13.10.2015FDPWirtschaft

LINDNER-Interview: Volkswagen muss lückenlos aufklären

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab dem „Handelsblatt“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte THOMAS SIGMUND:

Frage: Hat der VW-Skandal das Zeug, den Ruf der ganzen deutschen Wirtschaft zu beschädigen?

LINDNER: Deutschlands globale Wettbewerber sind natürlich daran interessiert, „made in Germany“ zu schwächen. Unsere Wirtschaft ist verantwortungsbewusst und stark. Der VW-Betrug ist nicht die Regel, sondern die krasse Ausnahme. Deshalb habe ich kein Verständnis dafür, dass Teile der Politik bis in die Bundesregierung hinein sich nicht vor unsere Wirtschaft stellen, sondern im Gegenteil Misstrauen säen.

Frage: Was meinen Sie damit konkret?

LINDNER: Die Kritik der Grünen und ihrer Lobbygruppen zeigt, dass VW der Anlass ist, jetzt nach der Energiebranche die zweite Schlüsselindustrie klein machen zu wollen. Und die Große Koalition misstraut sowieso allem, was nicht staatlich ist. Ich frage mich: Wo ist eigentlich der Bundeswirtschaftsminister, wenn eine der stärksten Branchen unseres Landes für das kriminelle Verhalten Einzelner in Mithaftung genommen werden soll?

Frage: Dass bei VW in gewaltigem Ausmaß betrogen wurde, ist doch unbestreitbar ...

LINDNER: Natürlich, und kriminelle Machenschaften verdienen keine Nachsicht, sondern eine konsequente juristische Aufarbeitung. VW selbst muss lückenlos aufklären und einen Neustart glaubhaft machen. Ich halte auch die Staatsbeteiligung an dem Konzern für ordnungspolitisch falsch. Warum muss das Land Niedersachsen über eine goldene Aktie verfügen, mit der es die Geschäftspolitik stark beeinflussen kann?

Frage: Was fordern Sie?

LINDNER: Der Betrugsskandal ist unter den Augen des niedersächsischen Ministerpräsidenten im Aufsichtsrat passiert. Mir ist nicht bekannt, dass Herr Weil über eine besondere Expertise verfügt, um über die Geschicke eines internationalen Autokonzerns zu entscheiden. Es ist an der Zeit, das VW-Gesetz auf den Prüfstand zu stellen. Der Betrugsskandal wäre die ideale Gelegenheit, Politiker gegen Experten auszutauschen, die von der Sache etwas verstehen.

Frage: Drei Wochen nach Bekanntwerden der VW-Manipulationen belebt heute Sigmar Gabriel das Bündnis für Industrie wieder.

LINDNER: Als der politische Shitstorm über die gesamte Autobranche und die deutsche Industrie hereingebrochen ist, hätte sich der Wirtschaftsminister schützend in den Sturm stellen müssen. Das wäre der Lackmustest für eine echte Industriepolitik gewesen. Warmherzige Erklärungen und pressetaugliche Vor-Ort-Termine ersetzen keine gute Gesetzgebung, die die Rahmenbedingungen für unsere Industrie verbessert.

Frage: Die da wäre?

LINDNER: Der Wirtschaftsminister hat bewusst die Zuständigkeit für die Energiewende an sich gezogen. Nach zwei Jahren ist zu bilanzieren, dass das Jahrhundertprojekt Energiewende kurz vor dem Scheitern steht. Die Koalition verrennt sich beim Klimaschutz, die Energiepreise für die Verbraucher und für Industrie und Mittelstand steigen. In dieser Woche wird der nächste Anstieg der EEG-Umlage bekannt gegeben. Es wäre Aufgabe des Wirtschaftsministers, einen Weg aus dem EEG-Subventionschaos zu ebnen. Stattdessen werden alle Gräben dieser ideologischen Energiepolitik mit dem Geld der Stromkunden zugeschüttet. Das EEG sollte besser heute als morgen abgeschafft werden.

Frage: Was kritisieren Sie außerdem?

LINDNER: Die geplante Reform der Erbschaftsteuer ist eine massive Schwächung der Unternehmen, denen in Zeiten des digitalen Wandels die Investitionskraft aus eigenen Mitteln entzogen wird. Hier droht nicht nur das nächste bürokratische Monstrum, sondern ein Angriff auf die Substanz der Unternehmen. Wenn in dieser Frage schon kein Verlass mehr auf die Union ist, würde ich ein Veto des Wirtschaftsministers erwarten, der sich ja ansonsten gerne auf Ludwig Erhard beruft.

Frage: Was würden Sie anders machen?

LINDNER: Wir brauchen einen politischen Klimawandel, was das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft angeht – weg mit diesem tiefen Misstrauen, das zu immer mehr Regeln, neuen Eingriffen und massiver Bürokratie führt. Und in Zeiten zunehmender Konjunkturrisiken bräuchte es einen Investitions-Turbo. Wenigstens die Chance des Freihandels müsste der Wirtschaftsminister mit Verve verteidigen, Herr Gabriel hat aber nicht einmal die Industriegewerkschaften überzeugt bekommen.

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