FDP.
Frage: In den Landesverbänden wird die Bundespartei für die eigenen miesen Umfragewerte vor den Landtagswahlen verantwortlich gemacht. Ist das – fast ein Jahr nach der verlorenen Bundestagswahl – nicht Ausdruck dafür, dass man Ihnen es als neuem Parteichef nicht zutraut, die FDP auf Kurs zu bringen? Auch der sächsische Spitzenkandidat Holger Zastrow scheut jeden gemeinsamen Wahlkampfauftritt.
LINDNER: Ich kann die Fokussierung der Landesverbände auf ihre Regionen und Probleme sehr gut nachvollziehen. Ich sehe höchstens eine Abgrenzung von einer FDP, die am 22. September 2013 abgewählt worden ist. Unter meiner Führung hat sich der Kurs bereits verändert: mehr Marktwirtschaft und weniger Subventionen in der Energiepolitik, mehr Realismus in der Europapolitik, Verteidigung der Freiheit am Arbeitsmarkt gegen den Einheitslohn. Aber auch etwa die Forderung, endlich die kalte Progression anzugehen, teilen Holger Zastrow und ich.
Frage: Vor den Wahlen in Sachsen wird mit Blick auf FDP und Alternative für Deutschland (AfD) etwas zugespitzt gefragt, ob die AfD möglicherweise künftig die „neue“ FDP sein wird?
LINDNER: Es gibt beim Programm und der Wählerschaft nur eine ganz geringe Überschneidung zwischen uns und denen. Die AfD versucht, an der rechten Flanke der Union und bei ehemaligen Wählern der NPD zu punkten. Die meisten Wähler, die die FDP bei der Bundestagswahl verloren hatte, haben damals die CDU gewählt. Der größte Wähleraustausch – das sagen auch die Statistiken der Wahlforscher – findet zwischen Nichtwählern, CDU und FDP statt. Unsere Hauptgegner sind die CDU und die SPD, wie wir sie aus der Regierung in Berlin kennen. Aber Sachsen ist nicht Berlin. Hier gibt es eine erfolgreiche Koalition mit einer anders aufgestellten Union – deshalb würden wir auch gern weiter mit ihr regieren.
Frage: Sollte die sächsische FDP die Trendumkehr schaffen, hat Parteichef Zastrow schon angekündigt, in der Bundespartei eine Führungsrolle übernehmen zu wollen. Sehen sie ihn da als innerparteilichen Gegner?
LINDNER: Für Holger Zastrow steht immer die Tür offen. Deshalb habe ich ihn direkt nach meiner Wahl zum Parteivorsitzenden auch in die Parteiführung eingebunden. Der Fahrplan zur Neuaufstellung der FDP und unsere Positionierung "Marktwirtschaft plus moderne Gesellschaft" stehen für mich jedoch nicht zur Diskussion. Da sehe ich keinen Verbesserungsbedarf. Ehrlich gesagt, kenne ich aber auch kein Thema, wo die sächsische FDP andere Positionen vertritt, als ich.