LINDNER-Statement: Wir sehen Nominierung von der Leyens mit Skepsis
Zu den Ergebnissen des EU-Sondergipfels gab der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner folgendes Statement ab:
„Über eine lange Zeit haben Union und SPD über die Spitzenkandidaten gesprochen. Die standen im Zentrum der Europawahl. Es hieß, die Spitzenkandidaten, die geben den Ausschlag für das Spitzenamt – nämlich den Präsidenten oder die Präsidentin der Kommission. Wir hatten da immer eine gewisse Zurückhaltung. Unser Vorschlag für die Spitze der EU-Kommission war Margrethe Vestager. Sie war Teil eines Spitzenteams – es wurde aber gegen sie verwendet, dass sie nicht schon auf einem Wahlzettel als Spitzenkandidatin stand. Und jetzt – man kommt sich hineinversetzt in eine amerikanische Fernsehserie vor – wird plötzlich Ursula von der Leyen wie das Kaninchen aus dem Zylinder gezogen. Sie hatte zuvor mit Europapolitik und der Europawahl gar nichts zu tun. […]
Margrethe Vestager wäre die beste Besetzung für die Spitze der Europäischen Kommission gewesen. Und Frau Merkel hat gehörigen Anteil daran, dass eine überzeugte Europäerin, die als Europapolitikerin bekannt war, die im Wahlkampf tätig war, dass sie nicht ins Amt kam. Frau Merkel wollte keine Liberale. Deshalb haben wir jetzt die Diskussion über Frau von der Leyen, wo viele sich fragen: Ist sie geeignet? Und was legitimiert sie eigentlich, einfach aus der nationalen Politik nach Brüssel zu wechseln? […]
Wir sehen die Nominierung von Ursula von der Leyen mit einer gehörigen Portion Skepsis. Aus der Sache ihrer Amtsführung als Ministerin heraus, aber auch hinsichtlich der Legitimation. Schließlich war sie keine Europapolitikerin. Sie hat nicht in europäischen Institutionen gearbeitet. Erst recht war sie keine Kandidatin für eines der europäischen Spitzenämter. Sie wird sich auf einige sehr kritische Fragen der Fraktion der Liberalen ,Renew Europe‘ einstellen müssen. Wir wissen nicht von ihr, wofür sie europapolitisch steht.
Die gute Nachricht ist, dass Margrethe Vestager Vizepräsidentin der Europäischen Kommission werden könnte. […] Eine starke Persönlichkeit, die für die europäische Wettbewerbspolitik, also für soziale Marktwirtschaft, wie wir sie uns vorstellen, steht. Einerseits klare Regeln für die Großen wie Apple und Google, aber bitte keine lästige, ärgerliche Alltags-Bürokratie. Auch kein Zurückschrecken vor nationalen Regierungen, wenn es darum geht, die Rechte von Mittelstand und Verbrauchern zu schützen. […]
So wie das jetzt gelaufen ist, wird das in Zukunft nicht weitergehen können. Es gab diesen Spitzenkandidaten-Prozess, der jetzt keine Auswirkungen hat auf das Ergebnis. Deshalb ist es richtig, dass eine neue parlamentarische Versammlung einberufen wird, um über die innere Reform der Europäischen Union zu sprechen. So wie es jetzt gelaufen ist: Spitzenkandidaten treten auf, treten ab, ganz andere Leute kommen in Ämter – das beschädigt das Vertrauen der Menschen in die Demokratie. Warum dann überhaupt eine Europawahl, wenn deren Ausgang keinen Einfluss auf die Besetzung von Spitzenposten hat? […]
Wir brauchen jetzt diese Versammlung, die über die Institutionen und Strukturen sowie Verfahren der Europäischen Union berät – an der Spitze wohl mit einer liberalen Persönlichkeit. In diese Entscheidung, die sich jetzt abzeichnet, setzen wir große Hoffnungen, damit der demokratische Schaden, der jetzt durch dieses Verfahren entstanden sein könnte, nicht dauerhaft zu einem Vertrauensverlust in die Europäische Union führt. […]
Wir schauen jetzt mit Spannung auf die Sozialdemokratie, die in Deutschland sich ja vehement gegen die Nominierung von Frau von der Leyen wehrt. Das muss ja auch durch das Bundeskabinett. Der SPD droht die Fortsetzung der Causa Maaßen aus dem letzten Sommer in diesem Sommer mit Ursula von der Leyen. Und jeder, der Interesse an stabilen Verhältnissen in Deutschland hat, kann das nicht mit Schadenfreude, sondern nur mit Sorge sehen.“