LINDNER-Interview: Nicht um jeden Preis regieren
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab dem „Donaukurier“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz:
Frage: Herr Lindner, CDU und FDP haben sich auf eine schwarz-gelbe Koalition in NRW verständigt. Haben Sie Tempo gemacht, weil Sie ohnehin nur auf der Durchreise nach Berlin sind?
Lindner: Nein, wir haben sorgfältig verhandelt und einen Politikwechsel erreicht. Am Ende steht eine Zusammenarbeit, die keine verlängerte Werkbank der großen Koalition in Berlin ist, sondern eigene Akzente im Interesse des Landes setzt. Das war für die Freien Demokraten wichtig.
Frage: Welche Überschrift steht über dem schwarz-gelben Projekt?
Lindner: Wir wollen scheinbare Gegensätze verbinden. Wirtschaftlicher Fortschritt muss nicht zulasten der Umwelt gehen und Umweltschutz muss nicht, wie bei Rot-Grün, die Wirtschaft fesseln. Man kann die Sicherheit und den Rechtsstaat stärken, ohne Bürgerrechte einzuschränken. Und soziale Verantwortung übernimmt man besser mit starker Bildung als mit Umverteilung.
Frage: Im Kampf gegen den Terror setzen die meisten Bundesländer auf das Instrument der Schleierfahndung. Die FDP hat dafür gesorgt, dass dies in NRW weiter nicht möglich ist. Warum?
Lindner: Wir machen es innovativer und achten vor allem die sich verändernde Rechtsprechung. Wir stärken die Sicherheit durch eine verdachtsunabhängige Kontrolle. Das ist zur Bekämpfung organisierter Kriminalität und von Terrorismus sinnvoll. Aber diese Kontrollen werden bei einem konkreten Anlass zeitlich und räumlich begrenzt. Diese strategische Fahndung stärkt einerseits die Polizei, aber macht die Bürger nicht zu Untertanen.
Frage: Der baldige Landesvater Armin Laschet fordert, bei der Inneren Sicherheit durchzugreifen.
Lindner: Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich jederzeit verlassen können, dass Recht und Ordnung durchgesetzt werden. Das Personal bei Polizei und Justiz wird aufgestockt. Wir wollen aber keinen autoritären Obrigkeitsstaat, sondern einen liberalen Rechtsstaat.
Frage: Wie wollen Sie mehr Personal und andere Wahlversprechen bezahlen? Kommt der Rotstift?
Lindner: Wir werden besser mit dem Geld wirtschaften als Rot-Grün. Die zusätzlichen Milliardeneinnahmen sind bei unserer Vorgängerregierung einfach versickert. Mit verstärktem Bürokratieabbau und Digitalisierung werden wir die Kosten senken. Die Verwaltung wird schlanker und günstiger, aber auch schneller werden. Im Schulterschluss mit den Beschäftigten im öffentlichen Dienst wollen wir jede einzelne Haushaltsstelle scannen, wo der Staat effizienter werden kann. Die Schuldenbremse wird eingehalten. Dennoch setzen wir bei Bildung, Innerer Sicherheit, Kitas und Infrastruktur klare Schwerpunkte und investieren.
Frage: Sie haben im Wahlkampf vor allem die Verkehrspolitik und die vielen Staus in NRW zum Thema gemacht. Wie will Schwarz-Gelb die Staus auflösen?
Lindner: Es wird wieder mehr geplant, investiert und mehr gebaut werden. Es muss auch deutlich schneller als bisher beim Straßenbau gehen und in der Regel immer an sechs Tagen in der Woche das Verkehrsnetz an Rhein und Ruhr ausgebaut werden. Das Dauerwachstum der Staus in NRW muss beendet werden.
Frage: Ist Schwarz-Gelb auch das Modell für Berlin und den Bund?
Lindner: Die FDP bleibt eigenständig. Das gilt auch für den Bund. Wenn wir in den Bundestag einziehen, stehen wir für Gespräche bereit. Wenn wir unsere Inhalte nicht in einer Koalition wiederfinden und keinen Politikwechsel erreichen können, gehen wir in die Opposition. Die FDP muss nicht um jeden Preis regieren. Was in Kiel mit der Jamaika-Koalition gelungen ist, ist interessant. Aber die Kieler Grünen sind nicht mit denen in Berlin zu vergleichen. Die Frage nach einer Koalition mit der SPD stellt sich schon rechnerisch nicht. Auch inhaltlich trennen uns aktuell Welten.